Alte Höfe öffnen ihre Pforten
ROHRBACH - Es war nicht so einfach, an gesicherte Quellen zu kommen, schreibt Harry Stumm im Vorwort der Festschrift, die zum 1200-jährigen Bestehen Rohrbachs erscheint. Das Jubiläum, das vom 1. bis 3. September gefeiert wird, naht. Die Festschrift, an der Bettina Schlegel, Arno Lämmer, Volker Helfrich, Christian Aulepp und eben Harry Stumm mitgearbeitet haben, ist gedruckt.
Auf 125 Seiten werden vor allem historische Hintergründe erklärt. Zum Beispiel, was es mit dem „Codex Eberhardi“ des Klosters Fulda auf sich hat, welche Rolle die Bettenstraße für das Dorf spielte oder was es mit dem Namen Hinterpforte auf sich hat. Die Bezeichnungen mag der eine oder andere schon öfters gehört haben, ohne jedoch den rechten Zusammenhang erschließen zu können. Diese Informationen Neugierigen zugänglich zu machen, ist eine Aufgabe, die Harry Stumm auf den Leib geschnitten ist. Der Heimatforscher sammelt seit Jahren Material über Rohrbach.
Ein Kapitel widmet sich den Bauwerken und Gassen Rohrbachs. Dort steht unter anderem: „An der zweiten Kreuzung Herrngasse und Klostergasse befindet sich eines von zwei Eingangstoren, genannt Hinterpforte. In diesem Bereich besaß das Kloster Hirzenhain ein ansehnliches Gut. Die Wirtschaftsgebäude lagen zwischen der Hinterpforte (Tor) und dem Brunnen (Weed) in der heutigen Klostergasse.“ Der „Weed“ ist ein Extra-Kapitel gewidmet. Die Quelle befindet sich in der Klostergasse, die nach dem Klostergut benannt worden ist. Bilder zeigen einen Dorfteich, der aus einer Quelle gespeist wurde. Tiere sind nach der Arbeit dort ans Wasser geführt, getränkt und gesäubert worden. Doch auch die Bewohner des Dorfes schöpften aus der Quelle ihr Trinkwasser. In der Chronik wird es als lebenswichtige Grundlage für die Ansiedlung in Rohrbach beschrieben. Die „Weed“ verschwand 1930, als die Quelle in einen neuen Brunnen gefasst und das Trinkwasser über Rohre in jeden Hof verlegt wurde.
Dass die „Weed“ in der Nähe war, konnten auch die Jakobis, in dessen Besitz der Hof in der Klostergase 23 heute ist, noch Jahrzehnte später merken. Auf dem Grundstück hinter der Scheune, am Weihergarten, begannen sie 1972 damit, ein Haus zu bauen. Der Boden war nass, das Fundament benötigte eine besondere Konstruktion.
Vater Dieter kommt vorbei und zeigt seinem Sohn Jürgen alte Fotos vom Hof in schwarz-weiß. 1776 erwarb eine Familie Lehr das Grundstück, das zum Besitz der Fürstenfamilie zu Ysenburg und Büdingen gehörte. Das Haus wurde etwa um 1780 gebaut. Das geht aus einem Kaufvertrag hervor, der im Amtsgericht Düdelsheim geschlossen wurde. Eine Kopie des Dokuments hat Dieter Jakobi noch in seinen Unterlagen. Der Hof war einer der größten landwirtschaftlichen Betriebe im Ort, viele Leute waren dort beschäftigt. „Die Lehrs hatten fast immer das Amt des Bürgermeisters inne“, erinnert sich der 77-Jährige. Den letzten Spross hatte er noch kennengelernt. Der nannte sich nur noch der „Lersch August“.
Der Ururgroßvater von Dieter Jakobi, Konrad Bähr, hatte um 1870 den Hof von der Familie Lehr gekauft. Johann Conrad Umbach, der 1710 von Melsungen nach Rohrbach gekommen war, hatte schließlich Catharina, geborene Bähr, geheiratet. Daher heißt das Haus in der Klostergasse 23 auch das „Umbacher Haus“. Im korrektem Hessisch wird aus dem „U“ ein „O“, aus Umbacher wird Ombacher.
Dieter Jakobi zeigt auf die verschiedenen Steine der Nebengebäude. Sie sind zum Teil aus blauem Basalt oder aus hellem Kalkstein und weisen auf die verschiedenen Bauphasen hin. August Lehr hatte den Stall 1823 aus Basalt errichtet. Der Stall diente als Schnapsbrennerei.
Mit 17 Jahren hatte Dieter Jakobi 1957 den Hof übernommen, mittlerweile hat er ihn seinem Sohn Jürgen übergeben. „Mein Sohn macht jetzt was draus. Der hat sich eine ganz schöne Mühe gemacht.“ Den Hof zu erhalten, sei schon richtig Arbeit, erzählt Jürgen Jakobi. Drei Ferienwohnungen sind in den Nebengebäuden entstanden. Sein Blick streift das Fachwerk des Hauses, das schon wieder Farbe benötigt. „Das Haus ist eine Verpflichtung und Lebenserfahrung zugleich.“ Jürgen Jakobi schaut auf die Uhr. Für das Dorfjubiläum stehen noch einige Verschönerungsarbeiten an. Das Pflaster soll von Unkraut befreit, der Wein zurückgeschnitten werden und, und, und. Der „Umbacher Hof“ ist ein Schauplatz der Rohrbacher Geschichte.
Es gibt eine Weinmeile in der Mittelgasse und im alten Ortskern und einen Stehenden Festzug in den alten Gehöften. Bereits ab dem Festsamstag werden einige Höfe ihre Pforten öffnen. Die Jakobis sind mit einem Hofcafé dabei. Zusätzlich zu Kaffee und Kuchen gibt es Apfelwein. Den keltert die Familie selbst. Im Hof wird eine historische Fotobox vorbereitet. Besucher können dort ihre Selfies vor historischer Kulisse schießen. Handwerker Ulrich Schmidt wird vor Ort sein und Schieferarbeiten zeigen. Kinder dürfen dann zum Werkzeug greifen.
In den Gassen werden die Besucher unter anderem auf eine Märchenerzählerin und eine Puppenmama, eine Straßenmagierin, einen Schmied und Ballonclowns treffen. Am Freitag, 1. September, wird das Festwochenende mit einem Kommers eröffnet. Am Wochenende gibt es an beiden Tagen ein ausführliches und vielseitiges Programm im Festzelt mit Livemusik, Gesang, Tanz und Theatervorführungen und vielem mehr.