Bad Nauheim: »Ich muss schreiben« - Azita Tayebi aus dem Iran bringt drittes Buch heraus

Azita Tayebi ist vor Jahren aus dem Iran nach Deutschland geflohen. Jetzt hat sie ihr drittes Buch geschrieben. Sie erzählt davon und, welches Ereignis sie beim Schreiben aus der Bahn geworfen hat.
Azita Tayebi hasst Liebesromane und liebt Krimis. Die Iranerin, die in Bad Nauheim lebt, ist der Meinung: »Was in Büchern über Liebe geschrieben wird, ist nicht real.« Auch deshalb ist ihr neues Buch »Ich will nur vernichten« ein Kriminalroman. Das steht in weißen Lettern auf dem Cover. Es ist das dritte Buch, das die 30-Jährige geschrieben hat, seitdem sie vor sieben Jahren nach Deutschland geflohen ist. Diesmal spielt sich die Handlung nicht in ihrer alten, sondern in Tayebis neuer Heimat ab.
»Das Buch spielt in Berlin«, sagt Tayebi. »Ich war nur einmal in Berlin bei einem Protest, konnte aber diese wunderschöne Stadt leider nicht besichtigen.« Ihre ersten Bücher - »Was zählt schon das Leben einer Frau? Gefängnis Iran« und »Töten für Paradies« - spielen im Iran und handeln von der Kriminalität dort, sagt die Autorin. Doch diesmal habe Tayebi sich gesagt: »Ich bin jetzt in Deutschland, wenn ich mit meinen Büchern Geld verdienen will, muss ich über Deutschland schreiben.«
Bad Nauheim: Den ganzen Sommer über geschrieben
Der Kriminalroman handelt von Nicole, die sich in Peter verliebt und von ihm schwanger wird. Doch er will kein Kind mit ihr und tötet das ungeborene Baby. Später wird Peter freigesprochen. Und Nicole schwört, sich an allen zu rächen, die je böse zu ihr waren. »Böses mit Bösem vergelten«, nennt Azita Tayebis Hauptfigur das.
An dem Buch hat die 30-Jährige im vergangenen Sommer gearbeitet. Obwohl sie, wie Tayebi sagt, den Sommer liebt, hat sie nur drinnen gesessen und geschrieben. Ihre Mutter habe gesagt: »Kind, geh’ doch mal raus, ein Eis essen.« Aber sie habe nur erwidert: »Ich bin eine Autorin, ich muss schreiben.« Doch was dann geschah, hat Tayebi zutiefst schockiert: Mahsa Amini ist im September nach ihrer Festnahme durch die iranische Sittenpolizei gestorben. Viele sagen, sie sei ermordet worden. Die Folge: weltweite Empörung und Proteste, vor allem im Iran.
Bad Nauheim: »Wir Iraner hier wollen Stimme unseres Volkes sein«
»Mir ging es nicht gut«, sagt Tayebi. »Ich war sehr traurig, konnte nicht mehr schreiben.« Deshalb wird sie auf Instagram aktiv, postet in Solidarität mit den Frauen in ihrer Heimat. Azita Tayebi sagt: »Wir Iraner wollen hier die Stimme unseres Volkes sein.« Als Tayebi 17 Jahre alt war, hat auch sie in ihrer alten Heimat demonstriert. »Ich war schon mutig«, sagt sie heute. Doch was die Frauen im Iran jetzt machten, sei mutiger. »Ich hätte nie mein Kopftuch verbrannt.«
Die 30-Jährige, die mittlerweile in Bad Nauheim wohnt, glaubt daran, dass die iranischen Bürger die islamische Regierung vernichten können. Und daran, dass Menschen wie sie dann wieder in ihre Heimat zurückkehren können.
Bad Nauheim: Azita Tayebi übt Kritik an iranischer Regierung
»Sie hassen Menschen wie mich«, sagt Tayebi über die Regierung. Aktuell darf sie nicht zurück, sagt sie, weil sie im Iran politisch aktiv war und verfolgt wurde. Und, weil sie Bücher gegen die islamische Regierung schreibt. »Das gefällt ihnen gar nicht. Sie wollen nicht, dass ihre Kriminalität gehört wird.«
Wäre sie dort, sagt Tayebi, würde sie auch auf der Straße protestieren. Etwas für die Freiheit tun. Vier Monate habe sie nicht an ihrem Buch weiterschreiben können. »Ich habe so viel geweint und mich manchmal geschämt«, sagt sie. Sie habe sich gefragt, warum sie lebt, während so viele andere ermordet worden seien. »Ich bin hier und kann nichts tun«, sagt sie. »Wäre ich dort und tot, könnte ich aber auch nichts tun.«
Bad Nauheim: Autorin lernt seit sieben Jahren Deutsch
Seit Januar ist sie fertig mit ihrem Buch. 100 Seiten - nicht aus ihrer Muttersprache übersetzt, sondern auf Deutsch geschrieben. Eine Sprache, die sie seit sieben Jahren lernt. Es gebe noch viele Wörter, die sich für sie fremd anfühlten. »Ich muss noch viel lernen«, sagt Tayebi. Seit sie 14 Jahre alt ist, schreibt sie. »Eines Tages werde ich erfolgreich sein«, sagt sie sich selbst und zu ihrer Familie. »Ich möchte sie stolz machen und damit Geld verdienen.« Die 30-Jährige ist dankbar, in Deutschland ihren Traum leben zu können: Autorin sein. Doch sie hat noch weitere Träume: Der erste ist, dass der Iran von der islamischen Regierung befreit wird, dass Frauen machen können, was sie wollen, dass die Moralpolizei für immer verschwindet.
Ihr zweiter großer Traum? »Dass ich bald zurückkehren und ohne Kopftuch durch die Straßen laufen kann.«
Das Buch: »Ich will nur vernichten«
Wer Azita Tayebis neues Buch »Ich will nur vernichten« - oder einen ihrer anderen Romane lesen möchte - kann sie bei Amazon herunterladen. Zu finden sind sie über den Autorennamen oder den Buchtitel. Im Klappentext zum neuen Krimi heißt es: »Ich steckte meinen Make-up-Pinsel in sein Blut und als der Pinsel ganz rot wurde, schrieb ich an die Wand in groß Buchstaben: ICH WILL NUR VERNICHTEN. Als ich das Hotel verließ, sahen alle Leute nur eine wunderschöne junge Frau, die sich sehr elegant angezogen hatte. Keiner wusste, dass ich gerade einen Menschen getötet habe und keiner würde es glauben. Denn die Leute denken immer falsch und sie beurteilen Menschen nach ihrem Aussehen. Sie haben gar keine Ahnung, wer wirklich der Böse und wer wirklich der Gute ist.«