Abschied und Neuanfang

1,2 Millionen Mittelhessen haben einen neuen Polizeipräsidenten. Torsten Krückemeier ist von Innenminister Peter Beuth offiziell in das Amt eingeführt worden. Gleichzeitig wurde Krückemeiers Vorgänger Bernd Paul mit lobenden Worten in den Ruhestand verabschiedet.
Torsten Krückemeier hat gerade mit seiner Rede begonnen, als er innehalten muss. Tränen steigen in seine Augen, die Stimme bricht. Erst nach einem aufmunternden Applaus des Publikums schafft er es, weiterzusprechen. »Sie merken, vor Ihnen steht ein sehr dankbarer Mensch. Ich nehme dieses Amt mit sehr viel Demut und Freude an.« Erst eine halbe Stunde zuvor hat Innenminister Peter Beuth Krückemeier nicht nur eine Urkunde für 25 Jahre Polizeizugehörigkeit überreicht, sondern auch jene zur Ernennung zum neuen Polizeipräsidenten Mittelhessens. Krückemeier löst somit Bernd Paul ab, der nach fast 50 Jahren bei der hessischen Polizei, die letzten sieben davon als Polizeipräsident von Mittelhessen, in den Ruhestand verabschiedet wurde. Welche Bedeutung diese Amtswechselfeier hat und wie viele enge Verbindungen Paul in den vergangenen Jahrzehnten geknüpft hat, zeigte sich auch an den vielen prominenten Besuchern. Zu den rund 150 Gästen zählten Bundestags- wie Landtagsabgeordnete, Vertreter zahlreicher Kommunen, Gießens Bürgermeister Alexander Wright, der ehemalige Ministerpräsident Volker Bouffier, Vertreter der Universität und natürlich etliche Mitglieder verschiedener Polizeieinrichtungen.
Einst wurde Gießen wegen seiner hohen Kriminalität »Shanghai an der Lahn« genannt. Heute sei die Region Mittelhessen, betonte Beuth, eine der sichersten ganz Deutschlands. In den vergangenen Jahren habe Paul einen entscheidenden Anteil daran gehabt. »In seinen sieben Jahren an der Spitze des Polizeipräsidiums Mittelhessen hat sich die Anzahl an Wohnungseinbrüchen fast halbiert und die Anzahl an Diebstählen ist um 20 Prozent zurückgegangen. Das sind Erfolge, die sich das Präsidium und sein langjähriger Präsident auf die Fahne schreiben können«, betonte der Innenminister. Nachfolger Krückemeier bezeichnete Beuth als einen Polizisten, der sein Können und seine Führungsqualitäten auf vielen Stationen eindrucksvoll unter Beweis gestellt habe. »Obwohl der nunmehr jüngste Polizeipräsident in unserem Land, kann er dennoch bereits aus 25 Jahren Polizeierfahrung schöpfen. In dieser Zeit war er so vielfältig für die Sicherheit in unserem Land eingesetzt wie kaum ein anderer.«
Neben Beuth sprachen auch Regierungspräsident Christoph Ullrich, Landespolizeipräsident Robert Schäfer, die renommierte Kriminologin Prof. Britta Bannenberg von der Justus-Liebig-Universität sowie Kerstin Wöhe, Personalratsvorsitzende des Polizeipräsidiums Mittelhessens Grußworte. Sie erinnerten sich zudem an gemeinsame Zeiten mit Paul und wünschten gleichzeitig Krü-ckemeier gutes Gelingen.
Brokdorf, RAF und Juwelenraub
Als der nun ehemalige Polizeipräsident mit gerade einmal 16 Jahren seine Ausbildung bei der hessischen Bereitschaftspolizei absolvierte, gab es noch keine Enkeltricks, Cybercrime oder die Tuner- und Poser-Szene. Das Auto, das Paul damals im Dienst fuhr, steht heute im Oldtimermuseum in Marburg. Andere Zeiten also, die deswegen aber nicht weniger aufregend waren. »Im ersten Jahr ging es bereits nach Brokdorf zu den Auseinandersetzungen um das Atomkraftwerk«, erzählte Paul seinen Gästen. Wenig später habe er den Stammheim-Prozess gegen die RAF-Mitglieder begleitet. »Die ganzen 70er Jahre waren gekennzeichnet durch die Anschläge der Roten Armee Fraktion.« Später, etwa als Leiter des Raubkommissariats in Frankfurt, habe er zudem viel Elend erlebt, aber auch spannende Ermittlungen begleiten und leiten können. Bei den Erzählungen von der Giftmüllmafia und dem größten Kunstraub der Nachkriegsgeschichte schienen bei vielen einstigen Weggefährten Erinnerungen hochzukommen.
All die Erfolge, die er in seiner Karriere erlebt habe, seien aber immer nur dank seiner Kollegen möglich gewesen. »Polizei ist Teamarbeit, fast wie Mannschaftssport«, sagte Paul, bevor er von der Bühne trat und sich von seinem »erfüllten Berufsleben« verabschiedete.
Der 43-jährige Krückemeier, der zuletzt Pauls Vize war, hat noch viele Jahre Zeit, seiner Karriere weitere erfüllende Momente zu bescheren. Mit Blick auf die vergleichsweise positive Kriminalstatistik, die zuvor Innenminister Beuth angesprochen hatte, sagte der neue Polizeipräsident an seine Kollegen gerichtet: »Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir Mittelhessen jeden Tag noch ein bisschen sicherer machen.«