Bad Nauheim: Live-Übertragung nach Kuba - Unmögliches von »Leosvel & Diosmani«

Wer neue Herausforderungen sucht, sollte sich die Darbietung von »Leosvel & Diosmani« beim Internationalen Ovag-Varieté im Jugendstiltheater anschauen.
Beim Schlusstrick ihrer Darbietung hält sich Leosvel mit beiden Händen am sogenannten Chinesischen Mast fest und streckt seinen Körper horizontal zu einer menschlichen Flagge. Derweil stellt sich sein Partner, Diosmani, auf seine Rippen. Als sei das nicht genug, zelebriert dieser dann noch einen einarmigen Handstand. Zugegeben: Die Sache mit der Herausforderung ist ein schaler Witz.
Denn: »In dieser Übung«, sagt der 41-jährige Leosvel Almeida, steckt eine Arbeit, die im Prinzip bis in mein achtes Lebensjahr zurückführt, als ich mit dem Leistungsturnen begann. Das ist ein lebenslanges Training, Verzicht, ständige Diät, Verletzungen, Schmerzen - und bisweilen die Einnahme von Schmerzmitteln, weil ich sonst nicht auftreten könnte.«
Ovag-Varieté in Bad Nauheim: Luftkuss an die Eltern
Von all dem merkt das Publikum natürlich nichts. Es ist nicht nur die schiere Unmöglichkeit eines körperlichen Herkules-Akts, sondern auch die scheinbare Leichtigkeit mit der »Leosvel & Diosmani« die Besucher regelrecht aus dem Häuschen bringen. »In den 19 Jahren, in denen die Ovag das Varieté veranstaltet, gab es das noch nie«, versichert Pressesprecher Andreas Matlé: Dass die Zuschauer nach einer einzelnen Darbietung sich zu einer Ovation erheben.«
Ganz angetan waren dieser Tage auch die Eltern von Leosvel, Bienvenido Almeira und Rosa Gutierrez, die dank Handy-Übertragungstechnik im fernen Kuba Zeuge der Begeisterung wurden, die ihr Sohn und sein Partner in Bad Nauheim verursachen. Klare Sache - beim Abgang schickte Leosvel ein Luftküsschen an die Eltern hoch in jene Loge, von der aus die Fernbilder aufgenommen wurden.
»Meine Eltern«, sagt Adonis Leosvel, »bedeuten alles für mich. Sie sind der einzige Grund, warum ich gelegentlich noch nach Kuba zurückkehre. Ihnen verdanke ich alles, was ich bin.«
Ovag-Varieté in Bad Nauheim: Eltern verdienten 10 Dollar im Monat
Geboren ist Leosvel in Pinar del Rio, etwa 140 Kilometer von der Hauptstadt Havanna entfernt. »Es waren harte Zeiten, Armut, Güter des alltäglichen Lebens waren knapp. Meine Eltern verdienten gerade mal zehn Dollar im Monat. Kommunismus und Fidel - das war unsere Religion. Man bekam schnell ein Gespür dafür, was man sagen durfte und was nicht.«
Das änderte sich, als Leosvel im Alter von zwölf Jahren ins Turn-Nationalteam Kubas und damit in einer Art Sportinternat aufgenommen wurde. »Da traf man andere Turner, die im Ausland an Wettkämpfen teilgenommen hatten und die erzählten, was dort alles möglich war.«
Ovag-Varieté in Bad Nauheim: 2010 erstmal in Europa
Dann ein schwerer Rückschlag im Jahr 2000: Ein Unfall im Training, Operation am Nacken, ein Jahr im Bett, Zweifel, ob er die Rückkehr in den Leistungssport schaffen würde. Aber er kam mit Hilfe eines Physiotherapeuten wieder auf die Beine, kehrte in die alte Schule zurück, traf dort auf Artisten, die die Welt bereisten. »Das wollte ich auch.« Aber viele wollten das, bis die Regierung dem einen Riegel vorschob, weil damit das Turnteam auszubluten drohte.
Leosvel jedenfalls schaffte den Absprung, arbeitete zunächst in einem Trio und auf dem Trapez bis er in Diosmani Aguero seinen kongenialen Partner fand. Es dauerte nicht lange, bis Leosvel und Diosmani ihre Weltnummer aufgebaut hatten. 2010 wurden sie damit erstmals in Europa, in den Niederlanden, verpflichtet und seitdem ist kaum ein Monat - die Corona-Zeit einmal ausgeblendet - vergangen, in dem sie nicht im Engagement standen.
Wie ist da so, jeden Tag mit einem Partner zu trainieren, zwei- bis dreimal aufzutreten? »Manchmal kracht es natürlich auch zwischen uns. Dann sagen wir uns die Meinung, gehen uns ein paar Stunden aus dem Weg und vertragen uns wieder.«