Ehrenmal in Bad Nauheim: sanieren und erklären

Seit Monaten ist ein Vorschlag der Kenia-Koalition in der Diskussion, das Ehrenmal in Bad Nauheim umzugestalten. Der Kernstadt-Ortsbeirat macht jetzt einen Kompromissvorschlag.
Auf Antrag der Bad Nauheimer Koalition aus CDU, Grünen und SPD soll die Stadt das 1933 errichtete Ehrenmal am Fuße des Johannisbergs neu konzeptionieren. Erneut befasste sich der Ortsbeirat der Kernstadt mit dem Thema, dies auf Initiative von Ortsvorsteher Kurt Linkenbach (CDU). Konsens war am Ende ein Antrag an den Magistrat, die Sanierung des Denkmals noch möglichst in diesem Jahr umzusetzen. Statt einer Umwandlung möchte der Ortsbeirat einen Kompromiss herbeiführen, der Info-Tafeln an den Seiten der Gedenkstätte vorsieht. Bei den Texten soll sich die AG Geschichte einbringen.
Diskussion Ausdruck für die Wertigkeit
Den Stein ins Rollen hatte die Kenia-Koalition im Stadtparlament gebracht: Im Dezember schwebte den Fraktionen noch vor, das Ehrenmal zur »Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Vertreibung« umzuwandeln und umzubenennen. Stichworte waren Info-Tafeln, QR-Codes, Podcasts, kritisches Aufarbeiten, Veranstaltungen für Schulen und das Erinnern an Widerstandskämpfer. Gleichzeitig sollte die würdevolle Erinnerung an die Namen Gefallener erhalten bleiben.
Ortsvorsteher Linkenbach verdeutlichte, eine Umwidmung für wenig angebracht zu halten: »Ich finde es nicht in Ordnung, die Gedenkstätte für die gefallenen Bad Nauheimer Soldaten mit einer Umwidmung in Bezug auf Krieg, Verbrechen und Vertreibung in der ganzen Welt zu verknüpfen.« Seines Erachtens lässt sich eine mahnende Erinnerung besser an anderer Stelle unterbringen, beispielsweise am Alten Friedhof. Dort steht bereits ein Gedenkstein an alle Opfer und Verfolgten des Nationalsozialismus.
Wie Natalie Peterek (SPD) klarstellte, geht es nicht um einen Abriss, sondern um eine geschichtspädagogische Aufarbeitung. Ihr Fraktionskollege Sinan Sert hatte eine schriftliche Mitteilung an den Ortsvorsteher geschickt, die jener vorlas. Die ursprüngliche Idee einer Umgestaltung halten die Koalitionäre nun offener (siehe Info-Kasten in diesem Artikel). Steffen Mörler (CDU) bezeichnete die emotionale Diskussion ums Ehrenmal als Ausdruck für die Wertigkeit in der Bevölkerung. »Dann lohnt es sich, diese Interessen auch zu bündeln.«
Für Info-Tafeln im Umfeld
In der Ortsbeiratssitzung waren unter anderem die Kosten ein Thema, die auf einem Gutachten aus 2021 basieren. 400 000 Euro für die Sanierung stehen im städtischen Haushaltsplanentwurf. Bereits im November beschloss der Haupt- und Finanzausschuss, 360 000 Euro mit einem Sperrvermerk zu versehen, bis die Planung bekannt ist.
»Das Gutachten ist relativ alt. Jeder weiß, wie sich die Veränderungen in der letzten Zeit auf den Baumarkt ausgewirkt haben«, erklärte Michael Schmale (FW), der als Zuhörer im Ortsbeirat war. Ortsbeiratsmitglied Dr. Wolfgang Hammann (FW) beschrieb den Zustand des Ehrenmals: »Es zerfällt, die Kosten explodieren.« Er betonte die Wichtigkeit zu priorisieren: »Die Restaurierung ist sicher das Wichtigste.« An eine Umwidmung ist seines Erachtens momentan nicht zu denken, zudem müsse der Denkmalschutz dabei mitreden.
Zwecks Entlastung der Stadtkasse regte Linkenbach die Gründung einer Bürgerinitiative (BI) an, die sich um ein Konzept kümmern könnte. Wie Claudia Kutschker von den Grünen allerdings zu bedenken gab, sei es nicht die Aufgabe des Ortsbeirats, die Bürgerschaft zur Gründung einer BI zu animieren. Wie Kutschker einräumte, sei das Wort »Umwidmung« im Ursprungsantrag eventuell missverständlich gewählt. Ihren Worten zufolge geht es um eine Ergänzung: Darum, das Ehrenmal auf Info-Tafeln im Umfeld als Kulturdenkmal vorzustellen und auf die Entstehung hinzuweisen. Armin Häfner (AG Geschichte) sprach das Angebot seiner AG an das Rathaus an, bei den Texten für die Info-Tafeln zu unterstützen.
Es war Erik Meyer (FW), der unterstrich: »Wertschätzung schlägt sich nicht in dem derzeitigen Zustand des Ehrenmals nieder - deshalb müssen wir über die Sanierung reden und einen Vorschlag machen.« So geschah es, indem der Ortsbeirat einstimmig einen Antrag beschloss.
»Nicht auf Sanierung beschränken«
In einer Presseerklärung stellte SPD-Fraktionsvorsitzender Sinan Sert fest: »Die Intentionen der Koalition zur Sanierung und geschichtserläuternden Aufarbeitung des sogenannten Ehrenmals gewinnen an Fahrt.« So seien sich die Koalitionäre einig, dass wesentliche Schritte im Verfahren zügig anlaufen können, sobald die Genehmigung des städtischen Haushalts für das Jahr 2023 vorliege. Die erforderlichen Beschlüsse könnten laut Sert dann bereits im März gefasst werden, sodass anschließend noch vor der Sommerpause mit den nötigen Ausschreibungen gerechnet werden dürfte. »Wir sind zuversichtlich, dass die Beratungen im Kulturausschuss konstruktiv verlaufen werden. Die Partner rechnen mit einem positiven Beschluss.« Es werde als sinnvoll erachtet, sich nicht auf eine einfache Sanierung des Gebäudes zu beschränken. Anderen zeitgemäßen Vorbildern folgend, sei es angebracht, Besuchern Erläuterungen zum Gebäude und zu seinem Zweck im historischen Kontext anzubieten. Die Sanierung könne nur im Benehmen mit dem Denkmalschutz erfolgen, Veränderungen der Substanz des Gebäudes würden nicht erwartet. Durchaus vorstellbar sind nach Ansicht von Sert geschichtserläuternde Ergänzungen im Umfeld und im Innenraum des Gebäudes. »Bereits Mitte März könnte dann die Freigabe der Mittel für die Sanierung im Hauptausschuss erfolgen. Einem Beschluss im Stadtparlament stünde dann nichts entgegen. So wäre der Weg geebnet, mit den ganzheitlichen Planungen zu starten und vermutlich noch dieses Jahr mit den Sanierungen zu beginnen.« Damit werde auch dem Wunsch des Ortsbeirates Rechnung getragen.