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Die kuriose Welt der RMV-Tarife

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Die Hinfahrt kostet 1,75 Euro, dieDickicht Rückfahrt 4,55 Euro: Klingt verrückt, ist aber Realität im öffentlichen Nahverkehr. Ein Ausflug in die kuriose Welt der RMV-Tarife.

Etwa einmal pro Woche fährt der Oberräder Karlheinz Maier zum Einkaufen in die Stadt. Nein, nicht in die Frankfurter City, sondern ins benachbarte Offenbach. Das geht nicht nur schneller, sondern ist sogar billiger. Von der Straßenbahn-Haltestelle „Flaschenburgstraße“ in Oberrad bis zur Bushaltestelle „Ledermuseum“ in Offenbach wird nämlich nur der günstige Kurzstreckentarif in Höhe von 1,75 Euro berechnet.

Auf dem Hinweg ist das alles kein Problem. Maier kauft sich ein Ticket am Automaten, fährt mit der Tram bis zu Stadtgrenze, steigt in die Buslinie 120 der Offenbacher Verkehrsbetriebe (OVB) um und fährt noch einmal zwei Stationen weiter. Auf dem Rückweg sollte normalerweise der gleiche Fahrpreis fällig werden. Da es an der Bushaltestelle aber keinen Automaten gibt, muss Maier das Ticket im Bus kaufen. Und da soll er plötzlich 4,55 Euro zahlen. Denn der Busfahrer kann in seinem Fahrscheindrucker kein Ticket für eine „tarifgrenzenüberschreitende Kurzstrecke“ (so der Fachausdruck) finden. 4,55 Euro: Für dieses Geld könnte Maier nicht nur die zwei Kilometer vom Ledermuseum nach Oberrad (Kilometerpreis 2,28 Euro), sondern auch 25 Kilometer von Offenbach-Bürgel nach Frankfurt-Zeilsheim fahren (Kilometerpreis: 18 Cent). Aber das will er ja gar nicht.

Und künftig kriegt er auch das günstige Ticket. Grund für die Verwirrung ist nämlich ein technischer Fehler: Der Fahrscheindrucker im Bus ist falsch programmiert. „Es tut uns leid, wir werden das so schnell wie möglich beheben“, sagte ein Sprecher der Offenbacher Verkehrsbetriebe nach der Anfrage dieser Zeitung.

Digitale Technik

Es gibt aber auch Fälle, in denen die Rückfahrt ganz regulär nach den gültigen Tarifbestimmungen 2,6 Mal so viel kostet wie die Hinfahrt: Wer sich zum Beispiel von der Bushaltestelle „Schafheckstraße“ in Oberrad gen Offenbach aufmacht, gerät in eine kuriose Situation. Er fährt mit dem Quartierbus 82 zwei Stationen bis zur „Wiener Straße“, steigt dort in die Straßenbahn zur Stadtgrenze und anschließend in den Bus zum Ledermuseum. Das ist eine Wegstrecke von – die Frankfurter Nahverkehrsgesellschaft Traffiq hat es exakt ausgerechnet – 1994 Metern und liegt damit knapp unter der Kurzstreckengrenze von 2000 Metern. Auf dem Rückweg ist es anders: Da der 82er Bus als Ringlinie fährt, steuert er von der „Wiener Straße“ aus die „Schafheckstraße“ nicht direkt an, sondern macht einen Umweg über die Ortsmitte Oberrads. Und so kommt eine Fahrtstrecke von mehr als 3000 Meter zusammen. Eine Kurzstrecke ist das nicht mehr. Wer dank Umweg länger in einem gut geheizten Bus sitzt, der soll auch dafür bezahlen. 4,55 Euro nämlich.

Die Regel ist erst seit dem jüngsten Tarifwechsel am 1. Januar in Kraft. Vorher galt: Wenn eine Verbindung in einer Fahrtrichtung eine Kurzstrecke ist, betrifft das auch die Gegenrichtung. Das führte dazu, dass es Kurzstrecken mit mehr als 5000 Metern Länge gab. Da das aber nicht mehr richtig kurz ist, änderte der Rhein-Main-Verkehrsverbund die Bestimmungen. Jetzt gilt für Kurzstrecken eine absolute Obergrenze von 2350 Metern. Und dank digitaler Technik können die Fahrtstrecken auf den Meter genau ausgerechnet werden. „Das ist für den Kunden nicht erfreulich“, sagt Traffiq-Sprecherin Kirsten Anlauf. „Aber wir sind an das Tarifsystem des RMV gebunden.“

Oberrad ist kein Einzelfall. Auch am Sachsenhäuser Berg gibt es ein Beispiel für unterschiedliche Preise von Hin- und Rückfahrt. Die Strecke vom „Lokalbahnhof“ zur „Bergkirche“ kostet 1,75 Euro, für die Rückfahrt werden 2,75 Euro verlangt. Der Grund ist ebenfalls eine Ringbuslinie.

Kein Einzelfall

Aber auch in U- und S-Bahn kann es solche Situationen geben. Vom Südbahnhof zur Hauptwache wird eine Kurzstrecke berechnet – aber nur, wenn man mit der U-Bahn fährt. Für die Fahrt mit der S-Bahn wird ein Euro mehr fällig. Dafür genießt man eine längere Strecke im Tunnel und zwei Minuten zusätzliche Fahrzeit. Legendär ist auch das Wirrwarr, wenn man mit einer Monatskarte für Frankfurt das Stadtgebiet verlassen will. Für die Fahrt nach Bad Vilbel zum Beispiel braucht der Kunde eine „Anschluss-Einzelfahrkarte“ zum Preis von 2,60 Euro. Für die Rückfahrt hingegen kann er sich am Automaten in Bad Vilbel einfach ein Einzelticket bis Berkersheim für 1,95 Euro ziehen. „Das ist für die Fahrgäste unschön, kommt aber manchmal an Tarifgrenzen vor“, so RMV-Sprecherin Petra Eckweiler.

In Unterliederbach wissen findige Fahrgäste das Problem zu umgehen. Von der „Hans-Böckler-Straße“ an der Stadtgrenze wird zum nahen „Main-Taunus-Zentrum“ nur eine Kurzstrecke berechnet. Sparfüchse steigen deshalb an der Haltestelle aus dem vom Bahnhof Höchst kommenden Bus 253 hinten aus und vorne wieder ein, um beim Fahrer ein Kurzstreckenticket zu kaufen. Das aber ist nach Ansicht des RMV illegal und wurde lange Zeit durch die Busfahrer unterbunden. Doch mittlerweile, so ist es zu hören, wird die Praxis toleriert.

In den nächsten Jahren will der RMV sein Tarifsystem reformieren. Die Preise sollen sich stärker an der tatsächlich zurückgelegten Strecke orientieren. Pilotprojekt soll das neue System für Nutzer des Handy-Tickets werden. Wann es startet, ist noch unklar. Und offen ist auch, ob es dann nicht andere Kuriositäten geben wird . . .

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