1. Startseite
  2. Region
  3. Wetteraukreis

200 Euro Energiepauschale in der Kritik: „Studierende berichten von Existenznöten“

Kommentare

Rasant steigende Lebensmittelpreise, überteuerte Mieten, explodierende Energiekosten – und jetzt noch der Semesterbeitrag? Das Studieren in Deutschland ist alles andere als günstig geworden.

Main-Kinzig-Kreis - Laut Statistischem Bundesamt waren bereits im Jahr 2021 37,9 Prozent der Studierenden von Armut gefährdet. Können die 200 Euro Energiepauschale da noch helfen? Mitte März war es so weit: Studierende, Fachschülerinnen und Fachschüler konnten ihre 200 Euro Energiepauschale beantragen. Als Bedingung gilt die Immatrikulation an einer deutschen Hochschule zum 1. Dezember 2022 und ein Wohnsitz in Deutschland. Lange hat es gedauert - von der im September 2022 versprochenen „Winterhilfe“ ist kaum mehr zu sprechen.

Jana (Name von der Redaktion geändert) könnte die finanzielle Hilfe jedenfalls gut gebrauchen. Die 21-jährige Hessin aus dem Main-Kinzig-Kreis hat sich mit einem Psychologiestudium in den Niederlanden ihren Traum verwirklicht, trotz fehlenden Geldes im Elternhaus. Möglich ist dies nur durch regelmäßige Bafög-Zahlungen. Doch Janas Traum droht nun im vierten Studienjahr zu platzen – der Grund: Staatliche Unterstützung erhält sie nur in der knapp bemessenen Regelstudienzeit.

Studentin spart, so viel sie kann - doch es reicht nicht

„Leute nur drei Jahre zu unterstützen, das halte ich für nichts Halbes und nichts Ganzes“, berichtet die Studentin. Sie bekomme regelmäßig gesagt, dass an ihrer Universität kaum jemand den Psychologie-Bachelor in sechs Semestern schaffe: „Das ist nicht die Regel, sondern das Minimum“. Deswegen muss Jana bereits jetzt Rücklagen aufbauen: Von ihrem Bafög und Kindergeld legt sie nach Festabzügen monatlich 200 Euro zur Seite. Die verbleibenden 400 bis 500 Euro nutzt die Studentin möglichst sparsam für gebrauchte Bücher, Lebensmittel und Kleidung. Doch für die Finanzierung ihres vierten Jahres reicht diese Sparrate trotzdem nicht aus. Ein Nebenjob kommt für Jana aufgrund des arbeitsintensiven Studiums nicht in Frage: „Wenn ich einen Job hätte, würden die Leistungen in meinen Klausuren stark darunter leiden. Mehr Geld im Monat nützt mir nichts, wenn ich meinen Traum nicht mehr leben kann.“

Studierendenwerk: Viele Studierende berichten von Existenznöten

Das von Jana gezeichnete Bild bestätigt auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Studierendenwerke, Mathias Anbuhl: „Wir hören über die psychosozialen und sozialen Beratungsstellen der Studierendenwerke, dass die Studierenden angesichts der multiplen Krisen große Sorgen, teilweise Existenznöte haben“. Eine rasche Erhöhung des Bafög sowie eine Bafög-Reform seien deswegen dringend nötig, fordert Anbuhl. Auch die 200 Euro Direktzahlung an Studierende sind für ihn „ein wichtiger Baustein“. Beim Auszahlungs-Tempo appelliert er kritisch an Bund und Länder: „Das Vorhaben ist sehr komplex, angesichts des deutschen Bildungsföderalismus, aber beide, Bund und Länder, müssen ein starkes Interesse daran haben, dass einmal zugesicherte staatliche Hilfen auch innerhalb eines vernünftigen Zeitraums bei den Empfänger*innen ankommen.”

Pablo Fuest vom „freien zusammenschluss der student*innenschaften e.V.“ (fzs) stellt die Energiepauschale hingegen in Frage: „Die 200 Euro reichen nicht einmal, um die Inflation und gestiegene Mietpreise oder eins von beidem auszugleichen“. Statt „Kleckerbeträgen“ fordert auch er eine umfassende Bafög-Reform.

Einmalig 200 Euro reichen nicht - Studierende verlieren enorm an Kaufkraft

Ein Blick auf die Statistik gibt dem Experten Recht: Der Bafög-Höchstsatz wurde zwar zum Wintersemester 2022/2023 von 861 Euro auf 934 Euro erhöht. Laut einer Untersuchung des Moses-Mendelssohn-Instituts und des Portals „WG-Gesucht.de“ kostet ein durchschnittliches WG-Zimmer jedoch bereits 435 Euro. Bezieht man die hohen Inflationsraten für Alltagsprodukte ein, verlieren Studierende immer weiter an Kaufkraft.

Auch Jana teilt die Einschätzung der Experten: „Ich bin der Meinung, dass es sinnvoller ist, nachhaltig den Bafög-Beitrag zu erhöhen.“ Sie selbst habe aufgrund ihrer Immatrikulation in den Niederlanden keinen Anspruch auf die 200 Euro-Pauschale – der Betrag sei in ihrer Situation aber ohnehin nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wie knapp es um Janas Finanzen steht, zeigt auch ihr kürzlich gestohlenes Smartphone. In diesem Fall seien ihr bereits zur Monatsmitte nur 40 Euro geblieben: „Wenn du abends im Bett liegst und die halbe Nacht nicht schlafen kannst, weil du nicht weißt, wie du weitermachen sollst. Und dann morgens um neun wieder konzentriert in der Vorlesung sitzen – wie soll das gehen?“ (Von Steven Reeg)

Dieser Artikel ist während eines Projektes zwischen Studierenden der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) Frankfurt und IPPEN.MEDIA entstanden.

Auch interessant

Kommentare