Im Gespräch »über Israel reden«

Bad Nauheim (gk). »Muss Deutschland immer auf der Seite Israels stehen? Wo verläuft die Grenze zwischen Kritik an Israel und Antisemitismus?« Um diese beiden Schlüsselfragen kreist das Anfang des Jahres erschienene Buch »Über Israel reden - eine deutsche Debatte«. Prof. Dr. Meron Mendel, unter anderem Direktor des Anne Frank Instituts in Frankfurt, war am vergangenen Montagabend auf Einladung der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit ins Theater am Park gekommen, um im Gespräch mit der Politologin Saba-Nur Cheema die Hauptthesen seines Buches vorzustellen.
Erschienen waren zahlreiche Gäste, denen ein solidarisches deutsch-israelisches Verhältnis Herzensanliegen ist. Mendel, der seit Veröffentlichung seiner Abhandlung mit Vorwürfen, die von »Antisemit« bis »Zionist« reichen, überzogen wird, begann mit einem kurzen Rückblick auf seine Jahre in Israel, zu denen auch die Ableistung des Wehrdienstes in Hebron im Westjordanland gehört. Seine dortigen Begegnungen mit radikalen jüdischen Siedlern - deren Schutz vor palästinensischen Übergriffen Hauptaufgabe der israelischen Armee ist - lassen ihn zum Gegner des religiösen Fundamentalismus jeglicher Couleur werden. Die rückhaltlose Unterstützung der Siedlerbewegung, nicht nur durch die aktuelle Rechtsregierung Netanjahus, hält er für politisch verhängnisvoll, weil sie einer politischen Lösung des israelisch-palästinenschen Konflikts im Weg stehe.
»Elitenprojekt« und Desinteresse
2001 kommt der 25-jährige Mendel mit einem Stipendium nach Deutschland und beobachtet seitdem die hiesigen Debatten über Israel bzw. das deutsch-israelische Verhältnis. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt 2005 die Sicherheit Israels zum »Teil der deutschen Staatsräson«. Damit spricht sie aus, was für alle vorhergehenden Regierungen (und die aktuelle) seit dem von Adenauer und Ben Gurion im Jahr 1952 ausgehandelten Hilfsabkommen ebenso gilt.
Wie weit diplomatische Solidaritätsbekundungen deutscherseits in der eigenen Bevölkerung noch auf Resonanz stoßen, sei schwer zu beurteilen. Mendel hält sie für ein »Elitenprojekt« und bezieht sich dabei auf das ernüchternde Ergebnis einer Allensbachumfrage, nach der lediglich sieben Prozent der Befragten schon einmal in Israel waren.
Dies zeuge von Desinteresse und scheint den immer erbitterter geführten Debatten über das deutsch-israelische Verhältnis zu widersprechen. Aktueller »Aufhänger« ist die verbreitete Kritik an der israelischen Regierung, gegen deren antidemokratische Politik auch in Israel selbst Hunderttausende auf die Straße gehen. Mendel schließt sich deren Kritik vorbehaltlos an.
Dies ändere nichts an seiner Solidarität mit Eretz Israel - dem Land seiner Kindheit und Jugend. Was die aktuelle, emotional aufgeheizte Debatte in Deutschland so unfruchtbar mache, seien die gegenseitigen pauschalen Diffamierungen. So sei - das hebt Mendel deutlich hervor - jemand, der nicht den israelischen Staat als solchen, sondern nur eine gerade amtierende Regierung kritisiert, kein Antisemit.
Das gelte auch für Kritiker an der Siedlerbewegung im Westjordanland und das Verhältnis zu den Palästinensern. Seit der Ermordung Yitzhak Rabins 1995 durch einen fanatisierten Siedler bei einer Friedenskundgebung in Tel Aviv trete die israelische Palästinapolitik bestenfalls auf der Stelle. Derselbe Vorwurf müsse sich auch gegen die palästinensische Regierung richten, sagte Mendel. Mit einem Plädoyer für Selbstkritik und Offenheit jenseits von Denkverboten und Instrumentalisierungen endet die mit viel Beifall bedachte Vorstellung eines Mannes, der als Vorbild für nüchterne, vorurteilslose Rationalität gelten darf.