Arbeit für kommende Generationen: »Wir begründen einen neuen Wald«

Viele Waldflächen sind geschädigt. Hessen Forst hat daher aus Anlass des Internationalen Tag des Waldes zu Pflanzaktionen aufgerufen, etwa auf der Herchenhainer Höhe.
Etwa 30 Interessierte - Männer, Frauen und Familien - waren der Einladung des Fortsamtes Schotten zu einer Wiederaufforstungsmaßnahme an der Herchenhainer Höhe gefolgt. »Wir begründen einen neuen Wald«, sagte Forstamtsleiter Axel Norgall in seiner Begrüßung. Er erwähnte einige nüchterne, aber beeindruckende Daten. So sind durch die Witterungseinwirkungen und durch den Schädlingsbefall in Hessen einige 10 000 Hektar waldfrei geworden. Besonders betroffen ist der nördliche Landesteil, wo ganze Bergbrücken kahl geworden sind.
Jede Menge Schadholz
Allein im Forstamt Schotten sind nach den Worten Norgalls seit 2018 300 000 Festmeter Schadholz angefallen. »Überwiegend Nadelholz, aber auch den Buchen geht es nicht gut«, so der Amtsleiter. Von den 12 500 Hektar Staatswald des Landes Hessen in seinem Amtsbereich seien 650 Hektar mittelweile Kahlfläche. Betroffen von den Schädigungen sind aber auch die 1800 Hektar umfassenden Flächen von den 1500 Privatwaldbesitzern und die 3500 Hektar großen Kommunalwälder. »Die Wiederaufforstung ist eine große Herausforderung«, betont Norgall. Zum Ende des Frühjahrs werden insgesamt 280 Hektar neu bepflanzt sein. »Wir haben dann seit 2019 800 000 junge Pflanzen eingebracht, überwiegend Laubhölzer, aber auch kleine Nadelbäume.« Das Kostenvolumen betrage eineinhalb bis zwei Millionen Euro.
Brachfläche am Skiflift
Die zirka einen Hektar große, durch Stürme entstandene Brachfläche, direkt am Skilift auf rund 680 Metern Höhe, war von den Forstwirten des Amtes grob geräumt worden. Zurückgeblieben waren zahlreiche Fichtenäste, auch als willkommener Schutz des Waldbodens. Max Keppler, Funktionsbeamter für den Bereich Technik, und Forstwirtin Lana Dieckerhoff hatten mit mehrfarbigen Stäben insgesamt 26 Trassen abgesteckt, in einem Abstand von jeweils zweieinhalb Metern und einem Zwischenraum von Pflanze zu Pflanze innerhalb einer Reihe von einem Meter.
Sie sollen den Hobbypflanzern als Orientierung dienen. »Ein genaues Pflanzmuster ist sinnvoll, um bei später notwendigen Freischneidemaßnahmen der Begleitvegetation die jungen Triebe zu finden und nicht zu beschädigen«, erläutert Norgall. Ganz wichtig: Die Pflanzfläche ist bereits eingezäunt - zum Schutz gegen Wildverbiss. »Die jungen Triebe sind für das Wild wie Schokolade im Schlafzimmer«, betont Max Keppler mit einem Augenzwinkern: »Ohne Schutz würde kaum eines der jungen Bäumchen die nächste Zeit überstehen.«
Das Forstamt hatte mehr als 1000 junge Pflanzen vorbereitet - Kirsche, Berg-Ahorn und Weißtanne. »Unser Ziel ist es, einen Mischwald aufzuforsten, der mit den zukünftigen Klimabedingungen gut zurechtkommt und den Witterungseinflüssen möglichst gut standhält«, betont der Forstamtsleiter. Norgall geht zudem davon aus, dass durch natürlichen Sameneintrag sich später auf der Fläche noch weitere Arten ansiedeln werden, wie die Eberesche, Buche oder die im nahen Umfeld noch stark präsente Fichte.
Forstwirtin Lana Dieckerhoff gibt eine genaue Anweisung, wie die jungen, etwa 70 Zentimeter langen Triebe fachgerecht in den Waldboden eingebracht werden. Nach dem zweimaligen Einstechen mit dem Pflanzspaten wird mit den Händen das lockere Erdreich aus dem, im Durchmesser etwa 20 Zentimeter, Einstich ausgehoben. Dann wird die Pflanze in die Bodenöffnung gehalten. »Dabei sollte die obere Wurzel etwa eine Handbreite unterhalb der Oberfläche sein«, so die Forstwirtin. Anschließend wird die ausgehobene Erde wieder in die Erdöffnung verfüllt und an dem Stämmchen mit schwachem Druck nach oben gezogen, damit die Wurzeln sich im Erdreich straffen könne.
Danach wird die Erde vorsichtig festgetreten und der Sitz der Pflanze überprüft. Das Stämmchen sollte möglichst gerade aufgerichtet sein.
Für die meist noch unerfahrenen Hobbypflanzer ist es zunächst nicht ganz leicht, die richtige »Flucht« für die Pflanzreihe zu finden. Das eine oder andere Mal muss nach Rücksprache mit Max Keppler eine Korrektur vorgenommen werden. Außerdem trifft der Spaten beim Einstechen auch Steine oder Wurzeln, was einen neuen Versuch nötig macht. Das läuft aber dem sichtlich großen Spaß, den alle haben, nicht entgegen. Auch Amtsleiter Axel Norgall ist über die hohe Motivation erstaunt: »Die sind alle sehr fleißig.«
Daniel Haupt ist das erste Mal bei so einer Aktion dabei. »Ich bin viel im Wald unterwegs, entweder beim Holzmachen oder auch mit dem Fahrrad«, erzählt er. Der Hüttenberger ist auf die Aktion - sie musste wegen Corona zweimal verschoben werden - im Internet auf der Seite von Hessen Forst aufmerksam geworden. Eine etwas weitere Anreise hatte auch die Familie von Alexandra und Thorsten Bender. Sie sind aus Lich mit ihren beiden Kindern gekommen. »Wir hatten schon vor zwei Jahren vor, bei so etwas einmal mitzumachen. Auch, um unsere Kinder für die aktuelle Problematik des Waldes zu sensibilisieren.«
Wasser zum Angießen, wie etwa im privaten Garten, gibt es bei den Pflanzungen im Wald nicht. Lana Dieckerhoff kann aber Befürchtungen, die Pflanzlinge könnten zu wenig Wasser erhalten, entkräften. »Der Waldboden hat genügend Feuchtigkeit«, so die Forstwirtin. Was sie auch anschaulich zeigt, als sie einen Klumpen schwierige Erde in die Hand nimmt. »Der Oberboden hat genügend Feuchtigkeit«, betont auch der Forstamtsleiter. Zwar war der März überaus trocken, aber nach dem ersten Schneefall Ende November hat es in diesem Winter im hohen Vogelsberg immer wieder Niederschläge gegeben.
Allerdings ist mit einem schnellen Wachstum der jungen Bäume nicht zu rechnen. »Die Pflanzen erleiden durch das Einpflanzen erst einmal einen Schock. Es dauert etwa zwei Jahre, bis man sehen kann, ob das junge Bäumchen angewachsen ist«, so Lana Dieckerhoff.
In großen Zeiträumen
Danach gefragt, wann denn die neu angepflanzten Bäume einmal für die normale Holzproduktion eingeschlagen werden können, beginnt Axel Norgall in großen Zeiträumen zu denken. »Die Kirsche wird in etwa 60 Jahren soweit sein, bei dem Ahorn und der Weißtanne dauert es noch etwas länger. Mit 80 bis 100 Jahren muss man rechnen.« Das Pflanzen von Bäumen ist eine Generationenaufgabe. Axel Norgall: »Von der heutigen Arbeit profitieren zukünftige Generationen, wie die Menschen heute von der Arbeit vor vielen Jahrzehnten.«