Aus der Traum vom Eigenheim? - Für Durchschnittsverdiener wird es schwierig
Hohe Zinsen machen das Eigenheim für viele Menschen zunehmend unbezahlbar. Diese Entwicklung bemerken auch die Bad Nauheimer Maklerinnen Andrea Kalle und Simone Georg-Felver.
Für junge Familien ist es momentan schwierig«, sagt Andrea Kalle, Geschäftsstellenleiterin bei von Poll Immobilien in Bad Nauheim. Aufgrund der Zinsanhebung habe sich die Rate nahezu verdoppelt. Deshalb würden die Banken strenger prüfen, wem sie einen Kredit gewähren.
Vor der Energiekrise war der Zins extrem niedrig, ein Kredit erschwinglich und damit die Käuferzahl hoch, sagt Simone Georg-Felver, Immobilienfachwirtin bei Century 21 Kurpark Immobilien in Bad Nauheim. Nun sei der Zinssatz hoch und damit die Käuferzahl wieder rückläufig. Simone Georg-Felver: »Wenn ich einen Null-Komma-Zins hatte und nun einen vierprozentigen Zins, dann ist das ein Unterschied.«
Wer sich in den letzten Jahren ein Haus für 500 000 Euro leisten konnte, könnte sich heute vielleicht nur noch eine Immobilie für 400 000 Euro leisten. Trotzdem rät Georg-Felver jedem, der kann, in eine Immobilie zu investieren. Denn beim Mieten gehe Geld verloren, das bei der Ratenzahlung in Eigentum übergehe. Die Maklerin habe auch schon mit einem Zinssatz von fünf bis zehn Prozent gearbeitet.
Der steigende Leitzins sei eine Antwort der Europäischen Zentralbank (EZB) auf die zunehmende Inflation, erklärt Andrea Kalle. Aufgabe der EZB ist eine Preisstabilität im Euroraum. Die Energiekrise hat die Produktionskosten in der Industrie insgesamt ansteigen lassen. Durch die Anhebung der Leitzinsen können sich sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen weniger leisten. Die Nachfrage sinkt. Der Angebotspreis muss, trotz begründeter Teuerung, zwangsläufig nachziehen. Mit diesem Effekt soll der Inflation entgegengewirkt werden.
Auf und ab in der Corona-Pandemie
In der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 habe eine Schockstarre den Immobilienmarkt getroffen. Zum ersten Mal seit dem Eintritt in die Selbstständigkeit 1999 hatte Andrea Kalle mit Existenzängsten zu kämpfen. »Im Mai hat sich das um 180 Grad gedreht«, sagt die Maklerin zur gestiegenen Nachfrage. Der Wunsch nach einem Eigenheim mit Garten und der Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten sei in den Hochphasen der Pandemie stark gewachsen.
Manche hätten sich eine große Immobilie gekauft und erst später gemerkt, wie ihnen die Kosten oder die Hausarbeit über den Kopf steige. Neben klassischen Gründen wie Scheidung, Tod und berufliche Veränderungen seien überstürzte Käufe in der Corona-Pandemie ein Grund, warum wieder mehr inseriert werde.
Außerdem spielten politische Maßnahmen zur energetischen Sanierung von Altbauten eine wichtige Rolle, sagen die Maklerinnen. Beispielsweise würden vermehrt Häuser verkauft, bei denen der Austausch der Heizung oder der Fenster anstehe, um hohen Kosten für eine Instandsetzung zuvorzukommen.
Preisentwicklung in Bad Nauheim
In den letzten zehn bis 15 Jahren sei der Wert von Immobilien zunächst stetig angestiegen, sagt Andrea Kalle. Von anfangs 4000 bis 4400 Euro für einen Quadratmeter Wohnfläche in der Kernstadt von Bad Nauheim auf circa 6000 Euro beim Erstbezug.
Im Verlauf der derzeitigen Krisen habe aber wieder ein Preisabstieg eingesetzt. Manche Eigentümer versuchten, ihre Immobilie noch zum Preis vor der Zinsanhebung zu verkaufen. In vielen Fällen sei das aber nicht mehr möglich, sagt Andrea Kalle. Gleiches erlebt auch Simone Georg-Felver. Aber: »Wenn der Eigentümer sich auf uns verlässt und wir als Team arbeiten, wird jede Immobilie verkauft.«
Trotzdem könnten sich die Maklerinnen nicht über einen Einbruch im Geschäft beschweren. Die Verkäufe liefen weiter gut. Denn Bad Nauheim sei aufgrund seiner guten Infrastruktur und Nähe zu Frankfurt weiter sehr beliebt. Zumal die Preise in Bad Nauheim doch noch günstiger seien als in der Großstadt. »Bad Nauheim wird aus unserer Sicht eine Wertstabilität behalten«, sagt Andrea Kalle. Leisten könnten sich die Immobilien aber auch in der Kurstadt zunehmend nur noch Haushalte mit überdurchschnittlichem Einkommen.
Zinsanstieg wirkt sich auf Immobilien und Mietwohnungen aus
»Der Anteil des erschwinglichen Wohnungsangebots hat sich im Jahr 2022 deutlich reduziert«, heißt es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Die einkommensstärksten 20 Prozent hätten sich Ende des Jahres nur noch 47 Prozent der angebotenen Einfamilienhäuser leisten können. Anfang 2022 seien es noch 62 Prozent gewesen. Für einen Median-Einkommenshaushalt habe der Anteil sogar von 40 auf 28 Prozent abgenommen.
Gleichzeitig seien deutlich mehr Inserate auf Online-Plattformen eingegangen - 60 Prozent mehr Ein- und Zweifamilienhäuser und 41 Prozent mehr Eigentumswohnungen. Die Preise für Immobilien seien weitgehend gleich geblieben, obwohl die Kaufkraft abgenommen habe. Auch Mieter seien betroffen. Da weniger gekauft werde, wachse bei Mietwohnungen die Nachfrage: »Die inserierten Mietpreise sind in diesem Jahr wieder stärker gestiegen als in den Vorjahren.«