Nader Maleki ?Der Finanzexperte

Eigentlich, sagt Nader Maleki, hätte er sich auch vorstellen können, in einem Reklamationsbüro zu sitzen. Also dort, wo wutschnaubende Menschen hineinstürmen, um ihrem Ärger über ein defektes Laptop
Eigentlich, sagt Nader Maleki, hätte er sich auch vorstellen können, in einem Reklamationsbüro zu sitzen. Also dort, wo wutschnaubende Menschen hineinstürmen, um ihrem Ärger über ein defektes Laptop oder einen verspäteten Zug Luft zu machen. Wo er heftigsten Emotionen ausgesetzt wäre. Eine Vorstellung, die Nader Maleki keine Angst macht. Im Gegenteil: „Ich hätte die Leute beruhigt, so dass sie am Ende glücklich wieder rausgehen.“
Wer sich länger mit dem schmalen grauhaarigen Mann mit der markanten schwarzen Brille unterhält, kann sich eine solche Szene durchaus vorstellen. „Wie geht es Ihnen?“, erkundigt er sich gleich zu Beginn des Gesprächs mit ungezwungener Freundlichkeit. Die Kunst des Small Talks beherrscht er, gepaart mit Überzeugungskraft und diplomatischem Geschick. Diese Mischung ist es wohl, der er seinen Erfolg zu verdanken hat. Denn anstatt sich in einem stickigen Reklamationsbüro mit wütenden Kunden herumzuschlagen, machte Maleki erst Karriere bei der Deutschen Bank, bevor er nach und nach seine Maleki Group aufbaute – Beratungsgesellschaften in Sachen Kommunikation, die vor allem in der Wirtschafts- und Finanzbranche tätig sind. Nebenbei ist er Präsident des International Bankers Forums (IBF), Deutschlands größtem privat organisierten Berufsverband für Bankiers, den er 1987 ins Leben gerufen hat. Seit vergangenen Dezember wirbt er auch als einer von acht Wirtschaftsbotschaftern für Frankfurt.
Nicht nur in dieser Funktion hat er schon zahlreichen Persönlichkeiten die Hand geschüttelt. Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenso wie Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, Microsoft-Gründer Bill Gates ebenso wie der frühere Vorsitzende der US-Notenbank, Alan Greenspan, und IOC-Präsident Thomas Bach. Beiläufig erzählt er, dass ihm der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, das „Du“ angeboten hat. Sie alle haben bereits auf Tagungen gesprochen, die Nader Maleki weltweit organisiert. Zuletzt trat beispielsweise der ehemalige italienische Ministerpräsident Enrico Letta bei Malekis Konferenz „Future Europe“ über die Zukunft Europas auf, die Mitte Juni nicht nur Frankfurt, sondern dank moderner Kommunikationstechnologie zeitgleich auch in London, Paris, Amsterdam und Luxemburg stattfand – mit 700 Teilnehmern. Ein Wagnis. „Ich hatte schon Herzklopfen, ob die internationalen Schaltungen funktionieren.“ Gebannt wartete Nader Maleki damals auf Lettas Worte, als der in Paris ans Mikrofon trat. Und war unbändig erleichtert, als die Technik mitspielte: „Das hat alles wunderbar funktioniert. Sie hatten das Gefühl, dass Letta direkt bei uns im Raum in Frankfurt ist.“
Auf eigenes Risiko
Ein wenig Herzklopfen ist bei seinen Unternehmungen immer dabei. Oft auch sehr viel mehr. Wie damals, 1990, als er den Bankenball der IBF organisierte. Nicht mehr im Kempinski Hotel Gravenbruch, wie in den vier Jahren davor, sondern in der Alten Oper in Frankfurt. Was zur Folge hatte, dass er statt 300 Eintrittskarten zu je 100 Mark nun 600 Tickets zu je 450 Mark verkaufen musste, um das Projekt zu finanzieren. Im IBF-Vorstand war man entsetzt und weigerte sich, Maleki zu folgen. Doch der ließ sich nicht entmutigen und mietete die Alte Oper einfach auf eigenes Risiko an. Sein Glück: Die Deutsche Bundesbank veranstaltete just zu diesem Zeitpunkt eine große internationale Konferenz in Frankfurt und hielt Ausschau nach einem fulminanten Schlusspunkt dafür. So ließ sich der damalige Bundesbank-Präsident Karl Otto Pöhl als Schirmherr einspannen und bestellte gleich 450 Eintrittskarten. Maleki war gerettet, der Ball wurde ein rauschender Erfolg.
Dabei, erinnert sich der 70-Jährige mit schalkhaftem Lächeln, habe der Bundesbank-Präsident die Schirmherrschaft damals nur unter einer Bedingung übernommen: Er wolle keine Rede halten. Kein Problem, versicherte ihm Maleki – nicht ohne Hintergedanken. Als Pöhl an dem großen Abend kam und sich erkundigte, ob alles funktioniere, sah er seine Chance gekommen. Natürlich, es sei alles in Ordnung, beruhigte er den Bankier. Es gebe nur ein kleines Problem: „Wissen Sie, mein Schirmherr will keine Rede halten. Vielleicht können Sie sich für mich verwenden?“ Pöhl lächelte und Maleki hatte gewonnen. „Er hat dann eine tolle Rede gehalten – aus dem Stegreif.“
Viele solcher Geschichten kann er erzählen. Etwa von jener Konferenz, die er im Juli 1997 zur geplanten Einführung des Euro organisierte – in Frankfurt, mit Konferenzschaltungen zu Finanzplätzen auf der ganzen Welt. Ein Mammutprojekt, für das er den designierten Präsidenten der Europäischen Währungsinstituts (EWI), Wim Duisenberg, später Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), gewinnen wollte. Das Problem: Der Konferenz-Termin fiel mit Duisenbergs erstem Arbeitstag als EWI-Präsident in Frankfurt zusammen. „Unmöglich“, hieß es in seiner Umgebung. Aber Maleki ließ sich nicht abhalten. Er verschaffte sich einen Termin bei Duisenberg und schilderte ihm sein Vorhaben in leuchtenden Farben. Der Niederländer fing Feuer. „Hongkong müsste auf jeden Fall dabei sein“, überlegte er. Da sei nur noch eine kleine Schwierigkeit, sagte Maleki schließlich beiläufig, nämlich der Termin an Duisenbergs erstem Arbeitstag in Frankfurt. Da stockte der Ökonom und überlegte. Zwei Minuten lang, die Nader Maleki wie eine Ewigkeit vorkamen. Bis Duisenberg endlich die erlösende Zusage aussprach. Die Nachricht seines Kommens lockte daraufhin etliche andere Größen der Finanzwelt zu der Konferenz, etwa den damaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel und Duisenbergs Nachfolger bei der EZB, Jean-Claude Trichet. Maleki hatte es geschafft, wieder einmal.
Natürlich brauche man für solche Erfolge auch ein Quentchen Glück, räumt er ein. Glück, das er meistens hatte, wenn auch nicht immer. Die Organisation des Frankfurt-Marathons in den Jahren 2000 und 2001 durch Maleki klappte beispielsweise in finanzieller Hinsicht nicht so wie erhofft. Vor allem deshalb, weil der Vertrag mit der Stadt so unfair gewesen sei, sagt er heute: „Das hat mich eine Million Mark gekostet.“ Ein Verlust, über den er heute mit einem Schulterzucken hinweggeht. Schließlich stehen auf der anderen Seite jede Menge geglückte Projekte. Wie jene Konferenz im Iran im März 2016 – nur zwei Monate, nachdem die internationalen Sanktionen gegen das Land gefallen waren. Fast 1000 Teilnehmer, auch aus Deutschland, drängten sich dort, begierig darauf, Kontakte zu knüpfen. Für den gebürtigen Iraner ein besonderer Moment, vor allem der Auftakt in Teheran: Nie hätte er sich das erträumen lassen, dass er jemals eine solche Tagung in seiner Geburtsstadt eröffnen könnte, sagte er in seiner Rede – und kämpfte plötzlich mit den Tränen. Eine Gefühlsregung, die ihm, der seit Jahrzehnten in Deutschland lebt, etliche Türen im Iran öffnete.
In Vorbild-Rolle gedrängt
Als Brückenbauer sehe er sich, sagt er heute – zwischen den beiden Ländern, die ihm seit der Kindheit vertraut sind. Gerade mal fünf Jahre ist er alt, als sein Vater, ein erfolgreicher Kaufmann, mit seiner Familie nach Hamburg geht. Fünf Jahre leben die Malekis dort, bis sein Vater bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt und die Mutter mit den vier Kindern in den Iran zurückkehrt, wo Nader Maleki die deutsche Schule besucht. Die Mutter führt ein strenges Regiment und schiebt ihn, den ältesten Sohn, früh in eine verantwortungsvolle Rolle: Vorbild für die beiden jüngeren Brüder und die ältere Schwester soll er sein. Nader Maleki gehorcht. „Das hat mir nicht geschadet“, sagt er heute knapp.
Einige jugendliche Vergnügungen genießt er dennoch, wenn auch im Verborgenen. Etwa die Musik. Heimlich trifft er sich freitags, dem islamischen Feiertag, im Keller eines Freundes mit anderen Musikbegeisterten. Sie gründen eine Band und spielen Musik der Beatles. „Ich war kein schlechter Sänger und Schlagzeuger“, schmunzelt er heute, „optisch damals eine Mischung aus George Harrison und Ringo Starr“. Als jedoch der erste öffentliche Auftritt ansteht, hört er auf – „meine Mutter hätte das niemals erlaubt“. Stattdessen managt er die Band hinter den Kulissen. Das kommt an.
Schon bald organisiert er etliche Popkonzerte im Iran und macht sich damit einen Namen, was seine Mutter duldet, wenn auch widerwillig. Das Geheimnis seines Erfolgs? „Man muss sich eine Monopolstellung aufbauen durch Qualität. Es war eine Auszeichnung, auf meinen Veranstaltungen auftreten zu dürfen.“ Klingt nach einer Blaupause für seine späteren Unternehmungen. Ja, nickt er lachend, die Bankenbälle seien letztlich die Fortsetzung davon gewesen.
Statt nach einer Karriere im Musikgeschäft strebt er nach dem Abitur zurück nach Deutschland, zum Wirtschaftsstudium. Erst in München, dann in Dortmund, wo er auch promoviert. Anschließend will er wieder nach Teheran zurück, wo in der Bank, die sein Vater 1950 mit einem Onkel gegründet hat, schon ein Posten auf ihn wartet. Doch dann, Ende 1978, bricht die islamische Revolution aus. Und Nader Maleki entscheidet sich, erst einmal in Deutschland zu bleiben. Er geht zur Deutschen Bank, wo er schließlich Vorstandsassistent wird. Ein Karriere-Sprungbrett. Und eine harte Schule. Regelmäßig muss er beispielsweise binnen kürzester Zeit Antworten auf merkwürdigste Fragen liefern, um seinem Chef Pointen für dessen Reden zu liefern: Wenn Jesus Christus fünf Mark auf ein Sparbuch eingezahlt hätte – wie viel Gold könnte er Anfang der 1980er-Jahre davon kaufen? Oder: Welches Monatseinkommen hat ein türkischer Arbeitsloser mit drei Kindern in Deutschland im Vergleich zu einem türkischen Minister? Eine Herausforderung, besonders in Zeiten vor dem Internet. Wie er das geschafft hat? „Organisationstalent“, sagt Nader Maleki nüchtern. Und unzählige Telefonate in die ganze Welt. Vor diesem Hintergrund wirkt sein Credo nicht unbedingt wie eine Floskel: „Es gibt nur Lösungen, keine Probleme.“
Herrhausen als Förderer
Wer ihn in seiner langen Karriere besonders beeindruckt hat? Da überlegt der 70-Jährige nicht lange: Alfred Herrhausen, sagt er. Der einstige Vorstandssprecher der Deutschen Bank, der 1989 von der RAF ermordet wurde, sei „ein unglaublich visionärer Mann gewesen, der Menschen für sich packen konnte“. Früh schon wurde Herrhausen auf den weltgewandten jungen Mann aufmerksam und förderte ihn, zum Beispiel bei der Gründung des IBF. Auch dessen Idee, dass die Deutsche Bank eine PR-Abteilung brauche, stieß bei dem Vorstandssprecher auf offene Ohren: Die Sparte wurde aufgebaut, und Nader Maleki wurde ihr Direktor. Einmal gelang es ihm sogar, Herrhausen für einen Auftritt als Weihnachtsmann bei einer internen Feier zu gewinnen. Damit allerdings machte er sich im Direktorium des Instituts, wo man schon mal monatelang auf einen Termin mit Herrhausen warten musste, keine Freunde. Wer Erfolg habe, bekomme es eben auch mit Neidern zu tun, sagt er heute.
Beurlauben lassen
Nach dem Tod des Vorstandssprechers merkte Maleki, dass sich der Wind allmählich drehte – nicht zu seinem Vorteil: „Da war mir klar, ich komme hier nicht mehr zurecht.“ Er ließ sich beurlauben und konzentrierte sich auf seine eigenen Unternehmungen. Ohne jeglichen Groll, wie er betont: „Ich habe immer noch eine sehr enge Bindung zur Deutschen Bank, auch Herrhausens Nachfolger haben mich alle unterstützt.“
Bis heute. Denn ans Aufhören denkt Nader Maleki, der im vergangenen November seinen 70. Geburtstag gefeiert hat, noch längst nicht. Stattdessen plant er etliche Projekte. Etwa eine Konferenz zu Afrika im nächsten Oktober, für die Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits ihre Teilnahme zugesagt hat. Und die Etablierung eines nachhaltigeren Dialogs mit Berlin, als Netzwerker des Finanzplatzes Frankfurts sozusagen.
Freizeit und Urlaub spielen für ihn dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist ihm jedoch seine Familie. Mit seiner Frau, Maryam Maleki, bekannt als Gründerin des „International Piano Forums“, ist er seit 31 Jahren verheiratet. Tochter Samira (24) und Sohn Darius (21) streben inzwischen ebenfalls in die Wirtschafts- und Finanzwelt. Was Nader Maleki mit einigem Stolz, aber auch mit etwas Sorge sieht. Schließlich sei das ein hartes, forderndes Leben, sagt er – trotz all der Erfolge, trotz all seiner Auszeichnungen wie der Ehrenplakette der Stadt Frankfurt und dem Bundesverdienstkreuz. Härter jedenfalls als ein Dasein in einem Reklamationsbüro.