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Altenstadt: Brandstiftung als Hilferuf - Strohballen nahe Kloster Engelthal angezündet

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Weil sie in der Nähe des Klosters Engelthal einen Strohballen angezündet hat, muss eine 55-jährige Frau ins Gefängnis. Laut ihrem Verteidiger war die Brandstiftung ein Hilferuf.

Wegen des Vorwurfs der vollendeten Brandstiftung musste sich eine 55 Jahre alte Frau vor dem Schöffengericht in Büdingen verantworten. Die Anklage warf ihr vor, am 20. Dezember vergangenen Jahres auf einem Acker in der Nähe des Klosters Engelthal mit Brennspiritus und Feueranzündern einen Strohballen angesteckt zu haben.

Das tat sie offenbar jedoch nur halbherzig. Zum einen ging sie so offen zu Werke, dass sie sofort bemerkt wurde und Hilfe gerufen werden konnte. Zum anderen zündete sie den Strohballen an einer Stelle an, an der er nur schwer in Brand geraten konnte.

Brandstiftung in Altenstadt: Angeklagte erst aus Gefängnis entlassen

Deshalb hatte der Landwirt, dem die Strohballen gehörten, keine Mühe, den Ballen von den übrigen zu trennen und ein Großfeuer abzuwenden. So entstand lediglich ein Sachschaden von 45 Euro.

Laut Verteidiger Ioanis Minas sei die Brandstiftung ein Hilferuf gewesen, weil die Angeklagte in ihrem Leben nicht mehr weitergewusst habe. Die Frau war erst im Juli aus dem Gefängnis entlassen worden, nachdem sie im Juli 2020 wegen Brandstiftung zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Um den Jahreswechsel 2019/2020 hatte sie in der Umgebung von Altenstadt Strohballen angezündet und auch versucht, das Vereinsheim der Bad Vilbeler Naturfreunde am Glauberg in Brand zu stecken.

Brandstiftung in Altenstadt: Frau nach Scheidungen obdachlos

Die Angeklagte hat einen Hauptschulabschluss und eine Lehre zur Verkäuferin absolviert. 1993 heiratete sie, bekam zwei Kinder. Ende der 1990er Jahre kam es zur Scheidung, das Jugendamt nahm ihr die Kinder weg. 2006 heiratete sie ein zweites Mal. Auch diese Ehe ging schief, das Jugendamt nahm ihr auch das Kind aus dieser Ehe weg.

Danach soll die Angeklagte jeglichen Halt verloren haben. Nach Aufenthalten in Frauenhäusern landete sie als Obdachlose auf der Straße. In ihrer Verzweiflung habe sie 2019 und 2020 die Brandstiftungen begangen, sagte der Verteidiger. Dafür musste sie ins Gefängnis. Als sie im Juli 2022 ihre Strafe abgesessen hatte, habe sie wieder auf der Straße gestanden. Das Entlassungsmanagement der Haftanstalt habe nicht ausreichend vorgesorgt, die Frau habe keine Unterkunft und keine Betreuung gehabt. Daher habe sie Unterschlupf bei einer Bekannten gefunden, die ihr aber nicht den richtigen Weg aus ihrer verzweifelten Situation habe weisen können.

Brandstiftung in Altenstadt: Strohballen wohl angezündet, um aufzufallen

Die Angeklagte habe sich ans Jobcenter gewandt, anschließend habe sie eine finanzielle Unterstützung nach den Hartz-IV-Vorschriften erhalten. Sie habe um eine Wohnung für sich und ihren Sohn gebeten, den sie gern wieder aufnehmen wollte. Doch die Hilfe sei ausgeblieben. Daher sei sie von einer Bekanntschaft zu anderen, von einer Behelfsunterkunft zur nächsten gezogen.

Kurz vor Weihnachten 2022 sei sie dann in einem absoluten Stimmungstief gewesen, ohne Perspektive und jegliche Hilfe. Weil sie nicht weitergewusst habe, habe sie denselben Weg gewählt wie drei Jahre zuvor: Sie steckte einen Strohballen an. Nicht heimlich und nicht, um einen größeren Schaden anzurichten, sondern um aufzufallen.

Brandstiftung in Altenstadt: Ein Jahr Haft für Angeklagte

Staatsanwalt Markus Schneider konzedierte, dass sich die Angeklagte bei ihrer Tat in einer schwierigen Lage befunden habe. Trotzdem müsse man vorbeugen, denn dieser Zustand könne sich jederzeit wiederholen. Er forderte deshalb zwei Jahre Haft ohne Bewährung. Verteidiger Ioanis Minas plädierte auf einen minderschweren Fall, zumal der Schaden sehr gering war. Seiner Meinung nach liegt die Verantwortung für das erneute Versagen der Angeklagten im unzureichenden Handeln der Vollzugsanstalt. Diese hätte die Frau besser auf die Freiheit vorbereiten müssen. Damit sie diesmal mehr Hilfe bekommt, forderte er acht Monate Haft - ebenfalls ohne Bewährung.

Das Büdinger Schöffengericht wählte einen Mittelweg. Auch wenn man die verzweifelte Lage der Angeklagten anerkennen müsse, so habe sie doch gegen das Gesetz verstoßen, erklärte die Vorsitzende Richterin Barbara Lachmann. »Das dürfen wir so nicht durchgehen lassen«, sagte sie. Deshalb verurteilte sie die Angeklagte zu einem Jahr Haft. »Ich hoffe, dass die Zeit dieses Mal besser genutzt wird, um sie auf die Freiheit vorzubereiten«, sagte die Richterin.

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