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Warum Liedermacher Gottfried Lehr Hassbotschaften bekommt

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Gottfried Lehr musste kürzlich feststellen, wie rau der politische Ton online geworden ist.
Gottfried Lehr musste kürzlich feststellen, wie rau der politische Ton online geworden ist. © Niklas Mag

Nachdem Gottfried Lehr ein satirisches Lied zu Fremdenfeindlichkeit, bayerischen Kruzifixen und rechter Politik ins Internet gestellt hatte, ergoss sich über ihn eine Flut an Hass-Kommentaren und Beleidigungen. Er ist nicht der einzige Wetterauer Künstler, der feststellen musste: Online ist der Umgangston rau.

Gottfried Lehr ist in der Wetterau für zweierlei bekannt: Zum einen verantwortet sein Büro einen Großteil der Nidda-Renaturierung, zum anderen schreibt der Bad Vilbeler leidenschaftlich gern Musik in hessischer Mundart. Letzteres sorgte nun für Ärger. In Lehrs Liedern geht es oft um seine große Liebe, die Nidda, er verarbeitet darin aber auch, was ihn im Alltag bewegt. Und so nahm der »Harte Hesse«, wie er sich selbst nennt, vor Kurzem in einem Song die angespannte politische Situation in Deutschland auf’s Korn. »Am Schulhof hängt en Kreuz un im Rathaus uffm Klo. Net wegen dem liebe Gott, die Politik, die wollt des so«, lautete die erste Zeile.

Ironische Texte

»Warum?«, heißt das Lied, indem sich Lehr klar gegen Rassismus, Ausgrenzung und rechtspopulistische Hetze positioniert – dabei aber beispielsweise auch die Kruzifix-Initiative des bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder aufgreift. Der Tonfall des Sängers bleibt dabei stets ironisch, es ist eine kleine Satire.

In dem Video, das er für die Komposition gedreht hat, sitzt Lehr beim Singen mit der Gitarre zwischen zwei Bembeln. Er lud den Clip im Internet hoch, beim sozialen Netzwerk Facebook, auf dem er sich als Künstler präsentiert und wo ihn knapp 1200 Nutzer mit »Gefällt mir« markiert haben.

Heftige Reaktionenwelches Lehr in einem Video singt, dass er im sozialen Netzwerk Facebook auf seine dortige Künster-Seite geladen hat. Auf der Seite positioniert sich Lehr zudem mit verschiedenen Beiträgen klar gegen Rassismus und rechte Politik. Mit viel Ironie nimmt der Vilbeler sich in dem Lied dem Thema an, sitzt beim Singen mit der Gitarre zwischen zwei Bembeln.

"Das war schon heftig"

Doch einige konnten über das humorig gemeinte Video so gar nicht lachen, im Gegenteil: »Was dann auf Facebook passiert ist, war schon heftig. Ich hatte das nicht erwartet, aber befürchtet hatte ich das schon«, sagte Lehr, der auch für die »Wir sind mehr«-Bewegung wirbt, die dazu aufruft, gegen »rechte Hetze aufzustehen«. Mehrere Nutzer griffen Lehr in der Kommentarsektion des Videos verbal an, beleidigten ihn persönlich. »Ich wurde als Depp beschimpft, jemand meinte auch, ich sei doch bestimmt einer von denen, die niemals arbeiten mussten, weil die Eltern ihm eine große Villa vererbt hätten«, erinnert sich Lehr. »Sinnlose Anschuldigungen nur wegen eines Lied. Ich habe das alles ein paar Tage stehen lassen, dann aber gelöscht, denn ich will das nicht unter meinen Videos haben.«

In der schnellen Eskalation sieht er ein Symptom dafür, dass der allgemeine Umgangstons rauer wird – vor allem im Internet. Ein Lichtblick hingegen sei gewesen, dass viele andere Facebook-Nutzer den Hass-Kommentatoren sofort Paroli geboten hätten. Auch das hat ihn wohl bestärkt, weiterzumachen: Jetzt, so kurz vor der Landtagswahl, will er das Musikvideo zu »Warum?« noch einmal ganz nach oben auf seine Facebook-Seite stellen. Fast 1000 Aufrufe hat es bereits. Lehr ist nicht der einzige Wetterauer Künstler, der den rauen Ton online zu spüren bekam. Die Dortelweiler Krimiautorin Uli Aechtner sagt: »Es gibt eine Tendenz, dass alles entweder schwarz oder weiß ist. Keine Grautöne.« Sie habe das auch bei privaten Beiträgen schon erlebt: »Antworten von Facebook-Nutzern waren unter anderem ›Das ist ja toll‹, aber auch ›Was willst du denn, du Spastiker?‹", schildert Aechtner. Meinungen zwischen den Extremen seien selten.

Konsequenzen gezogen

Aechtner zieht daraus Konsequenzen: »Ich gehe mit sozialen Medien sehr vorsichtig um«, sagt sie. Es habe sich dort eine  »Unkultur« entwickelt. Statt zu argumentieren, würden viele einfach zum Smartphone greifen und eine Beleidigung loslassen. »Das geht schneller, als sich richtig Gedanken zu machen.«

Andreas Arnold, Künstler aus Friedberg, hat bisher noch nicht erlebt, dass sich Online der Hass gegen ihn richtet. »Ich schreibe eher umweltpolitische Sachen. Das birgt vielleicht nicht so viel Zündstoff«, vermutet er. Bei seinen eigenen Veröffentlichungen habe er aber eine gewisse Übersättigung ausgemacht. »Warum schon wieder so etwas Politisches?«, heiße es da oft. »Die Leute reagieren genervt auf politische Beiträge«, sagt Arnold.

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