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400 Quellen gesichtet

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Einer der Flakposten auf dem ehemaligen Flugplatz Harb. © Martin Ritter

Harb (mtt). Der Ortsbeirat Harb hat zum Bildervortrag über den Harber Flugplatz eingeladen. Das Bürgerhaus ist voll besetzt mit zahlreichen Interessierten aller Altersgruppen von jung bis alt. Es braucht nicht viel an Ausstattung: einen Laptop, einen Beamer, ein Mikrofon und natürlich einen kundigen Referenten. Das ist Gerhard Winter aus Nidda, Jahrgang 1942.

Winter hat in jahrelangen Recherchen in akribischer Kleinstarbeit zahllose Materialien zusammengetragen und ausgewertet, hat über 400 Zeitzeugen und Quellen zurate gezogen, sich an Archive unter anderem der US-Army und der Royal Air Force gewandt und von allen Seiten sehr viel Offenheit, Hilfsbereitschaft und Unterstützung erfahren.

Infos über letzte Kriegsmonate

Ortsvorsteherin Gabriele Heume-Schmidt begrüßt die Anwesenden und erläutert zunächst das Interesse des Ortsbeirates an diesem Vortrag. Schließlich sei es interessant zu erfahren, welche strategisch wichtige Rolle der kleine Stadtteil Harb im Zweiten Weltkrieg gespielt habe. Nachdem in einer ersten Veranstaltung bereits die Organisationsform des Flugplatzes dargestellt wurde, beziehen sich die Fragen des Abends auf die letzten Kriegsmonate, in denen der Flugplatz gegen Ende von den Amerikanern genutzt und schlussendlich zerstört wurde.

In seinem Bildvortrag spannt Gerhard Winter einen Bogen über die Zeit von November 1944 bis April 1945, schildert detailreich die Einsätze der Deutschen Luftwaffe im deutschen, aber auch im belgisch-französischen Luftraum, etwa bei Dünkirchen, wo bekanntlich am 6. Juni 1944, dem D-Day (Decision Day, Tag der Entscheidung), insgesamt 175 000 Amerikaner, Briten und Kanadier sowie rund 200 Franzosen der alliierten Streitkräfte angelandet waren.

Und immer wieder fällt an diesem Abend ein Name: Georg Wiskemann. Vielen Niddaern ist der ehemalige evangelische Stadtpfarrer noch lebhaft im Gedächtnis. Wiskemann gehörte dem Jagdgeschwader 2, Richthofen, an, war Leutnant und zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Ihm fiel die undankbare Aufgabe zu, die Gefallenen und Getöteten beziehungsweise deren Überreste, die teilweise lediglich aus ein bis zwei Knochen oder einem Dienstabzeichen bestanden, gemeinsam mit seinem katholischen Amtsbruder Dr. Volk auf dem Niddaer Friedhof zu bestatten.

Als in den letzten Kriegstagen zwischen Kohden und Harb eine Verteidigungslinie aufgebaut werden sollte, war von Wiskemann ein energisches Nein zu der sinnlosen Aktion zu vernehmen, was mit der Androhung der sofortigen standrechtlichen Erschießung beantwortet wurde. Wiskemann konnte mit Unterstützung von mehreren Seiten knapp entkommen.

Wie verzweifelt und skrupellos die Versuche der deutschen Wehrmacht waren, das Kriegsgeschehen noch zu wenden, zeigt Winter am Beispiel des zweitmächtigsten Mannes, Reichsmarschall Hermann Göring, der auch den Flugplatz Harb besuchte, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen.

Historisch belegt ist das Bombardement des Flugplatzes Harb am 24. Dezember 1944. Die amerikanische Luftwaffe flog immer wieder Angriffe auf das Gebiet und legte einen Bombenteppich, wobei teilweise Ziele nicht erkannt wurden. So wurden Bomben auf Bellersheim bei Hungen abgeworfen und dort Menschen getötet. Auch das Lazarett in Bad Salzhausen, die heutige Neurologische Klinik, wurde bombardiert, obwohl das international anerkannte Zeichen des Roten Kreuzes weithin sichtbar war.

Über Silvester 1944 wurde versucht, durch männliche Arbeiter aus der Region Nidda und Echzell, ausgerüstet mit Schubkarre, Hacke und Schaufel, das Flugfeld wieder funktionsfähig zu machen, indem die Bombentrichter mit Erde verfüllt wurden.

Wo Blindgänger gefunden wurden

Man kann das große Interesse im Raum spüren, als Gerhard Winter abschließend einige Stellen zeigt, wo noch Blindgänger aus der Zeit gefunden wurden, zumal er betont, dass noch nicht alle Munition wieder aufgetaucht sei.

Als das Licht im Saal wieder angeht, ist Winters Tisch umringt von Fragenden, die wissen wollen, wie man an die Dokumente kommt, wie man herausfinden kann, wo noch Munition liegen könnte, ob man noch nachvollziehen könne, wo genau welche Ereignisse stattgefunden hätten.

Gerhard Winter beantwortet alle Fragen mit sehr viel Geduld und Genauigkeit - genau so, wie er alles zusammengetragen, ausgewertet und zum Vortrag aufbereitet hat.

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