Aus für Praxis-Neubau am Ortenberger Marktplatz?

Eigentlich wollte die Ortenberger Hausärztin Dr. Yvonne Müller mit ihrer Praxis am Marktplatz expandieren. Ein Neubau war in Planung. Das ist nun vermutlich hinfällig.
E ine Praxis für Allgemeinmedizin - der klassische Landarzt - ist ein Stück Infrastruktur, das jede Kommune gerne für ihre Bürgerinnen und Bürger vorhält. Umso mehr, wenn besagte Landarztpraxis auch noch expandieren will und damit dauerhaft eine Perspektive vor Ort sieht. Diese Perspektive sah Dr. Yvonne Müller aus Ortenberg. Doch die haben ihr Querelen mit der Stadtverwaltung über besagte Praxiserweiterung gründlich verdorben. Die Allgemeinmedizinerin hält nun nach alternativen Standorten Ausschau.
Eigentlich war dies nicht geplant, im Gegenteil. Da die Praxisräume am Ortenberger Marktplatz, in denen Müller mit fünf Kolleginnen und Kollegen praktiziert, mittlerweile zu klein geworden sind, sollte in unmittelbarer Nähe ein Neubau entstehen. »Wir hatten schon alles geplant. Mein Mann hatte vor, das entsprechende Grundstück zu kaufen und das notwendige Gebäude bauen zu lassen«, erzählt Müller. So sollte, wie Müllers Mann Andreas ergänzt, ein Ärztezentrum mit Allgemein- und Facharztangebot entstehen sowie drei altersgerechte Wohnungen. Architekt und Notar hatten bereits die Arbeit aufgenommen und auch das Rathaus war informiert. Dort stand man dem Plan ebenfalls wohlwollend gegenüber, erzählt die Medizinerin.
Das ist nun etwa zwei Jahre her, geschehen ist bislang aber wenig. Im Laufe der Planungen brachte Müllers Architekt eine Förderung des Projekts ins Gespräch. Dies habe die Stadt aufgegriffen und mehrere Fördermöglichkeiten der Programme »LEADER« oder »Lebendige Zentren« ins Spiel gebracht. »Von städtischer Seite war man sich sehr sicher, dass eine Förderung machbar ist«, erinnert sich Yvonne Müller. Es kam anders. Anderthalb Jahre dauerte die Beantragung der Förderung, und selbst dies sei, so Müller, fast schiefgegangen. Denn erst auf Hinweis habe die Verwaltung kurz vor Fristende den Antrag eingereicht. Allerdings für den falschen Fördertopf, wie das Ehepaar nun weiß. Dieser sei, so Müller, nur für die Förderung von Altbauten, nicht für Neubauten, vorgesehen gewesen. Diesen Ablehnungsgrund erfuhren sie im Nachgang aber nur durch wiederholtes Nachfragen an verschiedenen Stellen. Eine offizielle Stellungnahme oder die Möglichkeit, den abgelehnten Bescheid einzusehen, gab es nie.
Unterstützung vonseiten der Stadt erhielt das Ehepaar danach nur noch, indem man ihm zwei Berater zur Seite stellte. Es ging um ein Ausloten anderer Fördermöglichkeiten. Doch die einzige Aktivität dieser Berater innerhalb der folgenden zwei Monate bestand im Vorschlag, den tatsächlichen Hausarztbedarf für Ortenberg anhand einer Erhebung zu ermitteln, so Müller frustriert.
Zinswende und steigende Kosten
Auch auf anderen Ebenen blieb die Stadt die aus Müllers Sicht nötige Unterstützung schuldig. So wäre für die Erschließung des geplanten Baugrundstücks über den Marktplatz die Eintragung einer entsprechenden Baulast ins Grundbuch notwendig gewesen. Aber weder dies noch eine vorbereitende Magistratsentscheidung sei trotz mehrfacher Nachfrage, zuletzt sogar über den Wetteraukreis, erfolgt.
Mittlerweile ist der Neubau für Müllers ohne eine entsprechende Förderung nicht mehr zu bewältigen. »Die Zinswende verbunden mit den steigenden Kosten für Baumaterial und Arbeit lassen dies nicht mehr zu«, stellt das Ehepaar klar. Vor diesem Hintergrund ist die Enttäuschung und Verärgerung bei ihnen groß. Nicht nur weil sie bislang 20 000 bis 30 000 Euro in das Projekt investierten, die nun wohl verloren sind, sondern weil sie nicht verstehen können, wie die Stadt eine langfristige Sicherstellung eines hausärztlichen Angebots vor Ort so leichtfertig verspielen könne. »Das ist aus unserer Sicht höchst unprofessionell«, erklären sie. Während andere Kommunen Ärzte bei der Bindung an einen Standort nach Kräften unterstützten, hätte es von Ortenberg lediglich das Angebot eines kleinen Kontingents Parkplätze auf dem Marktplatz gegeben, die man - mit einem entsprechenden Abschlag - auch noch hätte kaufen müssen.
So sieht Yvonne Müller für sich mittelfristig nur die Suche nach einem neuen Standort. Zumal der Eigentümer der Räume absehbar zumindest teilweisen Eigenbedarf angekündigt hat. Traurig, wie sie findet, denn mit einem Altersschnitt der Ortenberger Hausärzte von 58 Jahren und zwei der vier praktizierenden Ärzte im Rentenalter bestehe hier dringend Handlungsbedarf.
Die Stadt Ortenberg wollte auf Nachfrage zu dieser Angelegenheit nicht Stellung nehmen.
