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Ulrich Schlichthaerle und seine Frau in zeitgenössischer Garderobe - Magda Schlichthaerle hat ihr Kleid selbst genäht.

Jugendstilfestival

Eine stimmungsvolle Zeitreise in Bad Nauheim

  • VonPetra Ihm-Fahle
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Das Flair des Bad Nauheimer Jugendstilfestivals am Wochenende ist ansprechend gewesen. Sonnenschein, künstlerische Darbietungen und ein kunstgewerbliches Angebot führten zum Erfolg.

Bei hochsommerlichem Wetter hat sich das Jugendstilfestival in Bad Nauheim erneut als Erfolg erwiesen - trotz leiser Kritik zum Kaffee- und Kuchenangebot. Mit Musik, Tanz, Mode, Führungen, Ausstellungen und Vorträgen wurde viel Unterhaltung geboten. Rund 50 kunstgewerbliche Stände belebten das Szenario in der Trinkkuranlage, beispielsweise vom »Perlekettche« aus Frankfurt. »Die Perlen sind ein dekorativer Schmuck und waren im Jugendstil stark vertreten«, erläutert Betreiberin Heidi Pahl. In ihrem kleinen Atelier fertigt sie Schmuck in vielen Variationen. Jede Perle hat sie, wie sie berichtet, einmal in der Hand gehabt, »um sie aufzufädeln, zu knoten, aufzupeppen mit ein paar Zwischenteilen«.

Eingeschränkte Café-Öffnung

Der frühere Stadtmarketing-Chef Ulrich Schlichthaerle ist mit seiner Frau Magda unterwegs, die ihr stilechtes Gewand eigenhändig genäht hat. »Ich habe das sogar mal gelernt«, verrät sie mit einem Lachen. Gerhard Bennemann vom Jugendstilverein steht mit Kollegin Claudia Schubath an einem Stand, auch sie sind im Stil der Zeit angezogen. »Wir zeigen zum Teil, was wir an Drucksachen neu herausgebracht haben, sowohl den Kalender Sprudelhof, als auch einen zur Sammlung Geißler«, erläutert Bennemann. Am Freitagabend eröffnete der Verein im Badehaus 3 die Ausstellung »Auf dem Weg zur neuen Frau«. Anne Beissel von »Annes Glasdesign« hat ihre Gläser »mit edlem Durchblick« mitgebracht, sie kommt schon seit zehn Jahren. »Die Gläser designe ich. Ich gucke mir das Glas an, dann entwerfe ich das Dekor, damit Form und Farbe eine Harmonie ergeben«, schildert sie. Erika Dietz macht ebenfalls seit vielen Jahren mit ihren handgenähten Produkten mit. »Es ist altes handgewebtes Leinen, darauf lege ich großen Wert«, sagt sie. Ihre Kissen, Lavendel-Säckchen und Topflappen kommen gut an. »Madame Pompipom« alias Daniela Hardt fertigt nostalgische Accessoires wie Spitzen-Halszier und Ohrgehänge, »alles mit Hand und Herz«, sagt sie. Auf die Idee kam sie, weil sie schon immer einen Hang zu vergangenen Zeiten hatte.

Melinda, Emilia und Steffen Heise sind in zeitgenössischer Mode unterwegs. Bei Fotograf Stefan Vaupel hat die Friedberger Familie ein Foto machen lassen, als Eisenlegierung gebrannt auf Glas. »Es ist superschön geworden«, sagt Melinda. Kirsten Rühs (Buchhandlung Rühs) hat Papeterie und Bücher mit. Sie findet die Veranstaltung schön - mit einer kleinen Einschränkung: »Was ich nicht so gelungen finde, ist, dass das Café Jost am Samstag wegen einer geschlossenen Veranstaltung zu hatte. Es müsste noch ein bisschen mehr zu essen und zu trinken geben. Und es wäre schön, wenn es ein paar mehr Stände gäbe«, findet sie. Einige Besucher hätten sie darauf angesprochen, Kaffeetrinken gehen zu wollen. »Sie sind dann alle wieder Richtung Stadt gegangen.«

Großes Interesse an Modenschau

Laut Björn Kral vom städtischen Fachdienst Kultur war die samstägliche Schließung des Lokals bis 18 Uhr eine Ausnahme, an den anderen Tagen stand das Café zur Verfügung. »Sie hatten eine geschlossene Gesellschaft, jemand hatte dort gebucht. Das ist eine freie wirtschaftliche Entscheidung des Cafés. Wir haben ja andere Catering-Stände auf dem Gelände, vorzugsweise aus der Region«, sagt er. Etwa die »Rote Pumpe« aus Nieder-Mörlen mit Handkäs’ und Apfelweinspezialitäten.

Wie Kral erklärt, sind auch heimische Vereine vor Ort. Beispiele sind der Alternative Tanzclub und der Tennisclub, der ein Schauturnier in nostalgischer Sportkleidung zeigt. »Man sieht an den Ausstellern, dass viele dabei sind, die das mit Herzblut machen«, stellt Kral fest.

Mit den Besucherzahlen ist er angesichts der Hitze zufrieden. Die Gäste genießen das Flair, lauschen den musikalischen Darbietungen, etwa dem Auftritt von Konzertgebräu. Sehr voll ist es bei der Modenschau des Jugendstilvereins. Erster Stadtrat Peter Krank verspricht: »Es wird eine Augenweide sein, die Mode dieser Zeit zu genießen.« So ist es, wie Landrat Jan Wecker hinzufügt: »Man sieht, was Bad Nauheim ausmacht - das ist der Jugendstil.«

Zeigen, wie es geht

Unter den Besuchern des Jugendstilfestivals sind auch Ulrich Schlichthaerle und seine Frau Magda gewesen. Da Schlichthaerle Anfang der 2000er Jahre als damaliger Stadtmarketing-Chef federführend beteiligt gewesen ist, das Festival aus der Taufe zu heben, ist er stets interessiert daran. »Ganz ursprünglich war die Idee, Kunstgewerbe zu zeigen. Da wurde sogar die Bahnhofsuhr von Frankfurt hergebracht. Es wurde gezeigt, wie Schmiede kunstfertig die schmiedeeisernen Arbeiten, die es oft im Jugendstil gab, gemacht haben«, erzählt er. Zur Ergänzung gab es laut Schlichthaerle eine Tagung der Architekten und Denkmalpfleger. Das Entscheidende sei das Zusammenbringen hochwertiger Jugendstilproduzenten gewesen: »Die haben vor Ort gezeigt, wie es geht.« Punktuell war dies auch am Wochenende so, etwa bei den Restauratoren von Korbstühlen und Stühlen der Marke Thonet.

Dieser Artikel stammt aus der Wetterauer Zeitung.

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