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Aus für Montessori Kinderhaus in Bergheim

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Die ehemalige Schule in Bergheim aus dem Jahr 1951, in der sich das Montessori-Kinderhaus befindet, hat durchaus Charme, das Gelände ist weitläufig und lässt Kindern viel Raum zur Bewegung. Der Sanierungsbedarf lässt sich allerdings schon geraume Zeit nicht mehr leugnen. Was mit dem städtischen Gelände und Gebäude nach dem 31. Juli passiert, ist offen. © Judith Seipel

Erziehermangel und ein Investionsstau an dem in die Jahre gekommenen Gebäude machen dem kleinen Montessori Kinderhaus in Bergheim jetzt den Garaus. Der 31. Juli ist der letzte Öffnungstag.

Leicht gemacht habe sich die Entscheidung, das Montessori Kinderhaus in Bergheim zu schließen, keine Seite, weder der Vorstand des Trägervereins noch die Stadt Ortenberg, die der Elterninitiative 2001 das Gebäude in der Neuen Schulstraße gegen eine geringe Miete zur Nutzung überlassen hatte.

Das sagt Christian Aulepp, seit 2021 Vorsitzender des Vereins Montessori Kinderhaus Bergheim. Zwei gravierende Gründe haben jetzt zu dem Aus geführt: der Mangel an Erzieherinnen und Erziehern, der sich durch das ganze Land zieht, und der inzwischen erhebliche Sanierungsbedarf an dem in die Jahre gekommenen Haus, das ursprünglich als Schule und später als städtischer Kindergarten genutzt worden war.

So fällt am 31. Juli nach fast genau 22 Jahren die Klappe. Am 15. Juli wird auf dem Gelände des Kinderhauses das letzte Sommerfest gefeiert. Alle 20 Kinder, sagt Aulepp, seien glücklicherweise untergekommen. Einige werden eingeschult, acht Jungen und Mädchen bekommen im neuen Kindergartenjahr Plätze in städtischen Ortenberger Kitas, die anderen Kinder in den umliegenden Gemeinden, aus denen sie kommen.

Krankheit und Kündigungen des pädagogischen Personals hätten den Vorstand immer wieder vor Herausforderungen gestellt, so der Vorsitzende weiter. Je kleiner die Einrichtung, desto schwieriger sind Engpässe zu kompensieren. »Dann steht man vor der Frage, ob man das in freier Trägerschaft überhaupt noch leisten kann«, räumt Aulepp ein. Den Personalmangel aufzufangen und auszugleichen, ist angesichts des leer gefegten Erzieher-Marktes ohnehin ein zermürbendes Unterfangen. In Bergheim kommt erschwerend hinzu, dass das pädagogische Konzept entsprechend qualifizierte Fachkräfte verlangt. Pädagogen müssen ein Montessori-Diplom nachweisen.

Mütter der ersten Stunde

Eine Übernahme der Einrichtung in städtische Trägerschaft - eine Option, die dem Vernehmen nach intensiv beraten wurde - hat die Stadtverordnetenversammlung Ortenberg in der vergangenen Woche einstimmig abgelehnt. Auch wenn einzelne Redner die Entscheidung bedauerten: Die Kosten für den hohen Renovierungsbedarf der kleinen Kita mit 20 Plätzen könne sich die Stadt nicht leisten.

Verwaltungschefin Ulrike Pfeiffer-Pantring nennt das Kinderhaus in Bergheim etwas wehmütig eine »Herzensangelegenheit«. Es war damals nicht nur das erste Projekt, das sie als junge Ortenberger Bürgermeisterin vorangetrieben hat, als Mutter eines Kinderhaus-Kindes war sie in das Wachsen und Werden der Kita und in deren Alltag eingebunden. Auch Henrike Strauch und Cäcilia Reichert-Dietzel, heute Bürgermeisterinnen in Glauburg und Ranstadt und damals am Anfang ihrer politischen Karrieren, gehören zu den Müttern, die 2001 in Bergheim den Grundstein legten für eine zuverlässige - nämliche ganzjährig ganztägige - Betreuung von Kindern ab 18 Monaten. Denn berufstätige Eltern ohne Familie im Hintergrund hatten damals nicht viele Möglichkeiten, die Betreuung ihrer kleinen Kinder zu organisieren. Tagesmütter waren rar und der Rechtsanspruch auf Kita-Betreuung für Kinder zwischen einem und drei Jahren besteht erst seit 2013. In Bergheim meldeten deshalb auch Eltern aus umliegenden Städten und Gemeinden ihre Kinder an.

»Ich habe mit Bedauern von der Schließung erfahren«, sagt Henrike Strauch, die viele Jahre Vorsitzende des Vereins Montessori Kinderhaus war. »Diese Entwicklung zeigt die prekäre Lage in der Kinderbetreuung.« Hauptproblem sei der Fachkräftemangel. Strauch vermisst aber auch eine konsequente Unterstützung durch das Land Hessen.

»Lehrreich« für ihre spätere Arbeit als Bürgermeisterin sei die intensive Einbindung der Eltern im Montessori Kinderhaus gewesen, sagt Cäcilia Reichert-Dietzel, die heute Verantwortung trägt für zwei Kindertagesstätten in Ranstadt. Ihr Sohn Lukas, Kinderhaus-Kind der ersten Stunde, hat sie vor wenigen Wochen zur Großmutter gemacht. »Jetzt habe ich mir die Kinderbilder von damals wieder angeschaut. Wir waren wie eine große Familie, und wenn man sich heute trifft, ist da noch immer eine Verbundenheit.«

Die künftige Nutzung ist offen

Mit der Schließung des Kinderhauses geht in der Region auch ein Stück Vielfalt verloren. »Mich überzeugt die Montessori-Pädagogik und ich finde, Eltern sollten eine Wahlmöglichkeit haben, um für ihr Kind das passende pädagogische Konzept zu finden«, sagt Henrike Strauch.

Dass nicht nur das einstige »Alleinstellungsmerkmal U3« wichtiges Kriterium für Eltern gewesen sei, sondern gerade auch die Montessor-Pädagogik, bestätigt Vorsitzender Christian Aulepp: »Über mangelnde Nachfrage konnten wir uns nie beklagen. Gerade das pädagogische Konzept war für viele Familien ausschlaggebend für ihre Entscheidung.«

Wie geht es nun weiter? Das Gelände in Bergheim eigne sich grundsätzlich für Kinderbetreuung, sagt Pfeiffer-Pantring und will nicht ausschließen, dass der Standort bei entsprechendem Bedarf eines Tages »erneuert« werden könnte. Zunächst aber hat die Stadt Ortenberg im kommenden Kindergartenjahr 20 Betreuungsplätze weniger.

»Hilf mir, es selbst zu tun.« Das ist der Leitsatz der Montessori-Pädagogik, nach der im Kinderhaus Bergheim gearbeitet wird. Nach der Lehre der italienischen Anthropologin Maria Montessori (1870 bis 1952) besitzt jedes Kind einen sogenannten inneren Bauplan, nach dem es sich entwickelt. Damit Selbstbestimmung und Selbstständigkeit von Kindern optimal gefördert werden, lernen sie in einer vorbereiteten Umgebung. Für jedes Alter und Interesse stehen systematisch geordnet und ansprechend ausgelegt Montessori-Materialien zur Verfügung, damit Kinder in ihrem eigenen Rhythmus entdecken und begreifen können.

Ein wichtiger Baustein im Konzept des Kinderhauses Bergheim ist die Mitarbeit und Einbindung der Eltern. Das gewährt diesen ein großes Mitspracherecht und bindet sie ein in den Kinderhausbetrieb, beispielsweise mit Küchendiensten. Zum anderen trägt es zur Kostenersparnis bei, wenn die Elterngemeinschaft anfallende Arbeiten selbst erledigt. Dafür fanden beispielsweise zwei- bis dreimal im Jahr Bautage statt.

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