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Natur erobert den Monte Scherbelino zurück

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Alles so schön bunt hier: Von seiner besten und natürlichsten Seite präsentierte sich der Monte Scherbelino jetzt Besuchern und Hobbyfotografen.
Alles so schön bunt hier: Von seiner besten und natürlichsten Seite präsentierte sich der Monte Scherbelino jetzt Besuchern und Hobbyfotografen. © Rainer Rüffer

Für die meisten Frankfurter eine schöne Kindheitserinnerung zum Toben, ist der Müllberg Monte Scherbelino weiterhin geschlossen. Mehr als 200 Besucher durften am Sonntag dennoch aufs Gelände.

Es riecht scharf am Monte Scherbelino, während sich mehr als 200 Besucher des sonst für die Öffentlichkeit gesperrten Müllberges über einen schmalen Weg an den Aufstieg machen. „Auf den Gipfel können wir nicht, weil oben alles verdrahtet und verkabelt ist“, sagt Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne). „Wir wollen Gase lokalisieren und messen, die vom Müll immer noch austreten.“ Unter dem 150 Meter hohen Berg lagern rund 21 Millionen Kubikmeter Bauschutt, Industrie- und Hausmüll. Was sich genau unter dem durch Folie, Ton, Kies und Erde abgeschotteten Hügel verbirgt, „will sie lieber gar nicht wissen“.

Zwischen 1925 und 1968 war der Monte eine Mülldeponie, auf der häufig Schwefelbrände auftraten. Gelöscht wurde mit dem Wasser aus dem Cola-Weiher, einem See, der schwarz und ohne Leben war, über dem Möwenschwärme jagten, um nach Fressbarem zu suchen. Eine dicke Erdschicht wurde über den Berg gestülpt. In den 70er Jahren entstand darauf eine Westernstadt. Im Winter kamen die Kinder zum Schlittenfahren. 1989 wurde das 24 Hektar große Gelände über Nacht geschlossen, nachdem klar war, dass der Berg giftig ist. „Ich habe hier oft gespielt und ich lebe noch“, ruft ein Mann. Andere Besucher stimmen ein und erinnern sich an ihre Kindheitsabenteuer.

Faustdicke Folie

Zwischen 1993 und 1995 wurde eine bis zu 40 Meter tiefe Trennfläche zum Cola-See erbaut, um den Abfluss des Giftes in das Grundwasser zu verhindern. Eine faustdicke Plastikfolie wurde dafür in einen Betonkern gelegt. „Das musste schnell gehen, damit das Grundwasser nicht weiter kontaminiert wird und der Berg austrocknen kann“, erklärt Thomas Hartmannshenn vom Umweltdezernat. „Sie muss nicht ewig halten. Die Abdeckung auf dem Berg ist bis zu sechs Meter dick. Seit 2017 ist es sicher.“ 28 Millionen Euro hat die Sicherung bisher gekostet. Das Wasser des Cola-Weihers ist jetzt grünlich. Kanadische Gänse, Stockenten und Wasserhühner drehen ihre Runden. Das Ufer ist von dichtem Schilf umgeben. „Die Wasseroberfläche ist gesund“, so Hartmannshenn.

„Nach und nach trocknet der Berg aus, dem See wird mit einer Zeituhr regelmäßig Sauerstoff gegeben“, so Hartmannshenn. „Frösche und Erdkröten leben hier und auch Insekten auf der Wasseroberfläche.“

Waschbären gesichtet

Auf 14,5 Hektar Grund wird der Natur in einem Fünf-Jahre-Projekt freien Lauf gelassen. Auch wenn der Boden wegen des wenigen Regens knochentrocken ist, blühen wilde Karotten in Weiß, Fenchel und Nachtkerzen in Gelb, lila Blutweiderich und Disteln. Im ausgetrockneten Boden einer Wasserfläche sind kleine Löcher von Bodenhummeln zu sehen und Fußspuren von Waschbären. „Die sind aus Nordhessen gekommen“, kommentiert Andreas Malten vom Senckenberg Forschungsinstitut. „Sie wohnen in Steinhügeln. Im März haben wir Froschhaut gefunden, wohl die Essensreste der Waschbären.“ Er berichtet vom seltenen Flussregenpfeifer, der von März bis Ende Juni auf dem Gelände in Bodennestern brütet. In der Ferne klingt ein Grünspecht, der lachende Hans. Insgesamt fünf Jahre lang, noch bis Mitte 2021, werden Flora und Fauna während eines Forschungsprojektes beobachtet. Dazu zählen auch die roten und blauen Libellen, die über den Wasserstellen surren, Bodenbienen, Hummeln und Zauneidechsen.

Was dann mit der Fläche passiert, ist noch unsicher. „Unser Ziel ist es, in fünf Jahren so viele Erkenntnisse zu haben, dass auch andere Kommunen davon profitieren können“, so Hartmannshenn. „Natürlich hoffen wir darauf, dass das Projekt weiterlaufen wird“, pflichtet Heilig bei.

Die Sanierung des Monte Scherbelino schreitet voran. Die Gasaustritte müssen noch lokalisiert und gefangen werden, daher ist der Aufstieg auf den Gipfel nicht möglich. Auch kurz darunter ist die gesamte Skyline zu sehen. Der scharfe Geruch am Berg wird weniger. Es ist kein Gas, sondern eine Mischung aus Sonnencreme und Mückenschutzmittel der Besucher. Methan ist geruchlos.

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