Liederbach: Trauer um den „Engel“ und „Heinzelmann“

Ursula „Uschi“ Opitz mit 88 Jahren gestorben - Jahrzehnte politisch, beim DRK und als Schiedsfrau aktiv
Liederbach. „Der Engel von Liederbach“ stand über einem Artikel zu ihrem 70. Geburtstag. „Heinzelmann vom Meenzer Goldgrund“ hieß es vor 13 Jahren in dieser Zeitung, als Ursula Opitz ihren 75. feierte. „Ich bin ein Friedensrichter“, titelte das Kreisblatt 2015, als die Liederbacherin auf bemerkenswerte 45 Jahre im Schiedsamt der Gemeinde zurückblicken konnte. Mit Leistungen in langen Zeiträumen konnte das „Mainzer Mädchen“ intensiv in der Gemeinde, dem Main-Taunus-Kreis und auch ihrer närrischen Heimatstadt aufwarten. Und so ist die Trauer nun groß, denn Ursula „Uschi“ Opitz ist am Freitag im Alter von 88 Jahren gestorben. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in einem Seniorenheim in Kriftel.
Bankerin, Helferin, Närrin, Macherin
Zum 70. Geburtstag hatte sie den Wunsch, 100 zu werden. Zum 75. durfte „es gerne ein bisschen mehr werden“, hatte sie gesagt. Dieser Wille war ihr nicht vergönnt. Spenden hat sie sich für das Deutsche Rote Kreuz Liederbach gewünscht. Die Beisetzung wird im engsten Kreis in Mainz sein, wo sie geboren wurde. Von 1943 bis 1950 lebte sie in einem Internat in der Schweiz, bevor sie sich nach dem Tod der Eltern um ihren Bruder kümmerte. Deshalb arbeitete sie als Bankerin und verwirklichte nicht den beruflichen Traum der Innenarchitektin.
Einer, der sie besonders gut kannte und mit zuerst die traurige Nachricht erhielt, ist Reinhold Hofmann, Vorsitzender des DRK. Sie sei den Menschen sehr zugetan gewesen, habe überall mitgeholfen, zieht er den Hut vor einer aktiven Frau. Noch lange habe er sie besucht und mal einen Hinweis bekommen, doch ein Weinchen mitzubringen, erinnert sich Hofmann an die typische, auch schelmische Art der bekannten Liederbacherin. Zum 75. Geburtstag hat sie passend zum Engagement den edlen Tropfen mit dem Namen „Liederbacher Engelsstück, 1935er“ aus dem Anbaugebiet „Meenzer Goldgrund“ - lieblich - von Freunden bekommen.
Am liebsten packte sie dort an, wo gerade Not am Mann war. „Wenn die Leute mich nachts rufen, dann gehe ich hin“, so ihr Credo. Sie war im Ort mehr als nur die Gleichstellungsbeauftragte und Schiedsfrau. Wer Sorgen hatte, rief sie an. „Ich habe durch Frau Opitz nur Gutes erfahren. Sie war mein rettender Engel“, hatte mal eine Frau über sie gesagt. Immer donnerstags lud sie mehr als ein Dutzend junge Erwachsene, die einsam waren, zum Essen und Plaudern ein. Und sie war die Sammelstation für die Hattersheimer-Hofheimer Tafel und die Liederbacher Lettlandhilfe. So nebenbei brachte sie kaputte Teddybären für den Kindergarten auf Vordermann, organisierte Fahrten für die SPD, traf sich mit dem Club „Fleischwurstfreunde“. Vor dem Umzug nach Kriftel öffnete sie ihr Haus als Flohmarkt zu Gunsten des DRK.
Bundesverdienstkreuz die logische Folge
Das sind aber „nur“ die kleineren Aufgaben. Im Roten Kreuz war sie Jahrzehnte Stellvertretende Kreisvorsitzende, im Ortsverein Beisitzerin und Mädchen für alles. Mitglied der SPD war sie, für die Partei 21 Jahre im Kreisausschuss, mehr als drei Jahrzehnte im Gemeindevorstand und dem Parlament. So wirkte sie als Erste Beigeordnete zum Beispiel beim Projekt „Liederbach - Stadt als Prozess“ mit. Kein Wunder, dass sie 1998 das Bundesverdienstkreuz erhielt, zudem die Verdienstmedaille beim Roten Kreuz.
Ihre persönliche Leidenschaft gehörte der Fastnacht. In Mainz geboren, war die „Kleppergarde“ der richtige „Jungbrunnen“. Dort kümmerte sie sich um die Senatoren, den Nachwuchs, schmierte Brötchen vor dem Rosenmontagsumzug und winkte mit ihrem Hund vom Prunkwagen. Noch ein Faible: Opitz kraxelte gerne in den Bergen, bis in höhere Alter noch am Fuße des Mount Everest. Dort lernte sie einige der Sherpas kennen, die Bergsteigertouren organisieren und begleiten. Wenn die Nepal-Freunde dann in Europa auf Werbefahrt waren, beherbergte Opitz sie zu Hause.
Auch die SPD trauert um eine treue Mitstreiterin, der die Partei vor allem in der Gemeinde viel zu verdanken habe. Opitz hatte durch ihre ausgleichende Art auch Freunde und Unterstützer in den anderen politischen Gruppierungen. In Liederbach half sie unter anderem bei der Organisation zum „Tag des Kindes“ mit.
„Frau für besondere Gelegenheiten“
Altbürgermeister Gerhard Lehner hat Jahrzehnte mit ihr zusammengearbeitet. „Sie war immer eine Frau für besondere Gelegenheiten“, betont er, habe ihre Aufgaben „mit großer Liebe und Hingabe“ erfüllt. Veranstaltungen im Ort und über den Kreis gingen kaum ohne sie. Als Schiedsfrau habe sie ihre Fälle meist „zur vollsten Zufriedenheit der Kontrahenten“ gelöst, so Lehner, der sich immer gerne an das Bild von Opitz mit ihrem Hund auf dem Fastnachtswagen erinnert.
„Uschi Opitz war, denke ich, in der SPD das, was Sigrid Grether für die CDU war: eine Frau mit einem klaren Kompass, genauen Zielvorstellungen, unermüdlich in Beruf und Ehrenamt unterwegs, enorm gut vernetzt und definitiv mit dem Herz am rechten Fleck“, hebt Bürgermeisterin Eva Söllner hervor. Mit Grether war sie die „rote und schwarze Schwester“ wegen der Parteibücher, sie verband eine langjährige gemeinsame Arbeit auf Gemeinde- wie auf Kreisebene. Ihr Kontakt mit Opitz „war von Sympathie und gegenseitigem Respekt getragen“, betont Söllner und erinnert sich: „Wenn sie in Sachen Schiedsgericht im Rathaus war, kam sie oft noch zu mir ins Büro, um das eine oder andere zu berichten oder sich mit mir zu einzelnen Themen auszutauschen. Wir fanden meistens einen gemeinsamen Weg.“ Das gemeinsame Foto bei der Seniorenfastnacht, wo sie natürlich auch mitmischte, sei Pflicht gewesen.