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Waldorfschule in Bad Nauheim: Doch massive Probleme mit Maßnahmen-Gegnern?

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Von: Christoph Agel

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An der Freien Waldorfschule Wetterau in Bad Nauheim stehen laut Schulleitung und Geschäftsführung die allermeisten Schüler, Eltern und Mitarbeiter hinter den Corona-Regeln. Bald nach Beginn der Pandemie habe sich aber auch gezeigt, dass nicht alle an einem Strang ziehen. (Archiv)
An der Freien Waldorfschule Wetterau in Bad Nauheim stehen laut Schulleitung und Geschäftsführung die allermeisten Schüler, Eltern und Mitarbeiter hinter den Corona-Regeln. Bald nach Beginn der Pandemie habe sich aber auch gezeigt, dass nicht alle an einem Strang ziehen. (Archiv) © Nicole Merz

Mit Impfgegnern gebe es keine Probleme an der Freien Waldorfschule Wetterau in Bad Nauheim, hieß es im Dezember 2021. Nun stelllt sich heraus: Die Lage doch nicht so entspannt.

Bad Nauheim - Mit »Zu viele Corona-Fälle an der Waldorfschule Wetterau« war der Artikel am 8. Dezember in der gedruckten WZ überschrieben (hier die Online-Version). Es ging darin um die zwischenzeitliche Rückkehr in den Distanzunterricht für die Klassen 1 bis 9. Laut Kreisgesundheitsamt hatten sich 46 der etwa 420 Schüler der Bad Nauheimer Schule mit dem Virus infiziert.

Astrid Stark, Geschäftsführerin der Freien Waldorfschule Wetterau, hatte damals mitgeteilt, in der Schule gebe es keine Probleme mit Impfskeptikern oder -gegnern. Die Schulleitung halte sich an die staatlichen Corona-Regeln, Widerstand dagegen sei bislang nicht laut geworden. Einen Teil dieser Aussagen will ein Elternteil, das anonym bleiben möchte, so nicht stehen lassen. Es gebe sehr wohl Probleme mit Kritikern der Maßnahmen. Zu den Schilderungen des Elternteils siehe den unteren Abschnitt dieses Artikels. Hier nehmen nun Stark und Schulleiterin Melanie Spiesberger Stellung.

Vorwurf 1: Es gebe massive Probleme mit Kritikern der Maßnahmen bis hin zu Verweigerern, die seit bald zwei Jahren ihre Kinder nicht in die Schule brächten.

Schon bald nach Beginn der Corona-Pandemie habe sich gezeigt, dass ein geringer Anteil von Eltern und Mitarbeitern den Corona-Schutzmaßnahmen kritisch gegenübergestanden habe, teilen Stark und Spiesberger mit. »Diese kleine Minderheit versucht bis heute, uns als Schulleitung unter Druck zu setzen und ihre Anliegen durchzusetzen. Ihre Anliegen sind: Ablehnung von Masken, Testungen und Impfung.« Dem gegenüber stehe von Anfang an eine große Mehrheit aufseiten der Eltern- und Schülerschaft sowie der Mitarbeiter, »die genau wie wir als Schulleitung die Maßnahmen befürworten und umsetzen, um den bestmöglichen Schutz aller Beteiligten zu ermöglichen«.

Vorwurf 2: Die Mitgliederversammlung sei ein Rieseneklat gewesen, bei dem sich Eltern aus der »Querdenker«-Szene in den Aufsichtsrat hätten »putschen« wollen.

Wie Stark und Spiesberger erläutern, stand in dieser Mitgliederversammlung die Wahl eines neuen Aufsichtsratsmitglieds an. Ein Mitglied habe behauptet, dass ein Formfehler begangen worden sei - »mit der Absicht, eine weitere Person spontan zur Wahl aufzustellen«. Daraufhin sei eine längere Diskussion entstanden - »mit dem Ergebnis, dass die Wahl durchgeführt wurde und der Kandidat, der ursprünglich zur Wahl gestanden hat, gewählt wurde. Im Nachgang haben wir uns rechtlich abgesichert und sind in unserem Vorgehen bestätigt worden.«

Vorwurf 3: Eine Zahl von über 70 Maskenattesten sei genannt worden.

»Uns liegen zum jetzigen Zeitpunkt 71 Atteste für eine Maskenbefreiung aus der Schülerschaft vor«, teilen Schulleiterin und Geschäftsführerin mit. »Da uns dieser Anteil zur absoluten Schülerzahl im Vergleich mit anderen Schulen sehr hoch erscheint, haben wir bereits im Dezember im Zusammenhang mit der Teilschulschließung diesbezüglich Kontakt mit unserem zuständigen Gesundheitsamt aufgenommen, mit dem Ergebnis, dass die Atteste dem Gesundheitsamt vorgelegt und von diesem geprüft werden. Dieser Vorgang läuft aktuell, wir warten auf entsprechende Rückmeldung und Anweisung vom Gesundheitsamt.«

Vorwurf 4: Auf Elternabenden hätten Eltern im Zusammenhang mit Corona-Regeln von einem faschistoiden System und von Körperverletzung an den Kindern gesprochen.

Wenige, aber oft sehr lautstarke Eltern hätten keine Scheu gezeigt, auch Elternabende als Forum für ihre Überzeugungen zu missbrauchen, heißt es. »Für die anwesenden Lehrer war es eine teilweise unzumutbare Herausforderung, diese Elternabende konstruktiv zu moderieren.«

Vorwurf 5: Eltern seien ohne Maske in die Schule gegangen, hätten Lehrer zur Rede gestellt.

Dazu Stark und Spiesberger: »Wir haben Kenntnis von zwei Müttern, die hartnäckig die Maskenpflicht und das Betretungsverbot des Schulgebäudes ignoriert haben. Es bedarf mehrerer Ansprachen bis hin zur Drohung mit dem Ordnungsamt, bis beide Personen die Regeln akzeptiert haben.«

Vier Kinder langfristig abgemeldet

Vier Kinder aus drei Familien seien an der Freien Waldorfschule Wetterau in Bad Nauheim langfristig vom Präsenzunterricht abgemeldet - von insgesamt 542 Schülern, teilen Geschäftsführerin Astrid Stark und Schulleiterin Melanie Spiesberger mit. »Diese Eltern haben ihr Recht diesbezüglich wahrgenommen, es so zu entscheiden, und übernehmen damit auch die Verantwortung für alle Folgen, die sich für ihre Kinder dadurch ergeben. Wir bedauern das Fernbleiben der Kinder sehr«, heißt es in der Stellungnahme. Stand 14. Januar habe die Schulleitung Kenntnis von drei PCR-positiv bestätigten Fällen in der Schülerschaft. Lehrer und sonstige Mitarbeiter seien alle gesund.

Elternteil übt Kritik an manchen anderen Eltern

Einige der Aussagen von Geschäftsführerin Astrid Stark im Dezember über den Umgang mit Corona-Regeln an der Freien Waldorfschule Wetterau in Bad Nauheim wollte ein Elternteil, dessen Kind diese Schule besucht, so nicht stehen lassen. Die Person möchte anonym bleiben und soll in diesem Artikel anders, nämlich Müller, genannt werden. Mit den Vorwürfen in Richtung einer Minderheit aus der Elternschaft konfrontiert, haben Stark und Schulleiterin Melanie Spiesberger Stellung genommen (siehe oben). Hier nun die vorangegangenen Vorwürfe seitens des Elternteils.

»Selbstverständlich gibt es an unserer Schule massive Probleme mit Kritikern der Maßnahmen bis hin zu Verweigerern, die seit bald zwei Jahren ihre Kinder nicht in die Schule bringen«, beklagt Müller. »Die Mitgliederversammlung der Schule war ein Rieseneklat, bei dem sich Eltern aus der »Querdenker«-Szene - sie nannten sich ›Selbstdenker‹ - in den Aufsichtsrat ›putschen‹ wollten. Eine Zahl von über 70 Maskenattesten wurde kürzlich über die Netzwerke genannt.«

Zwei Dinge seien hier erwähnt: Mit der Schulleitung hat Müller laut eigenen Aussagen kein Problem. Und: Müller selbst sieht sich als kritischer Geist, möchte keine Pauschalurteile fällen und nicht behaupten, dass die Regierung immer alles richtig mache.

»Ich nehme Corona von Anfang an äußerst ernst«, sagt das Elternteil. Allerdings seien Kindern bereits Tests und Masken zugemutet worden, als man Erwachsenen noch mehr Freiheiten zugestanden habe.

Von einem faschistoiden System sei die Rede gewesen

Das kritische Denken mache die Waldorfpädagogik aus, sagt Müller. Doch es gebe an der Schule auch Eltern, die eher den »Querdenkern« zuzurechnen seien. Die hätten nichts mit der Waldorf-Idee gemeinsam, sondern es handele sich um Eltern, die ihre Kinder einfach in der »Bubble«, der Blase einer Privatschule aufgehoben wissen wollten. »Es ist eine absolute, aber sehr laute Minderheit an der Waldorfschule«, sagt Müller mit Blick auf die Eltern, die er dem »Querdenker«-Spektrum zurechnet. Auf Elternabenden hätten Eltern im Zusammenhang mit Corona-Regeln von einem faschistoiden System und von Körperverletzung an den Kindern gesprochen. Eltern seien ohne Maske in die Schule gegangen, hätten Lehrer zur Rede gestellt. Über den angeblich zu hohen Kohlendioxid-Anteil in der Luft unter der Maske sei geklagt worden, Kinder seien weiter ohne Maske zur Schule gegangen, obwohl es schon einen Corona-Ausbruch gegeben habe.

Ohne Maske in die Schule

Der Aufsichtsrat habe sich klar positioniert, habe beklagt, dass diffamierende E-Mails an die Schulleitung gesendet worden seien, sagt Müller. »Die Schule ist mit den Maßnahmen sehr bewusst umgegangen.« Sie habe sehr gut auf den Schutz vor Corona geachtet, sagt Müller. Es habe Unterricht an der frischen Luft gegeben, man sei mit den Eltern im Gespräch geblieben. »Es gab auch Lehrer, die da anders aufgetreten sind, aber die Leitungsriege dieser Schule war immer konform mit den vorgegebenen Maßnahmen.«

Müller stört sich also nicht an der Schule an sich, sondern am Verhalten mancher Eltern in der Pandemie. Dem Elternteil geht es nicht darum, dass jede Corona-Regel komplett sinnvoll sei. Und in einen Topf solle man die Kritiker schon gar nicht werfen. Aber die Fakten, die müsse man doch sehen, auch als kritischer Geist. »Die Anthroposophie, aus welcher die Waldorfschule hervor gegangen ist, sah sich immer als Ergänzung der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse.«

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