Aktion Hessen hilft sucht neues Lager - Vorsitzender Tobias Greilich zieht Bilanz

Weil der Wetteraukreis das Gebäude gekauft hat, muss die Aktion Hessen hilft ihr Lager im ehemaligen Büdinger Obi-Markt bald räumen. Im Interview zieht Vorsitzender Tobias Greilich Bilanz.
Der Wetteraukreis hat den ehemaligen Obi-Markt im Büdinger Industriegebiet für 2,8 Millionen Euro gekauft. Auf dem 12 500 Quadratmeter großen Gelände soll ein Zivil- und Katastrophenschutzzentrum entstehen. Die Aktion Hessen hilft, die das Gebäude als Lager nutzt, muss sich ein neues Objekt suchen, das sich für die Logistik etwa von Hilfsprojekten für die Flutopfer und die Ukraine eignet. Im Interview zieht Tobias Greilich, der Vorsitzende der Initiative, Bilanz und erklärt, was der Verein jetzt braucht.
Die Aktion Hessen hilft ist Mieter des ehemaligen Obi-Marktes. Wie kam es dazu?
Wir haben nach der Flut im Sommer 2021 ein Hilfsprojekt für das Ahrtal und weitere betroffene Gebiete gestartet. Aufgrund eines großen Sachspendenangebots waren wir auf der Suche nach einem Zwischenlager. Der ehemalige Obi-Markt im Büdinger Industriegebiet stand leer und der Eigentümer hat sich bereiterklärt, uns das Objekt quasi mietfrei zur Verfügung zu stellen.
Das heißt, Sie haben das Gebäude gar nicht regulär gemietet?
Wir haben zwar einen ordentlichen Mietvertrag, aber wir zahlen keine reguläre Miete. Wir müssen nur eine Pauschale für die Nebenkosten bezahlen, die wir selbst verursachen. Wir gehen sehr sorgsam mit den Spendengeldern um, die uns anvertraut werden. Auf einer anderen Basis hätten wir uns ein Objekt dieser Größe gar nicht leisten können.
Sie nutzen das Gebäude seit Ende 2021. Was machen Sie dort?
Wir haben in den vergangenen eineinviertel Jahren 33 Hilfslieferungen gestartet, 16 Transporte ins Ahrtal und nach Nordrhein-Westfalen, 17 nach Polen und in die Ukraine. Das wäre ohne dieses Lager nicht möglich gewesen. Wir haben im vergangenen Jahr dort sicherlich 500 Paletten Sachspenden umgeschlagen, das heißt abgeholt oder angeliefert bekommen, sie vor Ort sortiert, Hilfslieferungen zusammengestellt und die Transporte gestartet. Zudem lagert das Rote Kreuz, mit dem wir seit vielen Jahren zusammenarbeiten, eigene Güter auf einer Teilfläche.
Welche Bedeutung hat der Standort Büdingen für Sie?
Meine Frau und ich haben Anfang der 1990er Jahre am Wolfgang-Ernst-Gymnasium die Aktion Hessen hilft gegründet. Wir haben in der Region unsere Helferbasis. Private Spender, Vereine, Schulen und die Stadt Büdingen haben uns unterstützt. Und natürlich versuchen wir auch, der Region etwas zurückzugeben, wofür der zentrale Standort hilfreich ist. Wir haben im Rahmen unserer Möglichkeiten unter anderem hiesige Hilfsorganisationen und Vereine, die Notunterkunft des Wetteraukreises in Nidda oder aktuell die Obdachlosenhilfe von Mission Leben in Friedberg unterstützt.
Was hat die Obdachlosenhilfe mit der Fluthilfe im Ahrtal beziehungsweise mit der Nothilfe für die Ukraine zu tun?
In den vergangenen 30 Jahren hatten wir stets den Eindruck, dass es den Menschen in den Krisen-, Kriegs- und Katastrophengebieten dieser Welt schlechter geht als uns in Deutschland, von den Hochwasserkatastrophen 2002, 2013 und 2021 einmal abgesehen. Deshalb lag der Fokus bei unserem Engagement meist woanders. Aufgrund der Entwicklungen der vergangenen Monate haben wir zusätzlich auch die Ärmsten in unserer Gesellschaft in den Blick genommen.
Was bedeutet der Verkauf des Objektes an den Wetteraukreis für Sie?
Der Kreis hat das Objekt gekauft, um es selbst zu nutzen. Unmittelbar vor Weihnachten haben wir von einer Firma, die wohl als Zwischenhändler fungiert, die Kündigung unseres Mietverhältnisses bekommen. Wir müssen das Objekt demnach »geräumt und besenrein« zurückgeben.
Wie sehr ärgern Sie sich darüber?
Gar nicht. Es war von vorn herein klar, dass wir das Objekt nur so lange nutzen können, bis sich ein regulärer Mieter oder Käufer findet. Insofern sind wir zuallererst dankbar, dass wir das Lager so lange nutzen und dadurch unglaublich viel Hilfe auf den Weg bringen konnten. Das habe ich dem bisherigen Eigentümer auch so geschrieben. Das einzige, was mich ärgert, ist eine Passage in der Sitzungsvorlage des Kreistages. Dort heißt es, dass Wassereintritte durch den aktuellen Nutzer, also uns, nicht gemeldet wurden und deshalb Mängel am Dach nicht behoben werden konnten. Das ist schlichtweg nicht wahr! Nicht nur der bisherige Eigentümer und auch der aktuelle Zwischeneigentümer wurden von uns informiert, sondern wir haben auch den Wetteraukreis mit Nachdruck darauf hingewiesen. Erst dadurch hat der Kreis einen Gutachter entsandt - und der Verfasser der Sitzungsvorlage war bei diesem Termin dabei.
Im Kaufprozess wurde die Nutzung durch die Aktion Hessen hilft im politischen Raum thematisiert. Mit wem hatten Sie Kontakt?
Landtagsvizepräsident Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP) unterstützt uns seit Sommer 2021 als Schirmherr. Er war zahlreiche Male in unserem Lager und wir kommunizieren regelmäßig über die Belange des Vereins. Er hat sich bemüht, unsere Interessen in die Diskussion einzubringen. Zudem habe ich mich mit Landrat Jan Weckler (CDU) getroffen und er hat mich über den Kaufprozess informiert. Er hat mir auch erläutert, dass unser Mietverhältnis vor Unterzeichnung des Kaufvertrages gekündigt werden muss, damit der Kreis beim Kauf keine Umsatzsteuer zahlen muss. Dafür muss man ja Verständnis haben.
Welche Unterstützung wünschen Sie sich vom Wetteraukreis?
Wir haben einen laufenden Mietvertrag bis Ende März. Bis dahin können wir das Lager vollumfänglich nutzen. Der Landrat hat mir zugesagt, dass wir darüber hinaus im Objekt bleiben können, bis der Kreis es wirklich selbst braucht. Das sollen wir auch noch schriftlich bekommen, sobald der Wetteraukreis im Grundbuch eingetragen ist und darüber verfügen kann. Wir sind uns zwar bewusst, dass unsere Arbeit im Sinne des Kreises ist, wir sehen aber ebenso, dass der Wetteraukreis weitergehende Aufgaben hat und das Objekt dafür braucht. Insofern haben wir nicht den Anspruch, besonders behandelt zu werden, und erwarten auch kein weitergehendes Entgegenkommen. Uns ist damit geholfen, geordnet ausziehen zu können.
Wie geht es mit der Aktion Hessen hilft weiter?
Uns gibt es seit über 30 Jahren. Wir hatten schon verschiedene Hilfsgüterlager in Ortenberg, Nidda und außerhalb des Wetteraukreises. Insofern wird mit dem Auszug unsere Vereinstätigkeit nicht enden. Aber wir müssen nun sehen, ob wir ein anderes geeignetes Lager finden oder unsere Hilfsprojekte - zumindest in dieser Größenordnung - einstellen.
Warum brauchen Sie ein so großes Lager?
Der frühere Obi-Markt bietet mehr Platz, als wir brauchen. Aber wir haben zum Beispiel mit unseren Netzwerkpartnern vereinbart, dass wir bei der Ukrainehilfe unseren Schwerpunkt auf den Hygienebedarf legen. Wir haben lastzugweise etwa Seife, Duschgel und Haarshampoo bekommen - aber man kann nichts davon lastzugweise weiterschicken, sondern wir müssen sinnvolle Ladungen zusammenstellen und verschiedene Güter kombinieren. Deshalb brauchen wir immer bestimmte Produkte auf Vorrat und entsprechenden Lagerplatz.
Wonach suchen Sie?
Optimal wäre ein neues Lager im Raum Ortenberg-Büdingen, aber wir sind auch in der weiteren Region flexibel. Wir hätten gern eine Größenordnung von 250 bis 300 Quadratmeter, könnten uns aber auch mit weniger Platz arrangieren. Es muss mit einem 40-Tonner erreichbar und mit einem Gabelstapler befahrbar sein, zudem muss es frostfrei sein und es sollte über einen Stromanschluss verfügen. Und natürlich müssen sich die Kosten in einem vertretbaren Rahmen bewegen.
