Türkisch-bulgarische Gemeinde will offen missionieren

Die türkisch-bulgarische Gemeine Nied wagte den Schritt in die Öffentlichkeit. Da sich Muslime von Christen mit muslimischen Wurzeln provoziert fühlen könnten, hatte sich die Gemeinde bisher bewusst zurückgehalten.
Es war ein entscheidender Schritt, den Ali Ahmed, Matthias Knödler und Asem Stefanov gemeinsam mit anderen Gemeindeangehörigen vor gut vier Wochen wagten: Beim Stadtteilfest schenkten sie schwarzen Tee aus und stellten sich damit erstmals der Öffentlichkeit vor. Für die drei Männer ein gewisses Wagnis. Denn sie sind die sogenannten „Ältesten“ der türkisch-bulgarischen Gemeinde Nied – einer christlichen Gemeinde. Sie sind die ehrenamtlichen Ansprechpartner, koordinieren und organisieren das Gemeindeleben.
„Uns ist es wichtig, ein Stück weit die Angst zu verlieren“, sagt Matthias Knödler. Da Muslime sich von Christen mit muslimischen Wurzeln provoziert fühlen könnten, habe sich die Gemeinde bisher bewusst zurückgehalten. „Wir wollten erst nicht in die Öffentlichkeit gehen, weil der Druck groß ist“, sagt Knödler. Er und seine Kollegen fürchten Anfeindungen von hiesigen Muslimen.
Multikulturelles Umfeld
Wie groß diese Gefahr in Frankfurt aber tatsächlich ist, bleibt Spekulation. Nach dem Stadtteilfest sind der Gemeinde keine negativen Rückmeldungen entgegengeschlagen. In Frankfurt ist dieses nach Außen-Gehen Knödlers Eindruck nach leichter: „Wir sind dankbar für die gute Nachbarschaft“, sagt Knödler. Das multikulturelle Umfeld stärke anscheinend die Toleranz.
Dennoch: Die Gruppe um Ahmed, Knödler und Stevanov bleibt abwartend. Laut Ahmed haben Einzelne bereits Probleme in ihrem privaten Umfeld und am Arbeitsplatz gehabt, nachdem sie sich als Christen zu erkennen gaben. Viele Bulgaren, die zur türkischen Minderheit auf dem Balkan gehören, arbeiten hier laut Knödler für türkisch-stämmige Arbeitgeber. Die gemeinsame Sprache erleichtere ihnen häufig den Einstieg in den Job.
Dass sich türkische und bulgarische Christen zusammengefunden haben, liegt an ihrer gemeinsamen Vergangenheit: Während des osmanischen Reiches seien einige Bulgaren Muslime geworden, erzählt Knödler. Zudem hätten sich in Bulgarien auch einige Türken angesiedelt. Deshalb gäbe es bis heute eine türkische Minderheit in Bulgarien, die auch Türkisch spreche.
Das ohnehin starke orthodoxe Christentum in Bulgarien erhielt nach der Öffnung 1990 einen weiteren Schub durch eine Konversionswelle, wie Knödler schildert. „Viele träumten damals von Jesus“, sagt er. Und da Träumen dort kulturell bedingt großes Gewicht eingeräumt werde, seien viele konvertiert. Nicht alle, aber doch einige seien bei ihrer neuen Religion geblieben. Auch deshalb gebe es einige türkisch-bulgarische Christen. Neben dieser Gruppe der Gemeindeangehörigen stammt ein anderer Teil der Christen aus der Türkei. Sie kommen entweder bereits aus christlichen Familien oder sind konvertiert.
Matthias Knödler übrigens stammt weder aus der Türkei noch aus Bulgarien. Er ist Schwabe, spricht aber fließend Türkisch, da er zehn Jahre mit seiner Familie in der Türkei gelebt hat. „Da haben wir sehr viele positive, aber auch negative Erfahrungen gemacht“, sagt Knödler.
Er war damals als Missionar unter anderem in Kayseri tätig. Die Arbeit seiner Mission stieß dabei nicht immer auf Gegenliebe: Die Gemeinde habe sich mit Drohungen, aber auch schon mal mit zerstochenen Autoreifen auseinandersetzen müssen, sagt er.
Den Grund für diese Aggression: Gerade zu Christen konvertierte Muslime haben es seiner Erfahrung nach schwer. Demnach verlieren Konvertiten häufig ihren Stand in der Gesellschaft oder müssen gar um ihre Sicherheit fürchten. So gebe es Quellen, die klar forderten, sogenannte „Abgefallene“ mit dem Tode zu bestrafen, sagt Knödler. Gleichzeitig betont er jedoch, dass ihnen in der Türkei auch vieles erlaubt gewesen sei und Christen nicht grundsätzlich um ihr Leben fürchten müssten.Dass die Gemeinde jetzt auch öffentlich auftritt ist der aktuellen Situation geschuldet: „Wir fühlen uns wie Leute, die die Demokratie nach vorne treiben“, sagt Knödler. Die Freiheit des Glaubens solle erhalten bleiben.
Missionieren geplant
Als Ziel hat sich die Gemeinde außerdem gesetzt, weiterhin nach außen in Erscheinung zu treten und andere einzuladen, Jesus kennenzulernen, wie Knödler sagt. Sprich, zu missionieren. Dabei seien sie auch offen für den Austausch mit Muslimen – bei gegenseitiger Akzeptanz, sagt Knödler.