Inszenierte Wirklichkeiten

Bad Nauheim (hms). Mit der aktuellen Ausstellung des norwegischen Künstlers Kenneth Blom ist dem Kunstverein Bad Nauheim wieder ein großer Wurf gelungen. Zur Vernissage am Freitag kamen neben der Berliner Galeristin Luisa Catucci und dem Künstler selbst auch eine Menge Neugieriger.
Kenneth Blom bringt eine nordische Gelassenheit mit, scherzt und lacht im Gespräch mit Luisa Catucci. Halb Englisch, halb Deutsch versuchen sie den Gästen seine Arbeitsweise und Einstellung zu den 18 Exponaten zu verdeutlichen. Die Bilder sprechen eigentlich für sich: Architektur und Mensch in Pastelltönen und kräftigen Farben. Gewalt und Schutz, Bewältigung als Individuum, Raum in der Natur und im Leben. Eine inszenierte Wirklichkeit.
Wie ein Regisseur auf der Bühne die Schauspieler platziert, denen man ansieht, wohin sie sich in der nächsten Sekunde bewegen werden, so formuliert er in Farbe eine bewegte Geschichte.
Das minimalistische geometrische Design mit seinen horizontalen Fugen und diagonalen Linien in moderner Architektur fokussiert den Blick des Betrachters auf das menschliche Drama - sehr distanziert oder sehr direkt. Bloms Bilder zeigen existenzielle Szenarien: den Halt verlieren, fallen, rennen, kämpfen, springen, jede Bewegung ist anders. Ursprung und Ende der Geschichte bleiben den Betrachtenden überlassen. »This I can’t forget« ist der Titel. So erging es auch Karin Merchel, stellvertretende Vorsitzende des Kunstvereins, als sie die Bilder von Kenneth Blom 2020 auf der Art Karlsruhe entdeckte. Sofort habe sie das Gefühl gehabt, dass in ihr etwas hervortrat, was sie in Erinnerung hatte. Erster Stadtverordneter Peter Krank war nicht nur von dem großen Interesse an den Werken dieses international beachteten Künstlers beeindruckt, sondern reflektierte ebenfalls den Titel: »Wir müssen die Fähigkeiten des Bewusstseins mit größerer Demut betrachten. Was sich einprägt, ist individuell.« Manchen Besucherinnen und Besuchern mögen sich die Gewaltszenen eingeprägt haben: Eine Frau zieht eine andere an den Haaren, zerrt die andere, oder zeiht sie zurück? Die Gruppe schaut zu. Oder: Männer in weißen Hemden und dunklen Anzügen fallen über einen anderen her, wobei ein weiterer eingreifen will. Hass und Rücksichtslosigkeit in der gehobenen Gesellschaft ist Realität. Demgegenüber zeigt der Mut seine Stärke in den entschlossenen Bewegungen von Bloms schützenden Figuren.
Andere erkennen vielleicht Situationen aus ihrem eigenen Leben, wenn ihnen der Rückhalt fehlte und sie aus dem Gleichgewicht gerieten: Ein Mann fällt rücklings ins Wasser, einer stürzt im zarten Blau, ein anderer rutscht aus vor einer rosa Wand: Es war doch gerade noch alles harmonisch. Manche Szenen kommen einem wie verschwommene Traumbilder vor. Die psychologische Komponente macht den Raum zum Gefängnis.
Blom will weder romantisch noch politisch sein, sondern ein Künstler, der alles, was er sieht, in sich aufnimmt, und sich in der Wiedergabe nahe an der Banalität bewegt. Daher bedient er sich auch manchmal eines Fotos als Vorlage.
Seine Bilder nennt er einfach »Run«, »Unrest«, »Stumbling« oder »Attention«. Der Titel ergebe sich beim Malen. Überhaupt sei er sehr spontan: »Es explodiert und dann ist es da«, sagt er. Farben, besonders Blau - was wahrscheinlich aus der Kunsthistorie herrühre und die Farbe der Hoffnung sei - sind für ihn wichtig. »Für sein Blau ist er bekannt«, fügt seine Galeristin hinzu.
Auf die Frage, ob die ausgestellten Bilder einem Zyklus entnommen seien, antwortet er vage: »Ich arbeite mit vielen Bildern gleichzeitig, da ergibt sich manchmal ein Zyklus, aber nie nach Plan.«
Kenneth Blom ist weltweit bekannt. Geboren wurde er 1967 im dänischen Roskilde und kam als Kind nach Norwegen. Er studierte in Oslo und Düsseldorf. Seine Werke werden in Nordeuropa, Griechenland, den USA und der Schweiz ausgestellt, bei Sotheby’s in London und dem Dorotheum in Wien verkauft sowie in Galerien in New York und Peking gezeigt. Noch bis zum 30. April kann man seine großformatigen Ölgemälde nun auch in Bad Nauheim sehen, um dann vielleicht sagen zu können »This I can’t forget.«
Öffnungszeiten des Kunstvereins in der Galerie der Trinkkuranlage sind Dienstag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen von 11 bis 18 Uhr.

