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Durchkommen in der Krise

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Im Hochwaldkrankenhaus wird gebaut, wie der Kran zeigt. Wirtschaftlich ist es trotzdem nicht einfach für deutsche Krankenhäuser - auch nicht für das Gesundheitszentrum Wetterau. © Petra Ihm-Fahle

Die Versorgung in deutschen Krankenhäusern könnte sich in den kommenden Jahren deutlich ändern. Im Bad Nauheimer Haupt- und Finanzausschuss warf Dr. Dirk M. Fellermann, Geschäftsführer des Gesundheitszentrums Wetterau (GZW), einen Blick in die Zukunft. Wie es aussieht, steht das GZW trotz schwieriger Zeiten noch halbwegs sicher da - zumindest vergleichsweise.

An einem rot-weißen Schrankenzaun weisen Schilder dem Besucher den Weg zum Eingang des Hochwaldkrankenhauses in Bad Nauheim. Es wird gebaut, worauf die Gerüste, Container und ein Kran hinweisen. Als Dr. Dirk M. Fellermann jüngst einen Sachstandsbericht im städtischen Haupt- und Finanzausschuss lieferte, konzentrierte er sich zunächst allerdings auf etwas anderes: Auf die wirtschaftlichen Aspekte der geplanten Reform deutscher Kliniken und der Krankenhausvergütung durch das Bundesgesundheitsministerium.

Düstere Prognose für viele Kliniken

Fellermann ist Geschäftsführer des Gesundheitszentrums Wetterau (GZW), zu dem auch das Hochwaldkrankenhaus gehört. »Dies ist kein GZW-Thema, kein Bad-Nauheim- oder Wetteraukreis-Thema, sondern es ist systemisch«, sagte er. Er beschrieb eine schwierige Zukunft, die für das Gesundheitszentrum womöglich weniger dramatisch verlaufen dürfte als für eine Vielzahl anderer Krankenhäuser. Bürgermeister Klaus Kreß lobte den Geschäftsführer am Ende sehr für dessen profunden Einsatz.

Fellermann: »Wir haben 2023 ein Problem von 17 Prozent Rückgang der Krankenhausfälle und Kostensteigerungen, demgegenüber aber nur eine Gegenfinanzierung von 4,32 Prozent.« Die deutschen Krankenhäuser gerieten durch die Bank weg in eine Schieflage, die sich seit 2016 angebahnt und verfestigt habe. Fellermann sprach von einer »bemerkenswerten Krise« und düsteren Aussichten für die Folgejahre. Seiner Ansicht nach wird die Reform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) diese Situation nicht verbessern, vielmehr werde es zu vielen Klinik-Insolvenzen kommen. »Sie sind teilweise bereits eingetreten«, erklärte Fellermann. Es sei wie eine »kalte Umstrukturierung«.

Der Bundesgesundheitsminister hat nach Worten von Fellermann eine Regierungskommission einberufen und spreche von »Revolution«. Über den Landeskrankenhaus-Ausschuss ist der GZW-Chef in der Gruppe für Hessen, die den Prozess begleitet. »Wir hatten Eckpunkte nach Berlin gegeben, die berücksichtigt werden sollten«, berichtete er. Laut Fellermann will Minister Lauterbach die rund 1300 Fallpauschalen auf 60 Leistungsgruppen reduzieren, was sehr schwierig sei. Die Bundesländer sollen Kliniken zudem in Level kategorisieren. Level 1 ist Basisversorgung, »2« mittlere, »3« maximale Versorgung, und »F« sind die Fachkliniken. »Je höher man im Level ist, desto mehr darf man machen«, erläuterte der GZW-Geschäftsführer. Es werde wesentlich weniger Level-3-Häuser als Kliniken der Grund- und Regelversorgung geben. »Die meisten Krankenhäuser dürfen am wenigsten machen«, sagte er. Das könnte seiner Ansicht nach auf eine deutliche Reduzierung der Level-1-Häuser hinauslaufen.

Erfreuliches für Pflegeakademie

Der Standort Bad Nauheim pendelt nach Fellermanns Worten zwischen den Leveln 2 und 3. Bis 2028 prognostizierte er die Schließung eines Viertels der Krankenhäuser. »Man plant mit einer Bereinigung des Marktes«, sagte er. Ausschussvorsitzender Manfred Jordis (CDU) konstatierte: »Man hofft, dass Häuser pleitegehen und man das frei werdende Geld an die anderen verteilt.«

Im GZW gibt es laut Fellermann »einige Aktionen«. Eine Erweiterung von OP-Trakten hatte, wie er berichtete, bereits stattgefunden. Saniert werde ein Altbereich, durch einen Teilabriss solle Platz für ein neues Gebäude entstehen. Während der Bauzeit werden teilweise Betten nach Friedberg verlegt. Der Neubau soll nach Angaben Fellermanns hauptsächlich der Patientenversorgung dienen, eine Baugenehmigung erwartet die Klinik bis Juli 2024.

Etwas über 90 Millionen Euro beinhaltet der Gesamtfinanzierungsplan, wie er sagte. Davon habe die Klinik zehn Millionen Euro eigenes Grundkapital eingebracht. »Damit stehen wir ganz gut da«, sagte er. Am geplanten Parkdeck neben dem Fachärztezentrum könnten die Arbeiten laut Fellermann ab Oktober beginnen und im zweiten Quartal 2024 fertig sein. In Sachen Theodora-Konitzky-Pflegeakademie überbrachte er erfreuliche Nachrichten: »Ich habe einen Förderantrag gestellt, und wir konnten eine jährliche Mietförderung von 62 000 Euro über 25 Jahre erreichen. Das entspricht genau der Kaltmiete.« Er bezeichnete dies als »Glück«. Bürgermeister Kreß sah das anders: »Mit Glück hat das nichts zu tun, sondern ist vielmehr eine super Leistung vom Geschäftsführer.«

Möglicherweise müssen sich die heimischen Patienten trotz ernst zu nehmender Ängste nicht ganz so große Sorgen machen wie eventuell Menschen in anderen Regionen.

Hohes Defizit

Wie Bürgermeister Klaus Kreß in der Sitzung des städtischen Haupt- und Finanzausschusses angemerkt hat, besitzt die Stadt im Gesellschaftsvertrag des Gesundheitszentrums Wetterau (GZW) Anteile von 15,91 Prozent. »Da haben wir mal vereinbart, dass wir für GZW West den Defizitausgleich aus unserer Rücklage finanzieren«, sagte er. GZW West betrifft Bad Nauheim und Friedberg. Man sei damals davon ausgegangen, dass die Stadt innerhalb von vielleicht zehn Jahren kein Mitspracherecht mehr haben werde, weil kein finanzieller Einsatz mehr möglich sei. »Dieser Punkt wird viel früher eintreten«, betonte Kreß. Aktiv kann die Stadt seinen Worten zufolge nichts zuschießen. Der Verlust im Rahmen des letzten Jahresabschlusses liegt laut Geschäftsführer Dr. Dirk M. Fellermann bei 6,8 Millionen Euro.

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