Die Wetterau - ein archäologisches Kleinod

Bad Nauheim (pm). Der letzte Vortrag beim Kulturforum fand endlich wieder einmal im ausverkauften Saal des Erika-Pitzer-Begegnungszentrums statt. Publikumsmagnet war der Kreisarchäologe Dr. Jörg Lindenthal, der über die neuesten Grabungsfunde in der Wetterau referierte. Ergänzt von wichtigen Informationen zur historischen Einordnung der Entdeckungen, ging es geradezu »Schlag auf Schlag« mit ausführlichen Beschreibungen zu den Grabungsergebnissen in der Ebene zwischen Taunus und Vogelsberg.
Den anfänglichen Rahmen bildeten die Feldzüge beziehungsweise Germanenkriege unter Kaiser Augustus zwischen 12 v. Chr. und 16 n. Chr., in denen das Militär letztlich vergeblich versuchte, die germanischen Stämme zwischen Rhein und Elbe unter die Herrschaft Roms zu bringen. Ein erster Befehlshaber war Drusus d. Ä., ein Adoptivsohn des Kaisers, der mit seinen Truppen bis zur Elbe gelangte, auf dem Rückweg von dort allerdings nach einem Sturz vom Pferd, gerade einmal 29-jährig, verstarb.
In diese Zeit (~10 v. Chr.) fällt die Gründung eines militärischen Versorgungslagers in Bad Nauheim, genauer in Rödgen, das 1960 beim Bau einer Schule gefunden wurde, und das für die Versorgung und den Nachschub von bis zu 1000 Soldaten vorgesehen war. Gerade einmal 700 Meter westlich wurde mithilfe von Luftbildaufnahmen 1985 ein weiteres Militärlager aus der frühen Kaiserzeit »Am Goldstein« entdeckt.
Umgeben und gesichert von einem Spitzgraben bot es auf einer Fläche von etwa 300 Meter mal 400 Meter (heute unter dem Neubaugebiet von 2004) Platz für eine komplette Legion (6000 Mann). Noch weiter westlich gab es ein keltisches Gräberfeld. Gefunden hatte man dort keltische und römische Münzen und eine Gewandspange zum Zusammenhalten von Kleidung, die sogenannte Nauheimer Fibel, die hier erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde (2. und 1. Jh. v. Chr.).
Im heutigen Karben hat man ein römisches Marschlager aus augusteischer Zeit entdeckt. Jeden Abend mussten die Legionäre für ein solches Eintageslager einen Graben ausheben und den so entstandenen Wall mit Schanzpfählen versehen. Die Wetterau war zu dieser Zeit ein Aufmarschgebiet Richtung Germanien für die römischen Truppen, die eigentlich in Mainz stationiert waren.
Gefunden hat man immer wieder sogenannte Schleuderbleie und Münzen, gestempelt z. B. von Publius Q. Varus, dem Feldherren aus der Schlacht im Teuteburger Wald (9 n. Chr.), bei der drei Legionen samt Hilfstruppen (1/8 des gesamten römischen Militärs) eine vernichtende Niederlage erlitten.
Es dauerte bis 83 n. Chr., bis die Römer unter Kaiser Domitian mit den Feldzügen gegen die Chatten eine erneute Expansion in rechtsrheinische Gebiete unternahmen. Dabei gelang die Unterwerfung des Gebiets zwischen Taunus, Lahn und Main und man begann die Errichtung des Limes. Um 100 n. Chr. wurde die Civitas Taunensium, eine zivile römische Verwaltungseinheit, im rechtsrheinischen Teil dieser Provinz Germania Superior gegründet, deren Hauptort die Siedlung Nida im heutigen Frankfurt-Heddernheim war.
Das vom Limes und den römischen Truppen geschützte Gebiet - grob gesagt die Wetterau - erlebte im 2. nachchristlichen Jahrhundert eine lange Friedensperiode. Neben den Kastellen entstanden viele zivile Siedlungen, Handel und Kultur blühten auf, so auch im Gebiet des heutigen Butzbach. Das eigentliche Kastell für Hilfstruppen (bis 1000 Mann), im Volksmund Hunneburg genannt, diente zusammen mit dem Kleinkastell Degerfeld der Überwachung eines bedeutenden Grenzübergangs am nördlichen Limesbogen. Ein Kastellvicus (eine zivile Ansiedlung mit Händlern u. a.) befand sich dort, wo die US-Armee nach 1945 Wohngebäude für ihre Soldaten erbaute.
Die letzte von Dr. Lindenthal angesprochene Grabung im Bereich der Tiefgarage der neuen Therme in Bad Nauheim brachte die Fundamente eines Badehauses ans Tageslicht, allerdings nicht römisch, sondern das 1944 zerstörte Badehaus 1. Der Vortrag endete mit großem Applaus. FOTO: PV