Ein Rundgang und viele starke Frauen

Bad Nauheim (pm). Bei bestem Wetter und in ebensolcher Stimmung haben sich kürzlich 23 Frauen des Frauengesprächskreises aus Nieder-Mörlen an der Wilhelmskirche in Bad Nauheim für einen etwa zweistündigen, sehr kurzweiligen Rundgang durch die Stadt getroffen. Sie erfuhren hierbei von Gabi Freyer vieles über die Biografien von etwa 20 Frauen, die die Stadt mit ihrem Wirken geprägt oder die bei ihren Kur-Aufenthalten Spuren hinterlassen hatten - sowie über die »Töchter der Stadt«.
Anhand der Biografie von Mathilde Lorenz, Leiterin der Höheren-Töchter-Schule und Mitbegründerin des 1908 entstandenen Bad Nauheimer Vereins für Frauenwahlrecht, schilderte Freyer, wie schwierig das selbstbestimmte und gleichberechtigte Leben für Frauen zu dieser Zeit gewesen war.
Andere Frauen führten ein gänzlich anderes Leben, das ihnen erlaubte, einen recht luxuriösen Kur-Aufenthalt zu haben. Bad Nauheim, das »Drei-Kaiserinnen-Bad«, beherbergte Sisi, die unruhige und am Herzen erkrankte Kaiserin von Österreich, und Kaiserin Auguste Viktoria, auch gerne Kirchen-Guste genannt. Die fröhliche Runde durfte sogar ihren »eigenen« Holzstuhl in der Dankeskirche bestaunen. Die Dritte war die letzte Zarin von Russland, Alexandra Feodorowna, eine Schwester des Großherzogs Ernst- Ludwig.
Eine Überlebende des Holocaust
Am Holocaust-Mahnmal berichtete Freyer über Hilda Stern Cohen, die ihre Holocaust-Erlebnisse 1946 in Lyrik und Prosa verarbeitet hatte. Sie war von 1938 bis zu ihrer Deportation 1941 Religionslehrerin an der Jüdischen Bezirksschule in Bad Nauheim gewesen. Ihr Werk wurde posthum unter dem Titel »Genagelt ist meine Zunge« als Buch veröffentlicht.
Als berühmte Töchter der Stadt wurden neben anderen auch folgende Frauen vorgestellt: Gertrud Wartenberg, Jahrgang 1942, ehemalige Präsidentin des Deutschen Frauenrings und Vorsitzende der »European Women’s Lobby«, und auch die 1964 geborene Caroline Link. Die Filmregisseurin und Drehbuchautorin wurde 2003 mit einem Oscar ausgezeichnet. Jasmin Moghbeli, Jahrgang 1983, ist seit 26. August 2023 als Kommandantin der ISS.
Freyer betonte aber auch das derzeitige ehrenamtliche Engagement vieler Frauen in der Stadt, wie zum Beispiel das von Hiltrud Hölzinger, die nicht nur den umfangreichen Bildband über »Jugendstil in Bad Nauheim« konzipiert und gestaltet hat, sondern sich auch schon sehr lange Zeit im Jugendstilverein engagiert. Oder Agnes Römer, die neben unzähligen weiteren Engagements 2012 zusammen mit Mitstreitern den Verein »Bad Nauheim - fair wandeln« gründete - ein Jahr später wurde der Weltladen eröffnet.
Genannt wurde auch Brigitta Gebauer, die stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins Russische Kirche/Reinhardskirche, der bereits eine Million Euro an Spendengeldern für Renovierung und Erhalt der Reinhardskirche gesammelt hat.
Viele weitere Stadtgeschichten und -geschichtchen wurden erzählt, und der äußerst informative und heitere Rundgang endete mit einer Stärkung im »Schweizer Milchhäuschen«.