Herzstillstand: Prävention, Diagnose, Therapie, Überwachung

Wie kann man einem Herzstillstand vorbeugen, wie ihn behandeln? Der Chef der Kardiologie an der Bad Nauheimer Kerckhoff-Klinik Informiert. Und: Die Klinik bietet Seminar und Telefonaktion an.
Um den Schutz vor dem Herzstillstand geht es in den Herzwochen, die die Deutsche Herzstiftung für den November ausgerufen hat. »In Deutschland sterben Jahr für Jahr schätzungsweise 65 000 Menschen am plötzlichen Herztod«, heißt es auf der Website. Die WZ hat mit Prof. Samuel Tobias Sossalla, dem Direktor der Abteilung Kardiologie der Bad Nauheimer Kerckhoff-Klinik, gesprochen.
Definition - Sossalla beschreibt den Begriff Herzstillstand wie folgt: 1. Das Herz bleibt entweder plötzlich stehen oder 2. es gibt schnelle Rhythmusstörungen der Herzkammern, wie Kammerflimmern, bei denen das Herz so schnell schlägt, dass es nicht mehr effektiv pumpt.
Ursachen - Laut dem Kardiologie-Chef sind häufig Menschen mit - jedoch nicht immer bekannten - Vorerkrankungen des Herzens betroffen. Etwa bei Engstellen in den Kranz-Arterien oder wenn sie bereits einen Infarkt erlitten haben. Auch Herzinsuffizienz und andere Vorerkrankungen des Herzmuskels können eine Rolle spielen. Zudem gibt es überwiegend genetisch bedingte Kanal-Erkrankungen, die eine elektrische Störung am Herzen zur Folge haben. Kammerflimmern tritt auf. »Die häufigste Ursache bei Jüngeren ist letztlich eine Verdickung des Herzmuskels«, sagt Sossalla und nennt den Fachbegriff hypertroph-obstruktive Kardiomyopathie. »Es gibt zudem nicht wenige Sportler, bei denen man das durch Zufall entdeckt.«
Diagnose - In einigen dieser letztgenannten Fälle könne man eine Schädigung des Herzens durch ein adäquates Screening erkennen, sagt Sossalla. Mittels Ultraschall werde deutlich, ob der Herzmuskel zu dick sei, und anhand eines EKG sehe der Arzt viele der angeborenen elektrischen Störungen.
Vorhofflimmern - Hierbei handelt es sich laut Sossalla um eine der häufigsten Rhythmusstörungen. Dieses Flimmern sei primär nicht tödlich, könne aber einen Schlaganfall zur Folge haben, da sich Blutgerinsel bildeten, wenn der Vorhof still stehe. »Einer von drei Menschen entwickelt zukünftig in seinem Leben Vorhofflimmern«, sagt der Chefarzt. Und: »30 Prozent der Schlaganfallpatienten hatten Vorhofflimmern.« Sossalla fügt jedoch hinzu: »Man kann das heute gut behandeln.«
Defibrillator - Er kommt bei akuten Herzrhythmusstörungen zum Einsatz und kann Leben retten. »Bei gewissen Herzerkrankungen wie zum Beispiel der Herzschwäche können wir an gewissen Faktoren erkennen, wie hoch das Risiko für einen plötzlichen Herztod ist. Dann würden wir einen Defibrillator implantieren«, erläutert Sossalla. Das Gerät kann ganz unabhängig von der Grunderkrankung zum Einsatz kommen und ist heutzutage hochentwickelt, die Implantation stellt einen kleinen Eingriff dar.
Therapie - Sind die Herzkranzarterien des Patienten verengt oder hat er einen Herzinfarkt erlitten, dann werden Stents eingesetzt oder ein Bypass gelegt, erklärt der Kardiologe am Campus Kerckhoff. Eine Herzschwäche lasse sich medikamentös behandeln, eine undichte Klappe operativ oder kathetergestützt.
Medikamente - Sie spielen laut Sossalla eine wichtige Rolle. Betablocker seien hervorzuheben, diese könnten das Risiko eines plötzlichen Herztods reduzieren. Generell sei immer die zugrunde liegende Erkrankung zu behandeln. Da auch Kaliummangel Kammerflimmern auslösen könne, sei es wichtig, den Kalium-Haushalt bei gefährdeten Patienten stabil zu halten, also gegebenenfalls für eine entsprechende Zufuhr zu sorgen.
Check - Einer der Gründe, sein Herz gründlich untersuchen zu lassen, ist, wenn eine elektrische Störung des Herzens in der Familie bekannt ist. Hat also ein Elternteil oder ein Bruder oder eine Schwester einen plötzlichen Herztod erlitten, sollte man sich untersuchen lassen. »Die Vererbung einiger dieser Erkrankungen ist ausgeprägt«, sagt Sossalla. Bereits ein EKG in der Kindheit könne Hinweise auf später auftretende Störungen geben.
Telemonitoring - Patienten mit Herzschrittmachern oder Defibrillatoren müssen regelmäßig kontrolliert werden. Das Telemedizinische Zentrum der Bad Nauheimer Kerckhoff-Klinik hat das Nachsorgekonzept für Patienten erweitert. Via Fernmonitoring können die Kardiologen beispielsweise bei auftretenden Herzrhythmusstörungen aus der Ferne frühzeitig reagieren und den Patienten umgehend kontaktieren, wenn Gefahr droht.
Prävention - Da eine koronare Herzerkrankung als Hauptursache gilt, ist es sinnvoll, mit dem Rauchen aufzuhören, sich gesund zu ernähren, den Blutdruck gut einstellen zu lassen und als Betroffener verantwortungsvoll mit Diabetes mellitus umzugehen. Eine qualitativ hochwertige Smartwatch kann übrigens auch schon wichtige Herzdaten aufzeichnen. Wird Ungewöhnliches angezeigt, kann sich ein Termin beim Kardiologen lohnen. Aktuell plant die Politik einen Gesetzesentwurf, um Früherkennungsuntersuchungen zu stärken. »Wir begrüßen diese Initiative sehr, da sie die Relevanz der Vorsorge unterstreicht«, sagt Sossalla. Denn die Kerckhoff-Klinik könne bereits heute auf vielfältige Möglichkeiten zurückgreifen, um möglichst frühzeitig eine Diagnose zu stellen, Risikofaktoren zu erkennen und entsprechende Therapien zu beginnen, um Spätfolgen zu vermeiden.
Herz-Lungen-Maschine
Den Begriff ECMO kennt man insbesondere aus den schlimmsten Phasen der Corona-Pandemie, als viele schwer erkrankte Patienten an solche Herz-Lungen-Maschinen angeschlossen gewesen sind. In der Kerckhoff-Klinik können sie auch nach einem Herzstillstand zum Einsatz kommen. Das Blut wird aus dem Körper heraus und wieder hinein geleitet, wobei die Maschine vorübergehend die Pumpfunktion des Herzens ersetzt. »Man kann damit Zeit gewinnen, bis man alles repariert, den Körper wieder in Takt gebracht hat«, sagt Prof. Samuel Tobias Sossalla, Chef der Kardiologie an der Kerckhoff-Klinik. Theoretisch könne ein Patient ein paar Wochen an die ECMO angeschlossen sein, aber meist sei es eine Sache von Tagen, zumindest nach Herzstillstand. Ein wichtiger Faktor sind die Hirnschädigungen, denn bei einem hirntoten Menschen könne man zwar häufig den Kreislauf mit der Herz-Lungen-Maschine aufrechterhalten, den Menschen aber nicht retten. Um Hirnschädigungen zu verhindern, sei es am wichtigsten, keine Zeit zu verlieren und umgehend mit Wiederbelebungsmaßnahmen bei Herzkreislaufstillstand zu beginnen, sagt der Experte. »Das ist das A und O.«
Kerckhoff-Zahlen
Im Jahr 2022 sind an der Bad Nauheimer Kerckhoff-Klinik 350 Defibrillatoren implantiert worden, zudem gab es 1370 Device-Implantationen (Herzschrittmacher, Event-Rekorder etc.). In 350 Fällen wurden Patienten nach einem Infarkt behandelt, etwa 100 nach einem Herzstillstand bzw nach einer Reanimation. Etwa 14 700 Menschen wurden im vergangenen Jahr ambulant und circa 6000 stationär behandelt.
Herzwochen: Patientenseminar und Telefonaktion
Die Bad Nauheimer Kerckhoff-Klinik beteiligt sich an den Herzwochen 2023, die die Deutsche Herzstiftung ausgerufen hat, mit einem Seminar und einer Telefonaktion. Das Seminar mit dem Titel »Herzkrank? Schütze dich vor dem Herzstillstand!« findet am Mittwoch, 8. November, um 17 Uhr im Justus-Liebig-Saal des Reha-Zentrums statt. Es richtet sich an Patienten, Angehörige und weitere Interessierte. Folgende Themen stehen im Fokus: »Welche Herzkrankheiten können zum plötzlichen Herztod führen?«, »Wie kann ich Herzerkrankungen vorbeugen?«, »Herzschwäche - Wie die Sterblichkeit reduzieren und die Lebensqualität verbessern?«, »Wie schützen der Defibrillator und Co vor dem Herzstillstand?« und »Wie kann digitale Medizin vor dem Herztod schützen und Herzkrankheiten erkennen?«
Das Angebot ist ebenso kostenlos wie die Telefonaktion am 15. und am 22. November jeweils zwischen 17 und 18 Uhr. Interessierte können sich unter Tel. 0 60 32/9 96 70 00 melden. Die Experten Prof Johannes Sperzel und Dr. Andreas Hain werden Fragen zum Themenkomplex »Herzstillstand und Prävention« beantworten.