1. Startseite
  2. Region
  3. Wetteraukreis
  4. Bad Nauheim

Das perverse Verhältnis zur Macht

Kommentare

koe_Macbeth_Hexen_Foto_h_4c
Im ersten und dritten Akt dürfen die drei grell gewandeten Hexen (Sonja Doniat, Tanja Haßler, Katharina Weltzien-Falk) ihr pantomimisches Talent entfalten. © Hanna von Prosch

Bad Nauheim (gk). Über vier Jahrhunderte sind vergangen, seit William Shakespeare seine rabenschwarze Tragödie »Macbeth« der Nachwelt hinterlassen hat. Selbst für Giuseppe Verdi, der dieses grandiose Sprachkunstwerk vertonte und 1847 in Florenz erstmals über die Bühne gehen ließ, lag dessen Entstehung fast 250 Jahre zurück.

Er vertont diesen Stoff kongenial, nimmt dabei jedoch eine entscheidende Uminterpretation vor: Statt eines skrupellosen Macbeth, der ungerührt über Leichen geht, um alleiniger Herrscher in Schottland zu werden, rückt bei Verdi dessen Frau, Lady Macbeth, ganz in den Fokus des Geschehens.

Als herrschsüchtige »femme fatale«, die nichts und niemanden liebt als die Macht, stachelt sie den schwächlichen Ehemann zu immer neuen Mordtaten an.

Der Leitspruch, unter den sie ihr Leben stellt, lautet »O voluttà del soglio« (O Wollust der Macht), wie es in einer ihrer 20 großartigen Arien heißt. »Vieni, t’affretta!« (Komm, raff dich auf!): Mit dieser und ähnlichen Parolen treibt sie Macbeth förmlich vor sich her.

Missgeschick wird zur Kunst

Nach der umjubelten »Macbeth«-Premiere im Herbst 2021 auf der großen Bühne des Theaters Altes Hallenbad geriet auch die Wiederaufnahme in der Waldorfschule am Freitagabend zum großen Erfolg der »Oper aha!«. Und dies trotz eines gravierenden Missgeschicks: Michael Wolfrum in der Titelrolle konnte wegen stimmlicher Indisposition nur gestisch-mimisch auf der Bühne agieren. Für ihn sprang Timon Führ, eigentlich als Banco vorgesehen, ein. Dessen Rolle wiederum übernahm Yunus Schahinger vom Theater Freiburg.

Befürchtungen, diese Einschränkungen könnten sich ungünstig auf das Niveau der Aufführung auswirken, erwiesen sich jedoch als unbegründet. Ein stummer, händeringender, zunehmend von albtraumhaften Visionen geplagter Macbeth, dem die Worte »im Halse stecken bleiben«: Für dieses pantomimische Kunststück erhielt Wolfrum zu Recht langen Schlussapplaus.

Weiterhin gilt, dass Timon Führ seine Partie souverän übernahm.

Und Schahinger mit seinem sonoren Bass war eine ideale Besetzung der Rolle des Banco. Er ist Inbegriff des honorigen Mannes und damit eigentlicher Gegenspieler von Macbeth und seiner Lady.

Bei Macduff (optimal verkörpert von Martin Kellenbenz, vor allem mit seinen vier großen Auftritten im Schlussakt) und Malcolm (Erich Bro Larssen) bleiben Zweifel. Bedeutet ihr Sieg über den zum seelischen Wrack verkommenen Macbeth (eindrucksvoll präsentiert im 2. Akt, als ihm bei der verlogenen Siegesfeier der Geist des von gedungenen Mördern beseitigten Banco erscheint) wirklich den Triumph der Gerechtigkeit oder wird der »Fluch der bösen Tat« nicht in irgendeiner Form weiter wirken?

Das Verstummen ihres Gemahls verschaffte Cornelia Haslbauer weiten Spielraum für die Entfaltung ihres gesanglich-schauspielerischen Talents. Sie hat ihn genutzt! Auf gleichbleibend hohem stimmlichen Niveau bis in höchste Tonlagen hinein zelebriert sie ihr perverses Verhältnis zur Macht - gipfelnd in der Szene, in der sie sich lasziv auf dem schwarzen Block in der Bühnenmitte räkelt und mit obszön gespreizten Schenkeln die Vereinigung mit dem leibhaftigen Teufel herbeisehnt. Schaurig schön!

Orchester und Chor überragend

Im ersten und dritten Akt dürfen die drei grell gewandeten Hexen (Sonja Doniat, Tanja Haßler, Katharina Weltzien-Falk) ihr pantomimisches Talent in alter Frische entfalten. Die beiden Szenen zählen zu den Highlights der Aufführung.

Welche Präsenz, wie viel Power lediglich zwölf Instrumentalisten entfalten können, demonstrierte Karin Hendel (der die musikalische Gesamtleitung oblag) mit dem »Klangbad Orchester«. Sie schuf die stabile Basis für das Bühnengeschehen.

Auch der zwölfköpfige »Klangbad Chor« unter Leitung von Wolfgang M. Weiß beeindruckte - nicht zuletzt durch hohe solistische Leistungen.

Als hilfreich erwies sich zu guter Letzt auch diesmal der Einfall von Regisseurin Veronika Brendel, die nicht gespielten Opernpassagen durch die Erzählerin Gudrun Schnitzer vergegenwärtigen zu lassen.

Langer begeisterter Schlussapplaus feierte eine kollektive Glanzleistung auf höchstem Niveau.

koe_Macbeth_Haslbauer_Fo_4c_1
Lasziv räkelt sich Lady Macbeth (Cornelia Haslbauer) auf einem schwarzen Block in der Bühnenmitte. © Hanna von Prosch
koe_Macbeth_Chor_Foto_hm_4c_1
Der »Klangbad Chor« unter Leitung von Wolfgang M. Weiß beeindruckt auch durch hohe solistische Leistungen. © Hanna von Prosch

Auch interessant

Kommentare