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Unbeschwerte Melodien verfemter Künstler

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„Verboten und Verbannt“ war eine Kooperation der Gesangssolisten von „Bel-Voce“ und dem Gesangstudio Vollmert.
„Verboten und Verbannt“ war eine Kooperation der Gesangssolisten von „Bel-Voce“ und dem Gesangstudio Vollmert. © Privat

Konzert beleuchtet Werke einst verfolgter Musiker

Kriftel -Es war ein außergewöhnliches Konzert, dass das Musikforum Kriftel Ende März in das Rat- und Bürgerhaus brachte. Unter dem Titel „Verboten und verbannt, beliebte Melodien - verfemte Künstler“ wurden Stücke verfolgter Komponisten klassischer deutscher Unterhaltungsmusik in der Nazizeit gespielt, darunter Werke von Paul Abraham, Oscar Straus, Georg Kreisler, Friedrich Hollaender, Leon Jessel, Kurt Weill, Robert Stolz, Werner R. Heymann, Leo Fall und Emmerich Kálmán.

Die insgesamt 19 Beiträge wurden von sechs Mitgliedern der Bel-Voce-Gesangssolisten wie auch von zwei Mitgliedern des Gesangstudios Vollmert, Karin Herkströter und Klaus Gallenbacher, vorgetragen. Begleitet wurden die Solisten von Norbert Henß am Piano. Die künstlerische Gesamtleitung hatte Erika Sommer. Der Zulauf war enorm: 120 Interessierte kamen ins Rathaus, um den Melodien zu lauschen. Ihre Begeisterung schlug sich auch in einer außergewöhnlich hohen Spendensumme von 813 Euro wider, die der Arbeit des Kulturforums zugeleitet werden wird.

Der Leiter des Musikforums, Dietmar Vollmert, eröffnete den Abend als Organisator mit den folgenden Zeilen aus dem Musikfilm „Ein blonder Traum“: „Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück und ich träum davon in jedem Augenblick. Irgendwo auf der Welt gibt’s ein bisschen Seligkeit und ich träum davon schon lange, lange Zeit. Wenn ich wüsst, wo das ist, ging ich in die Welt hinein, denn ich möchte einmal recht so von Herzen glücklich sein. Irgendwo auf der Welt fängt mein Weg zum Himmel an. Irgendwo, irgendwie, irgendwann.“ Diese Zeilen stehen stellvertretend für das, was die Beiträge des Abends verband: der Wunsch nach einer besseren Welt, in der die Autoren der Werke nicht verfolgt würden, fliehen müssten oder sogar in KZs ermordet würden.

Mit Ausnahme der Lieder von Georg Kreisler, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, wurden alle Beiträge vor 1933 erschaffen. So konnten die beliebten und bekannten Melodien noch zu einer Zeit entstehen, in der die Autoren der Werke noch nichts von ihrem späteren Leben wissen konnten. „Das Wissen aber um das, was ihnen dann widerfuhr, kann uns heute nicht mehr unbeschwert an diese Werke herantreten lassen“, so Vollmert im Vorwort in der Anmoderation.

Tiefe Ernsthaftigkeit und schwarzer Humor

So kommen viele dieser Werke inzwischen auch wieder auf die Opernbühnen, allen voran in der Komischen Oper in Berlin unter Barrie Kosky. Andere Werke sind inzwischen, etwa in Wien, ins Standardrepertoire aufgenommen worden. So schwebte über allen Vorträgen das oben erwähnte Wissen über die Geschichte der Künstler und prägte dadurch die Gestaltung des Vortrags der einzelnen Beiträge.

Tiefe Ernsthaftigkeit, aber auch schwarzer Humor auch bei den fröhlichsten und unbeschwertesten Texten zog sich durch alle Darbietungen und machte den Abend zu einem intensiven Erlebnis: Eröffnet wurde der Konzertabend von Dominik Schumertl, der „Bin nur ein Jonny“ aus der „Blume von Hawaii“ mit der dem Lied innewohnenden Süffisanz vortrug. Weiter ging es mit „Pardon Madame“ aus „Viktoria und ihr Husar“, das von Klaus Gallenbacher vorgetragen ebenfalls den Witz von Paul Abraham gebührend zur Geltung brachte. Karin Herkströter entführte dann anschließend „Leise, ganz leise“ in den „Walzertraum“ und seine Glückseligkeit.

Frauke Link führte die unterschiedlichsten Gestaltungsmöglichkeiten des Klauens vor. Vom Büstenhalter bis zum Bechstein-Flügel reicht das von Hollaender ausgesuchte Portfolio der Wünsche der „Kleptomanin“ - „tanzend um die Welt“. Mit Weills „Die Seeräuberjenny“ und „Surabaya Johnny“ aus der „Dreigroschenoper“ sowie „Happy End“ entließ Angelika Negwer das Publikum angemessen in die Pause.

Im zweiten Teil forderte Janina Knothe beherzt „Spiel auf deiner Geige“ aus „Venus in Seide“ und Karin Herkströter besang beseelt „Der Kaiser an meiner Seite“ aus „Der Favorit“, beides Stücke von Robert Stolz. Das Finale des Konzerts bildeten drei Stücke von Kálmán aus „Gräfin Mariza“ sowie „Die Csárdásfürstin“: „Grüß mir die süßen, die reizenden Frauen“ forderte nachdrücklich Karsten Schmidt-Hern, und Karin Herkströter und Klaus Gallenbacher träumten zusammen mit allen Solistinnen „Tanzen möcht’ ich“.

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