Gegen die Hektik: Heilwald ist auf der Zielgeraden

In hektischen Zeiten tun Erholung und Stille gut. Bad Nauheim geht daher mit großen Schritten auf die Heilwald-Zertifizierung zu. Infos zum Sachstand gab es beim 16. Kneipp-Gesundheitstag.
Die Heilwald-Zertifizierung in Bad Nauheim ist laut Steffen Schneider auf der Zielgeraden. Der Leiter des städtischen Kur- und Servicebetriebs teilte dies beim 16. Kneipp-Gesundheitstag am Samstag in der Trinkkuranlage mit. Vorsitzender Dr. Lutz Ehnert konnte zahlreiche Gäste zu Vorträgen, Aktivangeboten und gesundem Essen begrüßen. Vormittags befassten sich Rednerinnen mit den Themen Waldbaden, Waldgesundheit, Prävention und Therapie. Nun erklärte Schneider: »Wir möchten Ihnen die Möglichkeit vorstellen, in Bad Nauheim ein konkretes Angebot zu machen.«
Schneider blickte auf die Historie zurück: »Der Waldpark in Bad Nauheim ist in der Region und weit darüberhinaus einzigartig.« Vor über hundert Jahren ließ Großherzog Ernst Ludwig »wegweisend und modern« Terrainwege für Kur-Zwecke anlegen. »Darauf wollen wir aufbauen und den Waldpark für Prävention und Therapie weiterentwickeln«, sagte Schneider. Als Zielgruppe nannte er Kurgäste, Reha-Patienten sowie Einwohnerinnen und Einwohner.
Seine Mitarbeiterin Anna Redmann erläuterte das therapeutische Konzept, das die internationale Zertifizierungsstelle »BioCon Valley« als geeignet freigegeben habe. »Als Schwerpunkt kümmern wir uns um das Thema Stressbewältigung«, sagte sie. Gerade in der Pandemie nahm die Anzahl der psychischen Erkrankungen ihren Worten zufolge sehr zu. Der Heilwald soll laut Redmann optimale Rahmenbedingungen schaffen, bei denen die Waldtherapie heilend und das Waldbaden vorbeugend wirken kann.
Im September bildete die Stadt Waldbegleiter für das Waldbaden aus. Die Kommune arbeitet hier mit Kurparkklinik, Median-Klinik am Südpark und Rehazentrum am Sprudelhof zusammen, wo es nun auch medizinische Waldtherapeuten gibt. »In diesen Einrichtungen wird das bereits für die Patienten angeboten«, erläuterte Redmann.
Zu den Erholungszonen gehört das Waldbadezimmer oberhalb der Wilbrandthütte, wo Hängematten und Holzliegen zum Verweilen einladen. »Erholung und Stille« lautet das Stichwort. Zwei Panoramaliegen an der Skiwiese sollen drehbar sein, damit die Waldbesucher entscheiden können, in welche Richtung sie blicken wollen.
Barfußpfad und mehr Ruhebänke
Eine verbesserte Beschilderung soll dazu beitragen, die Orte im Wald besser zu finden. Seit vergangener Woche ist der Barfußpfad oberhalb des Skulpturenparks fertig, genannt »Feetnesspfad«. Ein Geländer soll orthopädischen Patienten Sicherheit bieten, zwei Schwebebalken sind für Balancier-Übungen gedacht.
Wie Redmann ausführte, werden zusätzliche Bänke die bisherigen Sitzgelegenheiten ergänzen. Manche sind etwas erhöht, was einen besseren Sitzkomfort für ältere Menschen bietet. Drei wasserlose Komposttoiletten sind jetzt ebenfalls vorhanden. Eine steht an der Weber-, eine andere an der Wilbrandthütte; ein behindertengerechtes WC findet sich in der Nähe des Skulpturenparks. An der steilen Strecke oberhalb des Pilzes ist ein Holzgeländer vorgesehen, für Yoga und Pilates.
Eine Waldbibliothek mit »Lesefutter«
Eine »Waldbibliothek« ist ebenfalls geplant. Manche Bäume, die sich nicht mehr retten ließen, wurden auf sicherer Höhe gestutzt und es wurden Fächer hineingeschnitzt. Dorthinein kommt wetterfestes Lesefutter. An zwölf Stationen finden die Besucher, verteilt auf dem gesamten Gebiet des Heilwaldes, leicht verständliche Anleitungen für Übungen. Die Liegen im Waldbadezimmer entstanden aus Holz einer Bad Nauheimer Eiche, die wetterbedingt umfiel.
»Alle Maßnahmen sind mit der Denkmalpflege abgestimmt«, sagte Redmann. Bei der Entwicklung arbeitete die Stadt nicht nur mit heimischen Kliniken zusammen, sondern wurde auch durch die BI Waldpark Skiwiese unterstützt. Weitere Partnerin ist die Deutsche Akademie für Waldbaden und Gesundheit. Für 2023 strebt die Stadt die Zertifizierung zum Heilwald an, für 2025 zum Kurwald.
Drei Fragen an Dr. Lutz Ehnert
Herr Dr. Ehnert, wieso haben Sie diesmal den Wald als Motto gewählt?
Weil die Waldgesundheit von den fünf Elementen von Kneipp mindestens drei abdeckt: die Innere Ordnung, die Bewegung und die Pflanzentherapie. Da haben wir übereinstimmende Deckflächen mit der Stadt.
Ist Waldbaden nicht ein Modethema?
Waldbaden ist ein Modethema, deswegen spreche ich auch von der Waldgesundheit. Die Waldgesundheit als Kur- und Heilwald passt hervorragend zur Gesundheitsstadt Bad Nauheim, zu dem Angebot, das wir haben und dass wir uns zu einem Kneipp-Heilbad entwickeln wollen. Es ist eine sinnvolle, wunderbare Ergänzung.
Welche Angebote macht der Kneipp-Verein?
Im Waldbaden haben wir ausgebildete Übungsleiter. Wir machen Achtsamkeitsübungen und Atemkurse, haben einen Post-Covid-Kurs und Lungenfunktions-Rehasportgruppen. All das, wo wir das natürliche Waldklima brauchen, bieten wir über den Kneipp-Verein in Kursen an.
Dr. Lutz Ehnert ist Internist und Badearzt in Bad Nauheim, Vorsitzender des Kneipp-Vereins Bad Nauheim/Friedberg/Bad Salzhausen und zudem Vorsitzender des hessischen Kneipp-Landesverbandes.