Feuerwerk der Überraschungen

Bad Nauheim. »Auftrag erkannt«: So nüchtern wären im Bundeswehrjargon die Standing Ovations nach dem fulminanten Benefizkonzert am Donnerstag in der Dankeskirche beurteilt worden. Für das Publikum war es ein Musikerlebnis besonderer Güte und für die Kammerensembles des Heeresmusikkorps Kassel eine große Freude, die sie in ihrem eineinhalbstündigen Auftritt zum Ausdruck brachten.
»Die sind ja großartig, die müssen wiederkommen«: Die Gespräche nach dem Konzert verliefen voller Begeisterung. Die Chance, dass die 19 Musikerinnen und Musiker erneut zugunsten der neuen Orgel in der Dankeskirche auftreten, ist groß.
Der Vorsitzende des Orgelbaukreises, Dr. Volker Gräfe, begrüßte Publikum und Gäste mit den Worten: »Seit Beginn der Fundraisingaktion stehen sie auf der Wunschliste. Jetzt spielen sie unser 38. Benefizkonzert. Wir sind sehr dankbar, denn der Erlös kommt zu hundert Prozent der Orgel zugute.« Und das waren am Ende rund 3000 Euro.
Imposant intonierte zu Beginn das Blechbläserensemble die Filmmusik zu »Robin Hood« und versetzte das Publikum in die Geschehnisse im England des 12. Jahrhunderts. In kurzweiliger Moderation erzählte Claudia Römer - die Dienstgradbezeichnungen sind der Einfachheit halber weggelassen - von Franz Berwald, einem schwedischen Komponisten des 19. Jahrhunderts. Berwald, Violinist und Pianist, war als Orthopäde tätig, bevor er hartnäckig seine Weg als Komponist in Stockholm fortsetzte. Sein einziges Konzertstück für Fagott trugen Niklas Ludwig und am Klavier Katja Giebelhaus vor.
Schon hierbei spürte man das ausgereifte Können, die Präzision und Liebe zu klassischen Werken, die man von Militärmusikern zunächst nicht erwartet. »Hier spielen alle das, was ihnen Freude macht. Die Teilnahme an der Kammermusik ist freiwillig und läuft zusätzlich zum normalen Dienst«, erklärte später ihr Leiter, Andreas Alschinger.
Eine Besonderheit ist auch, dass etliche Mitglieder eigene Arrangements schreiben, wie der Klarinettist Frank Seibel für sein Ensemble. Es zauberte die endlose Nacht des Dschungels und ihre geheimnisvollen Geräusche, gefühlvoll eingeflochten von Timo Birkenbusch am Schlagzeug, in die Kirche und brachte mit einem Queen-Medley ein Hommage an Freddy Mercury.
Musikalisch hervorragend gelang die Sonatine für Klarinette von Arthur Honegger, gespielt von Johanna Klett, begleitet am E-Piano vom Leiter des Heeresmusikkorps, Tobias Terhardt. Auf der Orgelempore Tango tanzen, würde wohl nicht so gut passen, aber der Tango nuevo von Astor Piazzolla, gespielt von Anika Jürgens auf der Flöte, klang perfekt. »Wir drücken den Stücken unseren eigenen Stempel auf«, hatte Claudia Römer gesagt und eine mehr als außergewöhnliche Formation angekündigt: Das Percussionensemble, da sie selbst leitet und für das sie arrangiert. Die Leidenschaft für Rhythmus, das Feuer in den Augen der Musiker, eine unglaubliche Spielfreude kam in »Ghanaia« auf. Timo Birkenbusch war der Zauberer am Marimbaphon und Timo Zohlen am Vibraphon.
»Mozart hätte sie bestimmt auch in seiner Kleinen Nachtmusik verwendet, hätte es damals schon die bunten Klangrohre, die Boomwhackers, gegeben«, meinte die Moderatorin. Alle hatten einen Mordsspaß daran, nur einzelne Töne spielen zu dürfen. Einzelne Töne, aber in brillanter Folge, ließ dann Carolin Seehof, eine ungewöhnliche »Königin der Nacht« in Uniform, erklingen. Sie tirilierte mit ihrer Piccolotrompete die anspruchsvollen Koloraturen begleitet von Blechbläserensemble.
Immer wieder beeindruckend ist die monumentale Filmmusik von Miklós Rózsa zu »Ben Hur«. Sie führte, in einem eigenen Arrangement des Posaunisten Dennis Pieper, zum Ende hin. Der Big Band Klassiker »In the Mood« beschloss das abwechslungsreiche Konzert unter Mitwippen des Publikums.
Anschließend wurde Katja Giebelhaus in das Masterstudium verabschiedet. Sie hatte im Rahmen der Offiziersausbildung im Militärmusikdienst bei den Kasseler Kameradinnen und Kameraden ein zweiwöchiges Praktikum absolviert und dirigierte nun die Zugabe: »Nessun dorma«.
Das wird diese großartige Formation auch bald beim Musikfest der Bundeswehr am Samstag, 23. September, in Düsseldorf mit Paul Potts und 8000 Musikern aus aller Welt spielen. Hanna von Prosch