Geburt in Corona-Pandemie: Darf der Vater dabei sein?

Während einer Schwangerschaft stehen die künftigen Eltern vor vielen Herausforderungen. In Pandemie-Zeiten kommt die Frage hinzu, ob der Vater bei der Geburt überhaupt dabei sein darf.
Bad Nauheim – „Viele werdende Mütter sind total verunsichert“, sagt eine schwangere Bad Nauheimerin, die lieber anonym bleiben möchte. „Es wird so viel über Lockerungen gesprochen, doch das Thema Geburt wird oft vergessen. Es ist für mich und viele andere schwangere Frauen unverständlich, dass man ein Restaurant oder Fußballspiel besuchen darf, aber der Vater nicht bei der Geburt des eigenen Kindes dabei sein kann. Dabei ist das der wichtigste Tag im Leben.“
Verunsichert seien die Frauen, weil es keine einheitlichen Regeln gebe und sie befürchteten, bei der Geburt ohne Begleitung zu sein. Die Verantwortung dafür liegt nicht bei der Landesregierung, wie eine Anfrage dieser Zeitung an das hessische Sozialministerium zeigt. „Seit Langem bestehen nach der Corona-Schutzverordnung des Landes keine Regelungen mehr zur Teilnahme von Familienangehörigen bei einer Geburt.“ Das Ministerium nennt konkret den 28. März 2020. „Aktuelle Regelungen erlassen die einzelnen Krankenhäuser und Einrichtungen aufgrund ihres Hausrechts und ihres einrichtungsbezogenen Hygienekonzepts“, teilt das Ministerium mit.
Unsicherheit kann bei der Geburt zu Komplikationen führen
Die Bad Nauheimerin schildert, dass in ihrem Umfeld viele schwangere Frauen auf Nachfragen bei Krankenhäusern in der Region keine konkreten Antworten bekommen hätten. „Oftmals heißt es, man könne noch nicht so viel dazu sagen und müsse abwarten, wie sich die Corona-Lage entwickele.“ Durch diese Unsicherheit gingen Frauen noch unentspannter in die Geburt, was ein großer Nachteil sei. »Die Frauen sind extrem emotional belastet, und das kann zu mehr Komplikationen bei der Geburt führen.«
Eine Freundin der Bad Nauheimerin habe noch immer daran zu knabbern, dass der Vater nicht bei der Geburt habe dabei sein dürfen. Kann dass auch Schwangeren in der Wetterau passieren?
Corona: Der Vater ist nach der Geburt an kurze Besuchszeiten gebunden
Auf Nachfrage dieser Zeitung teilte das Hochwaldkrankenhaus Bad Nauheim, in dem alle Wetterauer Babys das Licht der Welt erblicken, mit: „Zur Geburt durften Väter während der letzten zwei Jahre ohne Unterbrechung mit ins Hochwaldkrankenhaus - also auch während des Lockdowns.“ Bedingung dafür sei derzeit, dass die Väter einen negativen Corona-Schnelltest vorlegen. Die Besuchszeiten seien jedoch noch eingeschränkt. „Besuche junger Väter auf der Entbindungsstation sind möglich, mit Vorlage eines Schnelltests, der nicht älter sein darf als 24 Stunden. Die Besuche sind auf eine Stunde am Nachmittag begrenzt.“
Im Hochwaldkrankenhaus werde außerdem das Angebot gemacht, ein Familienzimmer zu buchen - das heißt, die Väter werden mit den Müttern gemeinsam stationär aufgenommen. Auf diese Weise können die Väter rund um die Uhr dabei sein und sind auch nicht von den Besuchzeiten betroffen. Diese Option wurde nach Angaben von Oberärztin Dr. Anika Rifi rege genutzt. Das Angebot stellt auch laut Ministerium „eine geeignete Maßnahme dar, um sowohl eine enge Begleitung der Geburt zu ermöglichen, als auch dem Aspekt der Sicherheit Rechnung zu tragen.“ Nur muss ein Familienzimmer eben auch frei sein.
Die Bad Nauheimerin sagt, sie schwanke noch zwischen der Hochtaunus-Klinik in Bad Homburg - auch dort dürfen Väter bei der Geburt dabei sein - und dem Hochwaldkrankenhaus. „Ich habe darüber schon viel Positives gehört. Die Hebammen sollen dort sehr bemüht sein.“
Hebammen müssen drei bis fünf Geburten gleichzeitig betreuen
Doch auch für Hebammen sei es derzeit nicht einfach: „Die angespannte Personalsituation in den Kliniken führt dazu, dass Hebammen dort drei bis fünf Frauen gleichzeitig betreuen müssen“, sagt Martina Klenk, Vorsitzende des Landesverbandes der hessischen Hebammen. „Das heißt, dass die Gebärenden oft alleingelassen sind. Das macht Angst und ist nicht förderlich für die Geburt.“
Wie wichtig die Hebammen rund um die Geburt seien, betont auch die werdene Mutter. Obwohl ihr Geburtsvorbereitungskurs online stattfinde, „haben einem die Hebammen das Gefühl gegeben, dass man es schaffen kann.“
Sie blicke relativ zuversichtlich auf ihre Entbindung in den kommenden Wochen, sagt die Bad Nauheimerin. Da sie selbst bis zur Schwangerschaft als Krankenschwester gearbeitet habe, seien ihr die Abläufe in der Klinik und die Umgebung vertraut. Es sei zwar eine schwierige Zeit, aber dadurch, dass in ihrem Umfeld viele Frauen schwanger seien, könnten sie sich trotz Pandemie untereinander gut austauschen.
Geburtshäuser: Gute Betreuung und Störungsfreiheit bei der Geburt lässt Nachfrage steigen
Noch vor 100 Jahren war die Hausgeburt der Standard. Vor 30 Jahren hingegen war es eher ungewöhnlich, wenn ein Kind nicht im Kreißsaal auf die Welt kam. Seit 20 Jahren ist die Nachfrage nach außerklinischen Geburtsangeboten jedes Jahr größer geworden. Dies bestätigt Martina Klenk, Vorsitzende Landesverband der hessischen Hebammen. 2020 seien es 16 202 Geburten gewesen, 2019 noch 14 319. „Auch berichten Hebammen von steigenden Anfragen nach Hausgeburten“, sagt Klenk. Sie sieht viele Gründe, warum sich werdende Eltern für ein Geburtshaus oder eine Hausgeburt entscheiden: „Der Vorteil besteht darin, dass die Frau die Hebammen bereits kennt, dass während der Geburt eine Eins-zu-eins-Betreuung sicher ist, dass die Frau in einem geschützten Raum störungsfrei in ihrem eigenen Rhythmus in Sicherheit und Würde gebären kann.“
Ein Geburtshaus findet sich in Langgöns. Dort begleiten zwei Hebammen aus der Wetterau, Kim Spottog und Vanessa Hildmann, Kinder auf die Welt - insgesamt 60 seit der Eröffnung im vergangenen März. Wenn sich werdende Familien für ihre Einrichtung entscheiden, ist Corona nur ein Randthema. „In erster Linie spielt die Einzelbetreuung eine Rolle“, sagt Spottog. „Die Pandemie ist und darf nicht der Hauptgrund für diese Entscheidung sein“, ergänzt Hildmann. Wichtig sei, dass die werdende Mutter sich mit dem Angebot wohlfühle.
Ein Geburtshaus hat in Corona-Zeiten durchaus Vorteile. Der geimpfte und getestete Vater bleibt beispielsweise während des gesamten Geburtsprozesses dabei. Hildmann hält dies für ein wichtiges psychologisches Moment der Bindung: „Es wird nicht nur ein Kind, sondern auch eine Mutter und ein Vater geboren. Das getrennt voneinander zu erleben, bleibt für immer ein Problem.“ Zudem würden sich die Mütter mehr verspannen und die Geburt dauere länger, wenn der vertraute Partner fehlt, sagt die Hebamme. Die Geschwister dürften zeitnah nach der Geburt dazukommen und das neue Familienmitglied willkommen heißen. „Bei denen ist eine Riesenfreude mit dabei“, sagt Spottog. (Sophie Mahr)