Auf der Suche nach Spiritualität und Glaube im Kloster Engelthal

Den Glauben im Gesang und Spiritualität in einer zunehmend atheistischen Welt zu finden, dazu will Sängerin und Songschreiberin Antje Chemnitz anleiten bei einem Workshop im Kloster Engelthal.
Antje Chemnitz ist Sängerin, Songschreiberin, Diplom-Gesangspädagogin und Leiterin für »Exerzitien im Alltag« nach dem Jesuitengründer Ignatius von Loyola. Mit ihrem Gesangsworkshop »Lass meine Seele singen und hören« ist sie vom 2. bis zum 4. September erstmals im Kloster Engelthal zu Gast. Ihr Workshop wird Gospelsongs und afrikanische Lieder, neues Lobpreisliedgut, modern aufbereitete Kirchenlieder, Gesänge aus Taize und der Gregorianik sowie jeweils einen Tagesrückblick nach Ignatius von Loyola umfassen. Diese Zeitung sprach mit der vielseitigen Künstlerin aus der Uckermark.
Wie kamen Sie zum Gesang, gab es Vorbilder und Unterstützung in Ihrer Familie?
Ich sang schon als kleines Kind viel und gern. Meine Tante war Opernsängerin und gab mir den ersten Gesangsunterricht. Musik hat mich stets tief im Innern berührt und gab mir Halt und Heilung. Mit sieben Jahren finf ich an, Klavierunterricht zu nehmen, und die Welt rund um Tasten und Gesang wurde nach und nach ein Zuhause für mich.
Der Gesang zu Gottes Ehren wird als Spiegelbild himmlischer Liturgie gesehen, als Form der Verkündigung und als Möglichkeit der persönlichen Gotteserfahrung. Welche Elemente sind Ihnen wichtig?
Ich selbst hatte leider nicht die Möglichkeit, in einem christlichen Elternhaus aufzuwachsen, da meine Eltern nach den schlimmen Erfahrungen im Krieg aus der Kirche austraten. Aber sie erzogen uns fünf Kinder, von denen ich die Jüngste bin, sehr offen und tolerant. So kam es, dass meine großen Geschwister oft in der jungen Gemeinde der evangelischen Kirche waren. Ich selbst fand meinen Weg mit Gott erst später, während und nach dem Studium, und bin erst mit 30 getauft worden. Der musikalische Lobpreis war eine der stärksten Erfahrungen für mich, mit Gott zu sein, ihn zu spüren und zu erfahren. Diesen Raum möchte ich auch den Teilnehmern im Gesangsworkshop erlebbar machen. Die persönliche Gotteserfahrung ist mir dabei sehr wichtig, da sie uns immer wieder Frieden und Heilung bringt.
Welche Chancen bietet die große Bandbreite an Genres, die Sie anbieten?
Die Erfahrung verschiedener musikalischer Genres und Stile ist mir wichtig, sowohl mit Blick auf die verschiedenen Gesangstechniken als auch auf die Geschichten dahinter. Wie enstand zum Beispiel Gospel? Aus welchen Hintergründen haben sich solch emotionale und tiefgründige Gesänge entwickelt? Was gibt es uns, sie zu singen, mit welchem Gefühl, welcher Form der Anbetung kann ich mich dabei verbinden? Durch die verschiedenen Arten musikalischer Anbetung werden wir an einem einzigen Wochenende auf verschiedene Weise berührt und durch Text und Musik immer tiefer in das singende Gebet hineingezogen.
Welche Rolle spielen die Exerzitienelemente nach Ignatius von Loyola dabei?
Nach den Exerzitien im Alltag von Ignatius von Loyola suchen und finden wir Gott in allem. Es geht um immerwährende Schulung der Wahrnehmung von Gottes Gegenwart. Diese erschließt sich uns durch Selbstwahrnehmung, über Atem und Gesangsübungen, da Gott auch in uns selbst wohnt. Weiterführend gebe ich Aufgaben aus dem Exerzitienbereich, um die Wahrnehmung auch hinein in die Natur als Gottes Schöpfung zu führen. Wir beenden die Tage mit dem Rückblick nach Loyola, um mit der Erinnerung die Erfahrungen des Tages zu sortieren und festzuhalten.
Muss man Vorkenntnisse mitbringen?
Ich arbeite mit Anfängern und Fortgeschrittenen, beide haben genügend Raum. Da meine Workshops nicht so groß sind, kann ich individuell auf Bedürfnisse eingehen.
Das ist nicht Ihr erster Klosterkurs, aber der erste in Engelthal. Was schätzen Sie an der klösterlichen Umgebung und was zog Sie nach Engelthal?
Klöster sind für mich von Gebet durchdrungene, gestärkte Orte des Austauschs und der Begegnung. Es gibt keinen besseren Raum für diesen Workshop. Die Teilnehmer kommen zur Ruhe, wir können an den Gebetszeiten teilnehmen, was zusätzlich stärkt. Wir genießen die fürsorgliche und liebevolle Betreuung der Schwestern, bekommen Nahrung für Leib und Seele. Mit Engelthal verbindet mich ein Besuch vor Jahren mit meinen Kindern. Ich war junge Mutter und erschöpft, es gab mir so viel Kraft, ich habe den Ort als eine liebevolle offene Oase empfunden.
Welche Möglichkeiten gab es in der DDR, Glauben kennenzulernen und so kreativ wie Sie zu leben?
Kirche hatte in Ostdeutschland eine besondere Stellung, sie war Ort der Freiheit und des anderen. Letztlich brachten Gebete die Wende ins Rollen. Kreativität und Erfindertum war im Osten immer sehr präsent, da es nicht so viel gab. Auch meine Eltern mussten mit fünf Kindern immer improvisieren. Aber es hat geklappt und dieses »Immer eine Lösung finden« ist uns in die Wiege gelegt worden. Auch in der Kunst war alles auf gewisse Art schwierig, aber auch da fand Kreativität ihre Wege, kritische Dinge zwischen den Zeilen zu erzählen. Und wiederum gab es sehr viel Freiraum, da Geld nicht so eine große Rolle spielte, es gab keinen Druck, sich verkaufen zu müssen. Dies ist für die Musik ein große Erleichterung und fruchtbarer Boden für Kreativität.
Wie erleben Sie das Bedürfnis nach Spiritualität in einem atheistisch geprägten Umfeld heute?
Mein Mann und ich kauften vor über 20 Jahren ein altes Haus in der Uckermark auf dem Land und begannen zeitgleich, uns um die kleine Dorfkirche und die Orgel zu kümmern. Darin arbeiten wir seitdem niederschwellig mit Kirchenfernen, Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern. Das Bedürfnis nach Spiritualität ist groß, aber die Suche führt Menschen oft in die Ferne. Wir versuchen, das aufzufangen, indem wir Toleranz und Vielfalt in unserer Dorfkirche und Gemeinde leben. Neulich gab es eine Friedensandacht mit 20 Menschen, die mindestens sechs verschiedene Religionen vertraten. Und doch hat uns das Gebet vereint. Weil die Menschen bei uns sein können, wie sie sind, und stehen, wo sie sind, finden sie manchmal zurück - einfach zum Naheliegenden: der eigenen Religion und Kirche.