Eine herzliche Premiere: „So viel Menschlichkeit tut einfach gut“

8000 Euro bei Spendenfest für Erdbebenopfer gesammelt
Liederbach. Ein früher Nachmittag in der Liederbachhalle. Normalerweise ist hier nicht viel los. Die Sportvereine haben noch nicht mit dem Training begonnen, andere Gruppen vom Vormittag sind durch, viele Schüler schon zu Hause. Nicht so am vergangenen Mittwoch. Da nämlich tummeln sich viele Liederbacher und Gäste aus anderen Orten im Foyer 2 der Halle und den beiden angrenzenden Räumen. Eine Privatgruppe aus der Gemeinde hat zu einem Spendenfest für die Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien eingeladen.
Büfett lässt kaum einen Wunsch offen
Die Kinder haben ihren eigenen Bereich, hier können sie sich schminken lassen, sie basteln, blasen mit einer Maschine Luftballons auf und toben herum. Der Raum nebenan ist vor allem das „Revier“ für die Erwachsenen, hier gibt es allerlei Leckereien aus der Türkei, Syrien, Marokko und anderen Nationen. Den Vogel aber schießen die Veranstalter mit dem Büfett im Foyer ab. Kaum ein Wunsch bleibt offen, Hobby-Bäckerinnen und -Köchinnen haben ganze Arbeit geleitet. Da steht der Karottenkuchen mit Datteln neben dem Frankfurter Kranz, der Fruchtboden neben den Baklava aus Blätterteig, die Hefeteilchen Pohaca neben allerlei Mehlspeisen und die verschiedensten Salate beieinander. Helferinnen sind gut beschäftigt, während die Kundschaft fleißig einkauft fürs verspätete Mittagessen oder die Kaffeetafel.
Özlem Sakal, Yesim Barak, Dr. Emine Gültekin und Burzu Karaca beobachten das bunte Treiben sehr zufrieden. Glücklich sind sie in diesem Moment aber nur bedingt, denn das Geld ist für die Überlebenden der schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien bestimmt. Barak hat drei Neffen bei der Katastrophe verloren, erzählt sie offen. Fast jede Familie hier in Deutschland kenne Betroffene des Erdbebens, macht sie die Ausmaße deutlich. Das Team hat auch Fotos und die Namen der Städte aufgehängt, in denen das Unglück passiert ist.
Mit bunten Plakaten haben die Frauen für ihr Spendenfest geworben. Mit großem Erfolg: Nach einer ersten Zählung am Ende des Tages seien gut 8000 Euro zusammengekommen, berichtet Sakal begeistert. Und selbst danach spendeten Menschen, die nicht dabei sein können, noch weiter. Ganz berührend findet sie Briefe der Lehrerinnen an der Liederbachschule, die zwar keine Zeit an diesem Nachmittag haben, aber unterstützen wollen.
Was nun mit diesem Geld passieren soll? Ursprünglich wollte das Quartett damit Container finanzieren, um den Menschen dringend nötige Unterkünfte zu ermöglichen. Doch diese seien kaum zu bekommen oder in den Preisen massiv gestiegen, berichtet Sakal. Deshalb wollen sie nun eine Hälfte an die Organisation „Der rote Halbmond“, das türkische Pendant vom Deutschen Roten Kreuz, überweisen. Und die andere soll direkt als Hilfe nach Syrien gehen.
„Ich bin beeindruckt über die Solidarität über Nationen hinweg“, sagt Bürgermeisterin Eva Söllner, die sich in ihrer Mittagspause hier versorgt und gerne gespendet hat. Das sei eine „tolle Initiative“ von engagierten Bürgern der Gemeinde. Sie hoffe deshalb, dass die Sammler viel Geld für die gute Sache erhalten.
Sie habe ein paar Wochen gebraucht, um die schlimmen Ereignisse in der türkischen Heimat zu verarbeiten, blickt Barak zurück. Dann aber habe sie sich entschieden, etwas aktiv tun zu wollen und ihre Freundin Sakal angerufen. Wie ein Schneeball wurde die Aktion größer und größer, binnen weniger Tage waren bereits rund 60 Helfer an Bord. „Das ist hier eine bunte Mischung. So viel Menschlichkeit tut einfach gut“, freut sich das Duo über die Unterstützung und „Gänsehaut pur“ beim Spendenfest. In schwierigen Zeiten Mitgefühl zu zeigen, „das ist das Wichtigste, was wir tun können“, finden die Initiatorinnen und betonen mit Blick nach vorn: „Es hat uns zusammengeschweißt.“
Vorstellbar sind weitere Aktionen
Innerhalb von nur drei Wochen haben sie das Fest auch dank einiger Sponsoren, darunter neben Firmen und Geschäften noch die SG Oberliederbach als heimischer Verein, auf die Beine stellen können. Es soll keine Eintagsfliege bleiben. Sie können sich vorstellen, weitere Veranstaltungen zu organisieren, so Barak und Sakal - zum Beispiel schon zeitnah ein Ramadan-Fest. Sie haben gute Kontakte in der Gemeinde, das möchten sie künftig noch stärker nutzen. Zwischen Job, Kinderbetreuung und Haushalt haben sie das gemeistert. Der Erfolg gibt ihnen Recht und spornt an.