#annegate #rezo #niemehrcdu: In Neuland ist die Hölle los
"Was mir gerade durch den Kopf geht? Should I stay or should I go?" Mit einer Anspielung auf einen Song der britischen Punkband The Clash hat der Büdinger CDU-Politiker Patrick Appel am Sonntagabend via Kurznachrichtendienst Twitter auf das schlechte Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl reagiert. Soll ich bleiben oder gehen? Später legte der 30-Jährige nach:
"Ich ärgere mich gerade über eine CDU, der die Menschen meines Alters nicht mehr zutrauen, Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung richtig anpacken zu können." Und: "Ich ärgere mich über eine CDU, die junge demonstrierende Menschen nicht ernst nimmt. Ich ärgere mich über ein Konrad-Adenauer-Haus, das spürbar jede Bodenhaftung zur Arbeit an der Basis verloren hat." *Ja, es ist nicht nur die CDU, die nicht mehr nah dran ist an dem, was viele junge Menschen offenbar bewegt. Das hat die Wahl gezeigt. Aber sie hat dafür die meiste Kritik, den größten Spott und die bissigste Häme abbekommen. Das kam nicht von ungefähr. CDU und Jugendliche - das passte schon bei der Diskussion über die umstrittene Reform des Urheberrechts (Stichworte: Uploadfilter, Bots, bezahlte Demonstranten) oder nach dem Beginn der "Fridays for Future"-Klimaproteste nicht zusammen. Auf Twitter trendeten Hashtags wie #niemehrcdu. *In der vergangenen Woche sorgte dann der YouTuber Rezo mit einem mittlerweile millionenfach geklickten Video "Die Zerstörung der CDU" für die komplette Eskalation in Neuland. Bloß nicht die CDU wählen, appellierte er. Und die CDU? Die machte anschließend alles falsch, was man nur falsch machen konnte: Diffamierung dieses Internettyps mit den blauen Haaren und seiner Anhänger, herablassende Bewertung der Inhalte, Fake-News-Vorwürfe, die Ankündigung eines Antwort-Videos, das dann zugunsten einer elfseitigen schriftlichen Reaktion doch nicht veröffentlicht wurde, nach der Wahl Schuldzuweisungen an die eigene Junge Union und die Bemerkung der CDU-Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, über Meinungsmache vor Wahlen nachzudenken und Regeln, die auch für den digitalen Bereich gelten könnten. Das nächste Hashtag folgte prompt: #annegate. *So offenbarte sich die nächste Mega-Baustelle der CDU: Sie ist nicht nur nicht dran an dem, was Jugendliche und junge Mensche n bewegt, sondern versteht auch ihre Sprache und die Kommunikation im Internet nicht. Der Parteiapparat ist nicht in der Lage, auf ein unvorhersehbares digitales Ereignis adäquat zu reagieren. Das nervt auch den Büdinger Patrick Appel. "Wir sind nicht mehr in den 80ern", sagt er. Die Kommunikation, nicht nur im Wahlkampf, habe sich verändert. Austausch finde nicht mehr nur vor Ort, beim Bäcker, am Wahlkampfstand statt, sondern eben auch im Internet. "Die Sozialen Medien dürfen nicht nur zur Selbstdarstellung genutzt werden, sondern auch zum Austausch. Jeder Politiker muss jederzeit ansprechbar sein", sagt er. "Im Moment reagieren wir nur noch, anstatt zu agieren." Es sei versäumt worden, jünger, weiblicher und bunter zu werden, wie es der Ex-Generalsekretär Dr. Peter Tauber mal postuliert habe. Ihn stört auch, dass die CDU nicht einfach mal sagen könne: "Wir haben verstanden, was eure Ängste und Sorgen sind", sondern stattdessen lieber wieder einen Führungsanspruch formuliere. *Und was jetzt? Bleiben oder gehen? Für Appel, der seit 2009 in der CDU ist, im selben Jahr die Junge Union Büdingen gegründet hat und vier Jahre Vorsitzender der Jungen Union Wetterau war, dann doch eine rhetorische Frage. "Aufgeben ist nicht mein Ding, das wäre zu einfach", sagt er. "Wenn der erste Ärger raus ist, geht es weiter."