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Baugebiet »Am Holzberg« in Bad Nauheim« Gutachten widerspricht Anwohnern

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Von: Petra Ihm-Fahle

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Im Rödgener Neubaugebiet »Am Holzberg« steht die Arbeit nicht still, obwohl Anwohner geklagt haben. Laut Rathaus ist die Klage unbegründet gewesen. © Petra Ihm-Fahle

Erneut musste der Bad Nauheimer Bauausschuss den Bebauungsplan für das Neubaugebiet »Am Holzberg« beschließen. Es ging um befürchteten Lärm und eine schallschutztechnische Stellungnahme.

Einstimmig beschlossen!«, stellte Albert Möbs (CDU), der stellvertretende Bauausschussvorsitzende, fest. In der Sitzung im Bad Nauheimer Rathaus ging es jüngst um das Neubaugebiet »Am Holzberg« im Stadtteil Rödgen, über dessen Bebauungsplan der Ausschuss neu befinden musste. Hintergrund ist der Unwille vieler Anwohner, die das neue Baugebiet mit großer Skepsis betrachten. In ihren Augen kommen unliebsame Veränderungen auf sie zu, vor allem wegen der Straßenverkehrs- und Lärmbelastung. Deshalb protestierten sie schon frühzeitig gegen die Pläne. Ein Anwohner reichte 2021 einen sogenannten Normenkontrollantrag beim Verwaltungsgerichtshof Kassel ein, zudem einen Antrag auf einstweilige Verfügung (diese Zeitung berichtete). Nun lag ein schalltechnisches Gutachten vor.

Gutachten: Kaum zusätzlicher Lärm

Blick nach Rödgen, wo die Bauarbeiter am Werkeln sind. Von einstweiliger Verfügung war und ist nichts zu erkennen, was folgenden Grund hat: Das Gericht hatte ein Ermittlungsdefizit beim Lärmschutzgutachten für möglich gehalten. Allerdings setzte es weder den Bebauungsplan außer Kraft noch veranlasste es einen Baustopp. Auf Nachfrage dieser Zeitung im Rathaus, wieso das so war, antwortet Fachdienstleiter Matthias Mroncz, dass der Antrag des klagenden Bürgers unbegründet gewesen sei. Die Stadt habe gleichwohl ein ergänzendes Verfahren eingeleitet und eine Stellungnahme durch das Büro Firu (Kaiserslautern) erstellen lassen. Wie daraus hervorgeht, sei die Zunahme an Lärm »nicht wesentlich«. Die Gutachter bezogen eine Vielzahl von Daten ein, um zu diesem Resultat zu kommen. Darunter waren Ergebnisse einer Verkehrszählung der Stadt aus dem Juli außerhalb der Sommerferien. Simulationen der Schallausbreitung in einem digitalen Geländemodell bauten darauf auf.

Anwohner hält Gutachten für einen Witz

Anwohner Dr. Jürgen Nehler lacht kurz auf, als ihn diese Zeitung auf den befürchteten Lärm anspricht. »›Befürchten‹ ist gut«, sagt er. Er blickt zurück: »Bei der öffentlichen Beteiligung zum Bebauungsplan hatten sehr viele Anwohner mitgemacht und erfahren, dass ihre Einwände in Bausch und Bogen abgeschmettert wurden.« Das Stichwort dabei lautet »Abwägungen«. In deren Rahmen beantwortet das Rathaus die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange und von Bürgern. Anschließend legt sie das Papier den parlamentarischen Gremien vor, die darüber beschließen. In Sachen »Holzberg« ging es auf 167 von 191 Seiten um die Stellungnahmen der Bürgerinnen und Bürger, ein Teil hatte den gleichen Wortlaut.

Die Zurückweisung vieler ihrer Argumente mit »Pauschalantworten« verärgerte die Anwohner, wie Nehler erklärt: »Wir haben uns das nicht bieten lassen und haben geklagt.« Seines Erachtens liegt die Klage noch bei Gericht, was die Stadtverwaltung anders sieht. Fachdienstleiter Mroncz unterstreicht: »Dass weitere Verfahren oder gar Klagen beim Gericht anhängig sind, trifft nicht zu.«

Anwohner Nehler hält das Gutachten »schlicht für einen Witz, weil die Häuser schlussendlich noch gar nicht bewohnt sind«. Wettertal- und Römerstraße sind seiner Ansicht nach völlig unzureichend für die Aufnahme der erwarteten Zahl an zusätzlichen Kraftwagen. Dies auch, weil Wettertalschule und Kindertagesstätte »Pusteblume« in der Wettertalstraße liegen. »Rund 40 neue Häuser, das macht circa 80 Pkw und mehr. Man kann sich ausrechnen, was frühmorgens ist, wenn die alle zur Arbeit müssen, die Kinder zur Schule und zur Kita bringen. Es ist jetzt schon chaotisch mit den Lkw, ein unzumutbarer Zustand. Wir bereuen, nicht viel lauter protestiert zu haben«, betont der Bürger.

Laut Nehler waren die Anwohner nicht gegen das Wohngebiet, sondern gegen die Art der Erschließung. Es gebe seiner Ansicht nach Lösungen, welche die Nachbarn auch vorgeschlagen hätten: »Eine ordentliche Zufahrtstraße zu bauen.« Das Verkehrsgutachten sei »dilettantisch« ausgeführt, betont er. Dass der rückwirkende Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan jetzt erfolgte, wusste nach Ansicht von Nehler »kein Mensch«. Am Donnerstag, 8. Dezember, steht das Thema auf der Tagesordnung des Stadtparlaments (19.30 Uhr, Trinkkuranlage).

38 Bauplätze an historischem Ort

38 Bauplätze entstanden im Neubaugebiet »Am Holzberg« in Rödgen auf 26 000 Quadratmetern. Die Firma Faber & Schnepp entwickelte das Bauprojekt. Das Energiekonzept basiert auf Fotovoltaik, Solarthermie und Kalter Nahwärme. Verantwortlich zeichnen dafür die Stadtwerke Bad Nauheim. Im Zuge der Erschließung gruben Archäologen letzte Reste eines frühen römischen Versorgungslagers aus der Zeit der Drusus-Feldzüge aus. Eines unrühmlichen Teils Rödgener Geschichte gedachten Ortsbeirat und Stadt durch die Benennung der Martha-Lesse-Straße. Familie Lesse war jüdisch und während des Dritten Reichs vertrieben worden. Große Teile des Landes gehörten damals den Lesses. Die zweite neue Straße heißt Kornblumenweg.

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