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In Bad Nauheim geht ein Kulturdenkmal zugrunde

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Von: Petra Ihm-Fahle

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Einen Anblick, der nicht denkmalgerecht ist, bietet das Hölzinger-Haus in der Hügelstraße 5. Seit Dezember ist die Fassade mit Graffiti übersät. © Petra Ihm-Fahle

Kulturdenkmal oder Bauruine? Die Meinungen gehen auseinander, was die Hölzinger-Villa in der Bad Nauheimer Hügelstraße 5 betrifft. Seit Kurzem ist die Fassade mit Graffiti übersät. Was ist da los?

Johannes Peter Hölzinger ist bestürzt. »Das Haus bekümmert mich schon seit geraumer Zeit«, sagt der renommierte Architekt aus Bad Nauheim. Es geht um das Gebäude, das er 1960 in der Hügelstraße 5 geplant hat und das denkmalgeschützt ist. Seit Dezember ist der Beton der ehemals weißen Außenmauern mit Graffiti übersät. Wie Eigentümer Rafael Jantos dazu erklärt, haben Betonsanierer und Statiker die Fassade untersucht - anschließend habe er die Graffiti veranlasst: »Da das Objekt vier Jahre lang kein öffentliches Interesse fand, wollte ich damit auf die Situation aufmerksam machen.«

Jantos ist Inhaber einer Bauträger- und Immobilienfirma in der Gesundheitsstadt. Seit 2018 ist er Eigentümer des Bauwerks, das er zunächst sanieren und beziehen wollte. Schon damals soll das Haus in schlechtem Zustand gewesen sein, da offenbar Jahrzehnte nichts daran gemacht wurde. Mehrere Gutachter hätten ihm dann übereinstimmend von der Instandsetzung abgeraten. Sie hätten das Haus, dessen Stahlbewehrung völlig verrostet sei, als nicht sanierbar bezeichnet.

Jantos will abreißen

»Die Villa steht auf einer ehemaligen Mülldeponie«, sagt Jantos. Deswegen hat sich das gesamte Haus seinen Worten zufolge um zwölf Zentimeter abgesenkt. »Der Sanierungsaufwand steht in keinem Verhältnis. Ich saniere doch kein Objekt mit 1,5 Millionen Euro, wo sich der Untergrund absenkt«, betont der Diplom-Betriebswirt. Er zeigt zwei Schreiben von 1990 und 1992. Darin informierte das Rathaus den Voreigentümer, dass das Grundstück als belastet anzusehen sei. Ein weiteres schwieriges Thema ist laut Rafael Jantos die energetische Sanierung, die er aufgrund der Bauart des Hauses für nicht praktikabel hält.

Er will aufgrund dieser Erkenntnisse abreißen und neu bauen, was zu einer Auseinandersetzung mit den Denkmalämtern des Wetteraukreises und des Landes geführt hat. Die Behörden verweisen auf ein eigenes Gutachten, wonach sie die Sanierung für zumutbar halten (diese Zeitung berichtete).

Thema im Stadtparlament

Der Vorfall mit den Graffiti ist bislang der Höhepunkt in dieser Sache, mit der sich jetzt auch das Stadtparlament in der Trinkkuranlage befasst hat. Christdemokrat Christian Trutwig reichte eine Anfrage ein, die schriftlichen Antworten liegen dieser Zeitung vor. Laut Bürgermeister Klaus Kreß (parteilos) hat sich das Rathaus wegen der »neuen Entwicklung« mit der Unteren Denkmalschutzbehörde des Wetteraukreises in Verbindung gesetzt, die im Austausch mit Jantos sei: Zum einen, um mittels entsprechender Fachgutachten eine ganzheitliche Betrachtung zum Zustand der Bausubstanz zu ermöglichen. Zum anderen, um etwaige Sanierungspotenziale zu erörtern. 2019 versagte das Rathaus laut Kreß einem Abrissantrag die Zustimmung.

Bauingenieur äußert Kritik

Im städtischen Bauausschuss war die Immobilie vergangene Woche ebenfalls Thema. FW-Stadtverordneter Michael Schmale hat dort seine Ansicht zu dem Vorgang geäußert, die er auch dieser Zeitung erklärt. Als Bauingenieur ist er Mitinhaber der »Raab-Schmale Architekten und Ingenieure«, deren Büro in einer Hölzinger-Villa in der Gustav-Kayser-Straße 4 angesiedelt ist. »Aus einem solchen Gebäude kann man kein energieeffizientes Haus machen, aber wenn man die Architektur erlebt, hat das was ganz Besonderes«, erklärt der Stadtverordnete. Er kennt das Haus in der Hügelstraße 5 durch einen Rundgang mit Hölzinger. »Alles, was ich gesehen habe, war kein Zustand, den man nicht sanieren und restaurieren könnte«, sagt der Freie Wähler. Das Haus sieht er als bedeutendes Kulturdenkmal: »Jeder, der das kauft, weiß, was er kauft. Mit diesem Denkmal muss man entsprechend umgehen.«

Untergrund soll begutachtet werden

Architekt Hölzinger dürfte das ähnlich sehen. Wie er betont, steht das Gebäude auf gewachsenem Boden. »Nur eine einzige Stütze musste tief gegründet werden, weil sie etwas in einer ehemaligen Sandgrube stand. Es ist eine üble Sache, dass man heute auf diese Weise versucht, Kultur zu vernichten«, sagt Hölzinger traurig.

Am Donnerstag, 9., Freitag, 10. Februar sollen noch mal Experten ans Werk: In Abstimmung mit dem Unteren Denkmalamt lässt Rafael Jantos den Untergrund begutachten. »Von den Ergebnissen der Untersuchungen, auch zu der Betonsanierung, Statik und energetischen Sanierung, hängt der weitere Fortgang ab.«

Knüpft an »Weiße Moderne« an

Wie der Bad Nauheimer Architekt Johannes Peter Hölzinger dieser Zeitung erklärt, ist das Haus Hügelstraße 5 in der Fachwelt hoch anerkannt. Das Bauwerk sei vom Land ausgezeichnet worden, das Modell und die Pläne befinden sich demnach im Deutschen Architekturmuseum. »Es gilt als eine der wegweisenden Architekturen, die wieder an die ›Weiße Moderne‹ nach dem Krieg anknüpften«, sagt Hölzinger. In seiner schriftlichen Stellungnahme ans Stadtparlament bezeichnete Bürgermeister Klaus Kreß (parteilos) Hölzinger und seine Bauten als »wichtigen Bestandteil der städtischen Architekturgeschichte«. Laut Kreß ist es von essenzieller Bedeutung, dieses baukulturelle Erbe für die nachfolgenden Generationen zu erhalten und weiter erlebbar zu machen. »Die Zuerkennung der Denkmalwürdigkeit bestätigt die architektonisch kulturelle Leistung dieses Bauwerks und des Werkes von Johannes Peter Hölzinger insgesamt.«

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