Klimaziele bedeuten einen Angriff aufs Ersparte

Die Klimaziele sind eine große Herausforderung. Hauseigentümer werden in die Pflicht nehmen. Ist das darstellbar? Norbert Witzel vom Verein »Haus und Grund« Bad Nauheim hat da seine Zweifel.
Das Büro des örtlichen Vereins Haus und Grund liegt in einem Jugendstilhaus im Ernst-Ludwig-Ring 6. Es gehört der Familie Witzel, ist liebevoll saniert und ein Blickfang mit seiner blauen Fassade. Norbert Witzel ist langjähriger Vorsitzender des Vereins Haus und Grund Bad Nauheim. In dieser Funktion beobachtet er kritisch die angesteuerten gesetzlichen Neuregelungen zu energetischen Sanierungspflichten für Immobilieneigentümer.
»Die Umsetzung der geplanten Schritte hält sich noch in Grenzen«, konstatiert Witzel. Was Bundesregierung und Europaparlament wollen, ist seines Erachtens noch nicht ausgegoren. »Bei den Feinheiten fehlen noch viele Regelungen, und da kann man den Hauseigentümern in vielen Punkten nur raten abzuwarten«, sagt Witzel. Im Rahmen des Änderungsverfahrens zum deutschen Gebäudeenergiegesetz hört der Bund seinen Worten zufolge derzeit die Verbände an. »Da wird auch unser Bundesverein Haus und Grund eine Eingabe zu den Vorstellungen der Hauseigentümer machen.« Als sehr wahrscheinlich bezeichnet er, dass man ab Januar 2024 Öl- und Gasheizungen nicht mehr einbauen darf.
Witzels Empfehlung: »Wenn jemand einen älteren Kessel hat, sollte er mit seinem Handwerker oder Installateur sprechen und fragen, was unter heutigen Gesichtspunkten zu tun ist.« Wie Witzel vermutet, könnte der Handwerker empfehlen, noch dieses Jahr eine neue Öl- oder Gasheizung einzubauen. »Dann hat man 20 Jahre Ruhe. Das muss aber jeder Eigentümer selbst entscheiden.«
Nicht immer sei der Einbau einer Wärmepumpe aufgrund der örtlichen und technischen Gegebenheiten auch sinnvoll: »Wenn es keine Speichermöglichkeiten beziehungsweise keinen Platz dafür gibt, machen andere Maßnahmen mehr Sinn.« Für das Jugendstilhaus seiner Familie steht aber bereits fest: »In diesem Jahr wird noch ein neuer Kessel für die Gasheizung eingebaut.« Als wichtig bezeichnet er, sich in dieser Hinsicht rechtzeitig zu kümmern. Bestelle jemand die Heizung erst im Oktober, werde es wegen der Vorlaufzeiten voraussichtlich nicht mehr klappen.
Die jüngst beschlossene EU-Vorgabe, Häuser bis 2033 energetisch zu sanieren, hält er für verbesserungswürdig. Bei neuen Häusern sei es vermutlich etwas einfacher als bei alten. »Man kann kein schönes Jugendstilgebäude 15 Zentimeter dick von außen isolieren«, gibt Witzel zu bedenken. Der Denkmalschutz habe so etwas bisher denn auch verhindert.
Für historische Gebäude fehlen Witzels Einschätzung nach noch Erleichterungen, was die neuen Pläne angeht. Vieles sei erst in der Diskussion und müsse zunächst in die Gesetze Deutschlands und der Länder einfließen.
In Bad Nauheim stehen seiner Beobachtung nach besonders viele alte und somit ungedämmte Gebäude. »Diese Häuser verbrauchen mehr Energie als beispielsweise die Neubauten in Bad Nauheim-Süd.« Die Frage sei daher, wie damit umzugehen sei.
Für wichtig hält er die staatlichen Förderungen, da viele Eigentümer die Kosten sonst nicht stemmen könnten. »Sobald jemand im Rentenalter ist, 65, 70 Jahre alt - und der soll noch mal viel Geld in die Hand nehmen?«
Die Kreditfähigkeit älterer Menschen
Laut der FAZ lag der durchschnittliche Rentenbezug 2019 für Männer bei 1266, für Frauen bei 792 Euro. »Davon wollen Sie energetisch sanieren? Die Kreditfähigkeit älterer Leute ist eingeschränkt. Banken geben Senioren ungern Kredit, selbst wenn sie ein Häuschen haben«, sagt Witzel.
Bezieher kleiner Renten hatten nach Ansicht von Witzel auch während der Berufszeit keine großen Möglichkeiten, Geld zur Seite zu legen. »Das Sparschwein war für viele ältere Leute das Einfamilienhaus.« Davon abgesehen gebe es genügend andere Menschen, »die keine 100 000 Euro auf der Bank liegen haben«.
Niemand bestreitet laut dem Haus-und-Grund-Vorsitzenden das Erfordernis, Energie zu sparen und Häuser zu dämmen. »Aber den Weg halte ich für falsch.« Im Lauf des Jahres werde sich zeigen, welche Änderungen kommen und wie die Gesetze aussehen.
Stellungnahme des Verbandes
In seiner Stellungnahme zur Änderung des Gesetzes zur Gebäudeenergie und zur Heizkostenverordnung erklärt der Verband Haus und Grund (Berlin) unter anderem: »Aus Sicht der privaten Immobilieneigentümer, denen über 80 Prozent aller Wohneinheiten in Deutschland gehören, müssen zuerst grundlegende Voraussetzungen erfüllt werden, bevor diese neuen Vorgaben greifen können.« Andernfalls werde der Härte- zum Regelfall und die Wärmewende ausgebremst. Eigentümer brauchen nach Ansicht von Haus und Grund langfristig Verlässlichkeit wegen der hohen Investitionen, die sie leisten müssen. Für Haus- und Wohnungseigentümer sowie für die Mieter müssten Wohnungen erschwinglich bleiben. »Industrie und Handwerk müssen vergleichbar der Brennwertheizung Technologien auf den Markt bringen, die den Praxistest überstehen«, heißt es weiter in der Stellungnahme. Für die Umsetzung brauche es außerdem ausreichende Kapazitäten an qualifizierten Fachkräften wie Planer und Handwerker. »Die Förderung muss dort ansetzen, wo sie sozial nötig ist und nicht den Interessen einzelner Marktakteure dient.« Vor allem ist laut Haus und Grund mehr Zeit erforderlich, »damit die Kommunen ihre Wärmepläne erstellen, Strom- und Gasversorger ihre Infrastrukturen zukunftsfähig machen und Eigentümer mit hinreichend Vorlauf die Sanierung ihrer Gebäude planen können«. Damit die Wärmewende mit den Eigentümern und Mietern und nicht gegen sie erfolgt, sei Austausch vor Ort wichtig: in den Kommunen und innerhalb der Quartiere. »Denn in vielen Fällen werden nur gemeinschaftliche Lösungen zum Ziel führen und die zukünftige Wärmeversorgung für alle Beteiligten bezahlbar und sicher machen.« ihm/pm