Angeklagte entschuldigen sich bei Opfern

Vor dem Landgericht Gießen ist der Prozess gegen zwei 24-jährige Männer aus Schotten und Büdingen fortgesetzt worden, denen schwere räuberische Erpressung, Einbruch und Diebstahl vorgeworfen wird.
Schwere räuberische Erpressung, Einbruch und Diebstahl in sechs Fällen wird zwei Männern aus Schotten und Büdingen vorgeworfen, die sich vor dem Landgericht Gießen verantworten müssen.
Die Taten sollen sie zwischen dem 19. Oktober 2021 und dem 8. März 2022, dem Tag ihrer Festnahme in Schotten, am »Nidda-Wasserfall« im Alteburgpark in Schotten begangen haben.
Dort sollen die 24-Jährigen junge Männer zur Herausgabe von Geld, EC-Karten und den dazugehörigen PIN-Nummern gezwungen haben. Vorausgegangen war jeweils eine Verabredung der jungen Männer mit einer gewissen Annabelle über ein Erotikportal im Internet (der Kreis-Anzeiger berichtete).
»Ich stand unter Druck, weil ein Bekannter aus Büdingen mich erpresste und oft mit einer Pistole vor mir stand, um Druck zu machen«, führte der Schottener während des ersten Verhandlungstags als Entschuldigung an. Auch der Büdinger gab vor, die Straftaten zum Schluss nicht mehr freiwillig begangen zu haben. Auch er sei in die Klauen des besagten Ganoven aus Büdingen geraten. Das bestätigten die beiden Kriminalbeamten, die sechs Wochen vor der Festnahme die Telefone der beiden Angeklagten überwacht hatten.
Kripo bildet Sondergruppe
Das Klima zwischen dem Schottener und dem Mann aus Büdingen sei wechselhaft gewesen. »Zum einen war es freundschaftlich, auch mit der Nennung von Spitznamen. Das war meist, wenn Geld in Richtung des Büdingers geflossen war. Zum anderen herrschte aber auch ein sehr rauer, zum Teil aggressiver Ton mit Drohungen«, berichteten sie.
Bei der Kripo war eine Sondergruppe gebildet worden, nachdem sich die Vorfälle in Schotten Ende vergangenen Jahres gehäuft hatten. Wie sie auf die Spur der Angeklagten gekommen waren, das wollten die Kriminalbeamten nicht öffentlich preisgeben. Doch das, was aus den Abhörprotokollen hervorging, war eindeutig: So besprach der Schottener die Taten in allen Einzelheiten mit seiner Mutter, auf die deswegen und wegen weiterer Hilfestellungen ein gesondertes Verfahren wartet. Auch mit seinem Kompagnon aus Büdingen verabredete der 24-Jährige am Telefon Einzelheiten zum weiteren Vorgehen.
Den Opfern war bei ihrer Vernehmung vor Gericht vor allem das Zustandekommen der Treffen mehr als peinlich. »Muss ich das wirklich in aller Öffentlichkeit sagen?«, fragte eines der Opfer. Damit man ihn nicht erkannte, wollte er bei seiner Aussage weder seinen Mund- und Nasenschutz noch seine Baseball-Mütze absetzen. Die beiden Täter hätten ihn zwar nicht körperlich angegangen, berichtete der Mann, aber einer der Angeklagten habe eine Eisenstange in der Hand gehalten. Auch die Äußerung »Wenn du nicht machst, was wir dir sagen, machen wir dich kalt« habe ihm Angst gemacht. Es habe auch eine ganze Zeit gedauert, bis er danach wieder ausgegangenen sei.
Ein anderes Opfer berichtete, dass er lose mit dem Schottener befreundet gewesen sei, der ihn zwei Wochen vor der Tat sogar noch besucht habe. Der 24-Jährige sei dann wenig später bei ihm eingebrochen und habe 600 Euro, zwei Playstations und seine Münzsammlung gestohlen.
Geld von Konto abgehoben
Mit einem anderen Opfer sollen die beiden Angeklagten zunächst nur um den Preis für den vermeintlichen Liebesdienst gefeilscht haben, ihm dann aber das Portemonnaie abgenommen und mit der Scheckkarte über 2000 Euro vom Konto abgehoben haben. Auch dabei habe es zwar Drohungen, aber keine körperliche Gewalt gegeben.
Nach jeder Zeugenaussage entschuldigten sich die Angeklagten bei den Opfern und sicherten zu, den Schaden wiedergutmachen zu wollen. »Ich kann deine Ängste nur zu gut verstehen, weil wir selbst erpresst wurden und das Geld sofort an unseren Erpresser weitergeben mussten«, lautete die Entschuldigung immer wieder. Der Prozess wird am morgigen Freitag, 11. November, fortgesetzt. VON JÜRGEN W. NIEHOFF