Kaleidoskop pfiffiger Flötentöne

Bad Nauheim (hms). »Kaleidoskop« hieß das Programm, mit dem das Flötenquartett Flautando beim Kammerkonzert in der Trinkkuranlage am Sonntag das Publikum verzauberte. Immer wieder eröffneten sie neue Blicke auf die große Welt der Blockflöten und ihre Klänge.
Längst hat sich die Ansicht überholt, dass eine Blockflöte schrecklich klingt und zwei noch schlimmer. Vielleicht ist es beim ersten Üben so, was die vier Virtuosinnen von Flautando in ihrer frühesten Kindheit vielleicht auch erfahren haben. Inzwischen sind sie etablierte Musikerinnen, lehren an Musikhochschulen und spielen in renommierten Ensembles.
Von Ikea und aus dem Weltraum
Flautando Köln ist seit 30 Jahren mit immer wechselndem Programm und neuen Arrangements vorwiegend in Deutschland unterwegs, bestritten aber auch schon weltweite Tourneen. In Bad Nauheim waren sie zum vierten Mal zu Gast, was sowohl ihre Qualität als auch die Begeisterung des Publikums bestätigt.
Diesmal hatten Susanna Borsch, Susanne Hochscheid, Ursula Thelen und Kerstin de Witt 37 Flöten dabei: von ganz klein bis ganz groß, von ganz hoch bis ganz tief, Nachbauten von historischen Renaissanceflöten bis zu modernen viereckigen Paetzold-Flöten.
Das Interesse an dieser ungewöhnlichen Form war groß. Die einen nannten sie »Ikea-Flöte«, andere »Weltraum-Flöte«. Den einen gefiel der relativ laute Klang der breiten Klappen passend zum Musikstück, andere störte es. Ungewöhnlich war der Anblick allemal.
Allein die Flöten innerhalb eines Stückes zu wechseln, kann man schon als Kunst bezeichnen, sind sie doch unterschiedlich in C, D, F, G oder B gestimmt. Daraus ergab sich jedoch eine riesige Klangvielfalt und das Gefühl, wesentlich mehr Flöten zu hören, als tatsächlich gespielt wurden. Bei der kleinen Sopranblockflöte liegen die Finger eng beieinander, beim großen Subbass werden sie weit gespreizt, um Löcher und Klappen zu erreichen.
So vielfältig wie die Instrumente waren auch die Musikstücke. Vier zarte englische Tänze aus der Renaissance standen am Anfang. Gleich danach gab es einen Zeit- und Raumsprung zu Heitor Villa-Lobos. Der Brasilianer verehrte Bach und nannte eine Kompositionsreihe Bachianas Brasilieras. An das feierliche Preludio schloss sich wiederum ein Gegensatz an: Kurt Weill und ein moritatenhaftes Lied von Mädchen und Seeleuten aus Bordeaux. Darin ließ Ursula Thelen ihre ausdrucksvolle Sopranstimme erklingen.
Nach einem virtuosen Concerto von Georg Philipp Telemann, der viele Kompositionen für Flöte schrieb, folgten vier türkische Volkslieder. Von Liebeserklärungen und Wehmut oder der schweren Feldarbeit junger Frauen sang eindrucksvoll Ursula Thelen, während die Flöten schmachteten und seufzten. Stimmungsvoll interpretierten sie auch Volkslieder aus Schweden und Dänemark, wobei die dunklen Wälder und geheimnisvollen Trolle von unterschiedlichen Flöten charakterisiert wurden.
In einer Passacaglia von Johann Sebastian Bach ließen sie den Meister der Polyphonie in ihrem perfekten Zusammenspiel so transparent und vielschichtig klingen, wie es eben die historische Instrumente und hohes Können ermöglichen. Mozarts Variationen über das Kinderlied »Ah, vous dirai-je, Maman«, bei uns bekannt als »Morgen kommt der Weihnachsmann«, erklang mit sich zugeworfenen Themen im leichten Dialog. Der Zeitgenosse Fulvio Caldini steuerte zum Programm eine tatsächlich uhrwerkähnlich getaktete Clockwork Toccata bei. Faszinierend waren im Spiel des Quartetts neben der Klangvielfalt die rhythmische Übereinstimmung, die pfiffigen Staccati, die virtuosen Läufe und das Tempo, was zusammengenommen dem Konzert ein überraschendes Gesamterlebnis verlieh.
Unüberhörbar begeistert war der Applaus für einen Nachmittag voller toller Flötentöne. Er klang aus mit einer Zugabe, bei der ein Vögelchen in Gesang und Flöten fröhlich tiriliert.