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Im letzten Hemd

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Von: Alexandra Flieth

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© Maik Reuß

50 Bilder zeigen 50 Menschen in Gedanken an ihren eigenen Tod: Das Foto-Projekt thematisiert die Auseinandersetzung und den Umgang mit dem Thema Sterben. Eine Auswahl der großformatigen Arbeiten wird derzeit in einer Ausstellung in der Kunsthalle Ludwig in Höchst gezeigt.

Eine Tasse Kaffee, ein Handy und ein Block mit gelben Klebezetteln sind die Utensilien, die Felix Ziemer (28) im Falle seines Ablebens einmal mit ins Grab nehmen möchte. „Ohne mein Handy und ohne Kaffee geht es gar nicht, und da ich immer irgendetwas vergesse, darf der Post-it-Block auch nicht fehlen“, erzählt er mit einem Schmunzeln im Gesicht. „Sich in meinem Alter jedoch schon Gedanken zu seinem eigenen Tod zu machen, sich in diese Situation hineinzuversetzen, das ist wirklich sehr schwierig“, beschreibt Ziemer seine Gefühle.

Wann und wie ein Mensch einmal sterben wird, weiß glücklicherweise niemand im Voraus. Auch Ziemer nicht. Vielmehr hat er mitgemacht bei einem ganz besonderen Foto-Projekt, das den Titel „Im Letzten Hemd“ trägt. Die Höchster Thomas Balzer und Klaus Reichert, die beide zur Künstlergruppe „Gotensieben“ gehören, haben es im Auftrag der privaten Trauerakademie Fritz Roth aus Bergisch-Gladbach realisiert.

Totenkleid selbst gewählt

50 Teilnehmer unterschiedlichen Alters und Berufes haben mitgemacht und sich ihr „letztes Hemd“ gewählt. Balzer porträtierte sie, aufgebahrt und gebettet auf einem weißen Kissen sowie eingehüllt in eine weiße Decke. Jeder von ihnen aber wählte die Kleidung oder auch verschiedene Gegenstände aus, die eine individuelle Bedeutung für ihn haben – wie etwa einen Fußball ohne Luft oder eine Staffelei. Friedlich und entspannt wirken die Porträtierten in dieser Position. Eine Auswahl der großformatigen Fotografien wird derzeit in der Kunsthalle Ludwig an der Königsteiner Straße 61 a ausgestellt.

Für David Roth, den Sohn des bereits verstorbenen Fritz Roth, ist das Projekt eine Herzensangelegenheit. „Viele Menschen haben Angst sich mit dem eigenen Tod oder dem eines Angehörigen auseinanderzusetzen“, sagt David Roth anlässlich der Eröffnung der Schau. Die Trauerakademie thematisiere die persönlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Aspekte im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer. Das künstlerische Projekt soll zur Auseinandersetzung und zu Gesprächen anregen. „Es geht darum, Ängste abzubauen und sich selbst zu entscheiden: Was möchte ich machen, wie soll dieser letzte Weg gestaltet sein“, betont er.

Schwieriger Gedanke

„Manche, die wir für das Projekt angesprochen haben, wollten mitmachen, haben aber dennoch abgesagt“, erzählt Roth. „Nicht für sie, sondern für ihre Angehörigen war der Gedanke, sich vorzustellen, dass ein geliebter Mensch nicht mehr da ist, einfach sehr schwierig“, sagt Roth. Trotzdem sei es alleine durch die Auseinandersetzung damit zu Gesprächen über Dinge gekommen, die man im Alltag gerne verdränge. „Ich finde es wichtig, dass Menschen lernen, mit dem Thema umzugehen und selbst Verantwortung übernehmen“, erklärt Roth weiter.

Auch Klaus Reichert hat sich von Balzer in seinem „letzten Hemd“ für das Projekt fotografieren lassen, ganz klassisch gekleidet mit schwarzem Hemd und Sakko. Außerdem trägt er eine dunkle Sonnenbrille. Fast wirkt er wie ein Rockstar, doch dieses Image ist, wie er erzählt, gar nicht gewollt. „Ich bin ein künstlerischer Mensch und habe mir Gedanken darüber gemacht, dass Menschen mit Nahtod-Erfahrungen davon sprechen, in ein helles Licht hineinzugehen“, sagt Reichert weiter. Daher habe er die Sonnenbrille für sich gewählt.

Auf einer weiteren Foto-Serie im Kleinformat, von der ebenfalls ein Teil in der aktuellen Schau gezeigt wird, hat der Fotograf Balzer die Teilnehmer zudem in dem Moment festgehalten, in dem sie aus ihren Gedanken an den eigenen Tod wieder zurückgekehrt sind in das Leben. Diese Aufnahmen, die mit Zitaten der Akteure versehen sind, sind als Ergänzung zu den Fotografien des Projekts zu verstehen. „Das Leben ist zu kurz, um es in Langeweile zu verbringen“, wird ein Teilnehmer hierauf zitiert. In der Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod ist dies ein wirklich gutes Lebens-Motto.

Die Ausstellung in der Kunsthalle Ludwig, Königssteiner Straße 61 a, läuft bis zum 18. Juni. Sie kann nach vorheriger Anmeldung unter (069) 78 99 50 35 besichtigt werden. Weitere Infos: .

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