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Andreas Matle beschreibt den »perfekten Abgang«

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Autor Andreas Matlé und Kim Bui präsentieren im Plantanenhof des Dolce in Bad Nauheim die (Auto-)Biografie der Kunstturnerin. »Andreas hat meine Erlebnisse und Gedanken so zu Papier gebracht, wie ich es getan hätte, wäre das Schreiben mein Metier«, sagt die 34-Jährige. © Siggi Klingelhoefer

Diese Geschichte könnte nicht schöner, spannender, dramatischer sein: Andreas Matle schreibt die (Auto-)Biographie der dreifachen Olympia-Teilnehmerin Kim Bui - mit einem spektakulären Ende.

Ausgedacht wäre es ein bisschen zu viel des Guten: Tausende Zuschauer in der Münchner Olympiahalle fiebern dem letzten Wettkampf der Turnerin am Ende einer langen und erfolgreichen Karriere entgegen. Ihre Teilnahme an den Europameisterschaften im August 2022 hatte wegen einer Verletzung (Schleudertrauma) auf der Kippe gestanden. Die 34-jährige Turnerin gibt nicht auf. Sie zeigt in ihrem letzten Wettkampf eine herausragende Leistung. Standing Ovations, Umarmungen, Ehrenrunde, Rührung, Tränen, Glück. Ende.

Nun, Autor Andreas Matlé hat sich den Schluss ohnehin nicht ausdenken können. Denn sein neues Buch ist die wahre Geschichte von einer der erfolgreichsten deutschen Turnerinnen: Kim Bui. Eigentlich ist es eine Autobiografie. Andreas Matlé, im Hauptberuf Ovag-Pressesprechesprecher, hat die Geschichte der Turnerin niedergeschrieben. »Andreas hat meine Erlebnisse und Gedanken so zu Papier gebracht, wie ich es getan hätte, wäre das Schreiben mein Metier«, sagt Kim Bui.

Als Andreas Matlé das Projekt mit der Turnerin anging, war ein Happy End nicht absehbar. »Beim ersten Treffen stand nicht fest, wann Kim zurücktreten will«, sagt Matlé. »Ich wusste also am Anfang nicht, wie das Buch enden wird.« Was er wusste: Die Leistungssport-Karriere von Kim Bui hat viele spannende Facetten, die es lohnt, niederzuschreiben.

Es geht um Rassismus und Sexismus, um Druck, um Zwang, um Ergebnisse, um Beschimpfungen, um Essstörungen, um Verletzungen, um Wertschätzung von Leistungen abseits von Medaillen - und um die Faszination, die das Turnen für Kim Bui ausgemacht hat und es immer noch tut. Das Buch hat aber auch eine Botschaft: »Ich möchte dazu beitragen, dass sich bestimmte Dinge ändern«, sagt Kim Bui. Dafür zeigt sie Missstände auf. »Ich möchte jemand sein, der nicht nur anklagt oder sagt, was schlecht ist, und dann gehe ich. Ich biete meine Hilfe an, sofern sie erwünscht ist.«

Ob das Buch etwas in dieser Richtung bewegen wird? »Naja, es ist so, es haben sich einige Personalien verändert. Deswegen sehe ich jetzt auch eine Chance auf Veränderung. Aber so ein Kulturwandel geschieht nicht von heute auf morgen.« Aber, sagt Kim Bui, »irgendjemand muss es anstoßen. Sonst verändert sich nichts.« Die Idee für das Buchprojekt stammt von Andreas Matlé. Er hatte in Zeitungen Artikel über Kim Bui gelesen. »Ich habe mit Rassismus nix zu tun. Aber tatsächlich war es der erste Stolperer: Kim Bui. Deutsche Nationalmannschaft. Selbst ich bin darauf reingefallen«, sagt Matlé. Danach hatte ihn der Auftritt der Turnerin vor dem Sportausschuss des Bundestags zum Thema Gewalt im Turnen aufmerksam werden lassen - und die Aktion, als die deutsche Turnmannschaft um Kim Bui in langbeinigen Turnanzügen anstatt in den gewohnten kurzbeinigen angetreten ist.

Der finale Impuls: »Das war ihr Post: ›Hurra, ich bin heute so stolz auf mich. Ich bin die 17. beste Turnerin der Welt geworden‹. Das hat mich wirklich geflasht«, erzählt Matlé. »Alle anderen sagen, ich bin ›nur‹ 17. geworden, denn ich hatte eine Zerrung oder bin vom Licht geblendet worden.« Das habe ihn schwer beeindruckt.

Andreas Matlé schreibt eine Mail, der Stein kommt ins Rollen. »Zuerst gab es einen Skype-Termin. Dann habe ich gesagt, wir müssen uns einmal treffen, um zu sehen, ob die Chemie stimmt. Dann haben wir uns in Stuttgart getroffen und gemerkt, das könnte was werden.«

Entstanden ist ein Buch, das »nicht über Kim, sondern das von Kim ist«, sagt Matlé. Die Sportlerin sieht das genauso: »Ich habe nicht nur einfach drübergelesen, sondern Wort für Wort. Ich muss dahinterstehen. Ich möchte später nicht sagen, ›ja, das steht so da, aber das hat der Autor geschrieben‹. Das mag ich nicht. Ich möchte sagen: Ja. Das habe ich so gesehen.«

Kim Bui berichtet offen, schonungslos über ihr Sportlerleben. Wobei Sportlerleben und Leben nahezu deckungsgleich sind. Dem Turnen ist alles untergeordnet: Liebe, Schule, Studium und, falls vorhanden: Freizeit. Auch ihre Familie spielt eine große Rolle. Kim Bui erzählt von der Flucht ihrer Eltern aus Vietnam und von deren Wunsch, dass ihre Tochter nicht ähnlich schreckliche Erfahrungen machen solle. Eine »aus Leid und Not gewachsene Hoffnung«.

Das Buch berührt. Dramatisch. Aufregend. Die Zutaten hat das Leben von Kim Bui geliefert. »Da musste ich nichts dazugeben. Einfach schildern, was passiert ist. Das war genug«, sagt Matlé - inklusive Happy End, das sich der Autor auch nicht besser hätte ausdenken können.

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sk_Kim_270123_4c © pv

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