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Konstruktiver Austausch über die Montagsdemonstrationen

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Reden über die Montagsspaziergänge (v. l.): Robert Garmeister, Esther Freund und Pfarrer Friedhelm Pieper laden zum Gespräch ein, Hedwig Rohde moderiert im Saal der Wilhelmskirche.
Reden über die Montagsspaziergänge (v. l.): Robert Garmeister, Esther Freund und Pfarrer Friedhelm Pieper laden zum Gespräch ein, Hedwig Rohde moderiert im Saal der Wilhelmskirche. © Petra Ihm-Fahle

»Wir müssen reden. Sind sie stumm geworden?« Mit diesem Motto lud das Bündnis »Demokratie schützen Bad Nauheim« zum Bürgergespräch über Montagsdemos und Querdenker ein.

Trotz Muttertag war der Saal in der Wilhelmskirche voll, als das Bündnis »Demokratie schützen Bad Nauheim« zum Bürgergespräch einlud. Auf dem Podium saßen Pfarrer i. R. Friedhelm Pieper, Esther Freund (Verein Jugendkultur und Jugendarbeit JUKA) und Robert Garmeister (Förderverein Theater Alte Feuerwache TAF). Die Diskussion moderierte Hedwig Rohde vom Verein Interkulturelle Kompetenz und Integration (IKI). Dabei sollten vor allem die Zuhörerinnen und Zuhörer zu Wort kommen.

Diese Gelegenheit wurde über zwei Stunden hinweg rege genutzt. »Drei Minuten darf man reden. Ich bin dafür bekannt, so etwas rigoros einzuhalten«, kündigte Rohde an. Das hielt sie auch ein, wodurch sich eine Debatte ergab, die kontrovers, aber ausgewogen und facettenreich war. Tenor am Ende war, den Austausch weiterführen zu wollen. Das Gespräch drehte sich vor allem um Sinn und Unsinn der Corona-Maßnahmen, Für und Wider der »Montagsspaziergänge« und die Rolle der Medien.

Kein Respekt gegenüber Juden

Die Initiatoren des Bürgergesprächs thematisierten vor allem, dass rechte Kräfte die Ängste der Bürgerinnen und Bürger instrumentalisiert hätten und dies weiterhin täten. Pfarrer Pieper ging beispielsweise darauf ein, dass einer der Züge sogenannter Querdenker an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, an der Synagoge vorbeiführen sollte. »Das spricht nicht gerade für Respekt gegenüber die Schicksal der Juden«, konstatierte Pieper. Das Verwaltungsgericht Gießen hatte die Strecke untersagt (diese Zeitung berichtete). Esther Freund stellte fest: »Ängste wurden instrumentalisiert, um etwas anderes zu erreichen.« Robert Garmeister sagte: »Es geht um die Delegitimation unseres Staats. Es geht um Menschen, die Umsturzgedanken haben.«

Mittlerweile haben sich die Demos auf andere Kommunen verlagert. In der Kurstadt bestücken Unbekannte die Briefkästen nun mit Flugschriften, die ein »Zerrbild der Realität« wiedergäben.

Einzelfälle werden verallgemeinert

Ein Mann kritisierte die Presse. Er zitierte das Beispiel des Staatsanwalts Dr. Manfred Kölsch, der sein Bundesverdienstkreuz zurückgegeben habe, weil er mit den Corona-Maßnahmen unzufrieden war. »Die Medien haben es nicht berichtet«, meinte der Zuhörer. Dr. Helmuth Francke (Weltladen) widersprach ihm: »Die Berliner Zeitung hat es berichtet.« Er warnte davor, statistische Ergebnisse mit Einzelfällen widerlegen zu wollen: Tausende andere Träger des Bundesverdienstkreuzes hätten ihre Auszeichnung nicht zurückgegeben.

Wie ein weiterer Zuhörer berichtete, konnte er aus gesundheitlichen Gründen weder geimpft werden noch Maske tragen. »Ich wurde diffamiert und diskriminiert«, sagte er. Als er allein mit seinem Grablicht in Butzbach demonstrierte, hätten ihn sechs Polizisten des Platzes verwiesen und seine Personalien aufgenommen.

Eine Frau beschrieb Beispiele aus dem Bekanntenkreis - das eine für Rücksichtnahme, das andere für Rücksichtslosigkeit. Zwei Freundinnen hatten ein Attest, das sie von der Maskenpflicht befreite. Die eine habe sich feinfühlig zurückgezogen, die andere sei ohne Schutz überall hingegangen, »weil sie keinen Bock auf Maske hatte«.

Ein Mann bemängelte eine Zeitungsanzeige des Bündnisses. Darin habe es geheißen »Gegen Hetze und für Demokratie«. Auch er sei gegen Hetze und für Demokratie - aber für seine Kinder und Enkelkinder sei er auf die Straße gegangen. »Viele Menschen haben das getan, weil sie sich Gedanken gemacht haben«, betonte der Mann.

Eine Anwohnerin der Innenstadt erzählte hingegen, was sie dachte, als die »Montagsspaziergänger« vorbeizogen. »Es hat mich vom Sofa gerissen. Ich fand es unmöglich, dass sie nicht angemeldet waren.« Obendrein zu behaupten, in Deutschland gebe es keine Meinungsfreiheit - das sehe sie sehr kritisch.

Rohde dankte allen für die konstruktive Diskussion: »Wir haben gezeigt, dass es möglich ist, über verschiedene Positionen zu sprechen, ohne sich an die Gurgel zu gehen.«

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