Rücksicht nehmen auf den Ramadan?
Ein Vorschlag des Ausländerbeirats Schwalbach birgt Zündstoff. Das prognostiziert das Kreisblatt und mahnt: Es ist ratsam, klaren Kopf zu bewahren und sachlich zu bleiben. So viel ist sicher: Wer immer sich kritisch zu dem Vorstoß äußern will, wird damit rechnen müssen, Applaus von der falschen Seite zu bekommen.
Die Stadt Schwalbach und ihre Kulturkreis GmbH, so bittet der Ausländerbeirat, sollen „Veranstaltungen, die Angebote auch für Schwalbacher Bürger muslimischer Religionszugehörigkeit darstellen“, künftig so terminieren, „dass sie nicht in die Fastenzeit des Ramadan fallen“. Dieser Vorstoß, so heißt es im Beschlusstext, stehe „in Einklang mit den Ergebnissen des Integrations-Workshops“, den die Stadt 2012 initiiert hatte.
„Ausschluss“
Der Ausländerbeirat macht seine Anregung am Tag der Vereine fest, der für den 20. Juni geplant ist. Wörtlich steht in dem Papier, das vom stellvertretenden Vorsitzenden Bilal Akdeniz unterschrieben ist: „In diesem Jahr beginnt die muslimische Fastenzeit am 17. Juni 2015. Wenn dieser Termin nicht verändert wird (zum Beispiel durch Vorverlegung um eine Woche), dann kommt dies de facto einem Ausschluss von wichtigen Vereinen, zum Beispiel Marokkanischer Kulturverein, Türkischer Kulturverein, gleich. Diese Stände hatten bei den letzten Veranstaltungen stets auch regionale Getränke und Speisen als ,Türöffner’ an ihren Ständen angeboten, was in der Fastenzeit nicht möglich wäre.“ Unter Punkt 2 steht: „In den kommenden Jahren wird die Fastenzeit Ramadan einige Male in die Zeit fallen, in der nach der bisherigen Praxis das Altstadtfest stattfinden würde.“
Den Vorschlag besprach der Ausländerbeirat (ALB) am 25. März dieses Jahres. Er wurde mit zwei Ja- und einer Nein-Stimme beschlossen. Zwei von fünf Mitgliedern waren nicht anwesend. Im Protokoll ist eine Anmerkung von ALB-Mitglied Alida Dethmers vermerkt. Sie teilt mit, „dass der Türkische Kulturverein kein Problem in einer zeitlichen Überschneidung sehe“. In der Niederschrift zu der öffentlichen Sitzung steht außerdem, dass „mögliche Kollisionen wesentlicher Schwalbacher Veranstaltungen mit dem muslimischen Fastenmonat Ramadan zu vermeiden“ seien. Im nächsten Teil lesen Sie: "
Nicht reglementieren
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Nicht reglementieren
Auf Kreisblatt-Nachfrage sagte Akdeniz gestern, dass diese Terminplanung „nicht nur für muslimische“ Feiertage gelten solle, sondern „allgemein“, zum Beispiel auch für jüdische Feiertage. Im Betreff des Beschlusstextes, über den die Stadtverordneten schließlich abstimmen, steht jedoch explizit: „Berücksichtigung muslimischer Feiertage“. Wäre es also nicht klüger und korrekter gewesen, von „religiösen Feiertagen“ zu sprechen? Akdeniz antwortete: „Da haben Sie Recht. Das könnte man so formulieren.“
Nun blieb gestern unklar, warum der Beschlusstext sich auf den Islam beschränkt. Akdeniz spricht Deutsch nicht so gut, dass er alle Nuancen versteht und zum Ausdruck bringen kann.
Als erste von fünf Schwalbacher Stadtverordneten-Fraktionen melden sich die Grünen zu Wort. Die Partei ist ganz und gar nicht angetan von dem, was der Ausländerbeirat vorschlägt. Für die große Mehrheit der Muslime sei die bisherige Terminierung „völlig unproblematisch“, teilt die Fraktionsvorsitzende Barbara Blaschek-Bernhardt mit. Sie seien sich darin wohl mit den Christen einig. Die Grünen weiter: „Fastenzeiten sind eine bewusste und sehr persönliche Entscheidung, die keiner städtischen Reglementierung bedarf. Auch im Schwalbacher Mikrokosmos ist dies unmittelbar nachzuvollziehen: Nur der in Glaubensdingen besonders strenge Marokkanische Kulturverein wünscht sich eine Auszeit auch für wichtige städtische Veranstaltungen, und der liberalere Türkische Kulturverein sieht überhaupt keinen Bedarf für einen solchen Beschluss.“ Der nun offiziell vorliegende Vorschlag ist nach Angaben der Ökopartei „umstritten“ gewesen, „wurde aber in der darauffolgenden Sitzung bestätigt“.
Die Grünen plädieren dafür, „den problematischen Ansatz eines städtisch verordneten Ramadan wieder aufzugeben, weil dadurch Ressentiments eher geschürt als abgebaut werden“. Blaschek-Bernhardt: „Auch in unserer modernen Gesellschaft sollen die Religionen einen festen Platz haben. Es darf aber nicht dazu kommen, dass nun eine besonders rigorose Auffassung zum allgemeinen Maßstab erhoben wird. Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit müssen das Schwalbacher Markenzeichen bleiben. Für ein von derartiges Veranstaltungsverbot ist hier kein Platz.“
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Parlament entscheidet
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Parlament entscheidet
Entschieden ist im Übrigen nichts. Denn der Vorschlag aus dem Ausländerbeirat würde erst wirksam werden, wenn die Stadtverordnetenversammlung ihm zustimmen würde. Die nächste Sitzung ist am 21. Mai.
Der vierwöchige Ramadan ist 2015 von Mitte Juni bis Juli. 2016 von Anfang Juni bis Anfang Juli. Das ist auch die Zeit, in der oft „Sommertreff“-Konzerte donnerstagabends auf dem unteren Marktplatz sind. Doch Bilal Akdeniz ergänzte gestern, dass es vor allem um Veranstaltungen gehe, die tagsüber seien, etwa das Altstadtfest. Praktizierende Muslime fasten von der Morgendämmerung bis Sonnenuntergang.
Bürgermeisterin Christiane Augsburger mahnte am Montag zur Umsicht. Der ALB-Vorschlag klinge apodiktisch – also danach, dass kein Widerspruch geduldet wird: „Das war so nicht gewollt.“ Akdeniz bestätigte, dass Terminierungen „nach Möglichkeit“ auf die Feiertage Rücksicht nehmen sollen.
(ask)
Im Jahr 2020 findet der Ramadan am 24. April statt.