Das Leben ist zurückgekehrt

Bad Nauheim hat viele Highlights 2022 erlebt. Bürgermeister Klaus Kreß zieht auch persönlich eine positive Jahres-Bilanz, spricht aber auch über Schattenseiten einer schweren Zeit.
Als zwei WZ-Redakteure im Oktober ihren Song-Beitrag zur Bad Nauheimer Kerb auf dem Autoscooter-Parkett präsentierten, hat Klaus Kreß mit Stadtrat Klaus »Mausi« Englert in der ersten Reihe sanft geschunkelt und später von »Emotionen pur« gesprochen. Doch natürlich hat der Bürgermeister dieses kurze Zwischenspiel nicht genannt, als er zu seinen Highlights in Bad Nauheim im Jahr 2022 befragt wurde. »Dass die Nauheimer Kerb wieder stattfinden konnte und so toll angenommen wurde, war aber ein Riesenereignis für unsere Stadt in diesem Jahr«, betont er.
Überhaupt habe es in den letzten zwölf Monaten viele erfreuliche Dinge gegeben, die ihn selbst enorm bewegt hätten. Kreß erinnert sich da zuerst an das Richtfest der Therme, bei dem viele Ehrengäste und Bürger sehen konnten, »dass wir im Zeitplan sind«. Dass sich das Projekt Tiefgarage entwickelt, dass das Hotel im Entstehen sei, die Gastronomie und natürlich die tolle Badelandschaft. Nun soll im Jahr 2023 die Therme schon ihre Pforten öffnen.
»Ein persönlicher Höhepunkt war für mich auch die Kino-Eröffnung«, erinnert sich der Bürgermeister. Die »FilmBühne« im alten »Terminus« in der Kurstraße bezeichnete er im Mai als »Geschenk für die Kurstadt«. Von einem »neuen Edelstein in der Krone der Stadt« sprach damals auch Stadtmarketing-Chef Harald Hock. Dass im Frühling das Café Johannisberg nach zweijähriger Pause mit neuem Pächter ein Comeback feierte, war für Kreß gleichfalls »von besonderer Bedeutung für die Historie der Stadt«. Und natürlich zeigt sich das Stadtoberhaupt hocherfreut, dass nach der Corona-Krise die traditionellen Bad Nauheimer Veranstaltungen wieder über die Bühne gehen konnten. So sorgte im Juli das Rosenfest für ein blühendes Spektakel in Steinfurth. Beim Elvis-Festival führte Kreß die Oldtimer-Parade mit lila Brille im alten Cabrio an. Und beim Jugendstil-Festival erlebte er mit unzähligen Besuchern eine »Zeitreise in die Belle Epoque«.
Martha-Less-Straße feierlich eingeweiht
Das Leben ist nach zweijähriger Pause im Jahr 2022 auch nach Bad Nauheim zurückgekehrt. Das habe sich noch einmal im Dezember gezeigt, als der Weihnachtsmarkt im neuen Umfeld eine überwältigende Resonanz erfahren habe. Am Standort Trinkkuranlage, Rosengarten und Dankeskirche wolle man deshalb auch in Zukunft festhalten, so Kreß. Erfolgreich war aber auch das »Weihnachtserlebnis« auf der Parkstraße, das in der nächsten Weihnachts-Zeit noch größer und bunter gestaltet werden soll.
Die Einweihung der Martha-Lesse-Straße in Rödgen hat den Bürgermeister spürbar berührt. Die Straße ist benannt nach einer jüdischen Frau, die mit ihrer Familie vor dem NS-Regime geflohen ist und in Rödgen alles zurücklassen musste. »Bad Nauheim hat eine sehr lebendige jüdische Gemeinde. Daher sind wir stolz, dass die Geschichte einer jüdischen Familie, die von hier aus vor der Deportation fliehen musste, wieder in Rödgen präsent ist«, erklärte er beim festlichen Akt.
Als ein Leuchtturmprojekt der Energiewende wird das Kalte-Nahwärme-Projekt der Stadtwerke genannt, das im Neubaugebiet Bad Nauheim Süd mehr als 400 Wohneinheiten mit klimaneutraler Wärme versorgt und auch in Rödgen gestartet wurde. Viel Aufmerksamkeit habe auch die Bürgerbefragung der Zukunftswerkstatt für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz entfacht. Dass der Stadtbus neu ausgeschrieben wird und die Stadt Bad Nauheim im Bereich Digitalisierung in die Top Ten des Landes aufgestiegen ist, findet Kreß zudem erfreulich. »Mich freut persönlich auch sehr, dass sich die Windmühle an den Salinen Richtung Schwalheim bald wieder drehen wird«, fügt er an.
Und dann erinnert der Bürgermeister sich an einen besonderen Moment, der eigentlich nichts mit Bad Nauheim zu tun hat. »Dennoch ist es unvergesslich, wie euphorisch wir auch hier den Europapokalsieg der Eintracht in der Stadt erlebt haben.«
Überschattet habe all das Positive, so der Bürgermeister, der Angriffskrieg von Putin in der Ukraine. Probleme gebe es in den meisten Städten bei der Unterbringung der Flüchtlinge. Zudem seien Energiekrise und Inflation schlimme Folgen.
Große Trauer um Bernd Witzel
Traurig gestimmt habe ihn auch der Tod von Ex-Bürgermeister Bernd Witzel. »Er war für mich ein langjähriger Weggefährte, und ich war lange sein Mitarbeiter«, erzählt Kreß. Dass unter den sogenannten Querdenkern auch demokratiefeindliche Menschen mittwochs durch Bad Nauheim ziehen, stört ihn natürlich. »Eine derart attraktive Stadtlandschaft zieht solche Gruppierungen zwangsläufig an. Doch in einer Demokratie ist es eben nicht möglich, solche Protestmärsche zu verbieten. Wir haben immer die Polizei mit eingebunden und zum Glück bisher keine Zwischenfälle erlebt«, sagt der Bürgermeister, der 2023 in den Wahlkampf zieht. Bisher ohne Gegenkandidat. »Wenn das so bleibt, wird die Plakatierung bescheidener ausfallen. Plakate stehen einer Stadt sowieso nicht so gut«, verspricht er und hofft natürlich auf seine Wiederwahl. »Denn ich liebe dieses Amt und hoffe, dass ich es weiter mit großer Freude ausüben darf.«

