Latein an Bad Nauheimer Gymnasium: Eine Sprache, die lebt

Sprachen wie Englisch, Französisch und Spanisch zu lernen, ist an Schulen weiterhin nachgefragt. Aber wie sieht es mit Latein aus? Ist das noch zeitgemäß? Die WZ hat in Bad Nauheim nachgefragt.
Salvete, discipuli!«, grüßt Hans Peter Wavra. Die Schülerinnen und Schüler grüßen den Oberstudienrat zurück: »Salve, Magister!« Es ist 8 Uhr, der Latein-Leistungskurs der Jahrgangsstufe zwölf beginnt. Ob Lateinunterricht noch zeitgemäß ist und wenn ja, wieso - dieser Frage geht unsere Zeitung an der Sankt-Lioba-Schule in Bad Nauheim nach. Direktor Bernhard Marohn erklärt: »Es besteht nach wie vor eine Nachfrage. Nicht mehr als erste Fremdsprache, aber als zweite.« In fast allen Jahrgängen kommt ein Leistungskurs an dem Gymnasium zustande.
Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben denn auch gute Kenntnisse. Das zeigt sich, als Katharina aus der Lektüre des vergangenen Halbjahrs zitiert, den »Metamorphosen« von Ovid: »In nova fert animus mutatas dicere formas ...« Es ist Dichtung, genau wie die »Aeneis« von Vergil, die derzeitige Lektüre. Nach Ansicht der 17- und 18-Jährigen ist Latein etwas Sinnvolles. Greta etwa erwägt, Medizin zu studieren. »Da ist das Latinum sehr praktisch. Ich muss es an der Uni nicht nachholen und habe die Grundlagen für die Wörter, die in der Medizin gebraucht werden.« Leo beschreibt, was ihm Freude daran bereitet: »Es steckt diese Logik in diesem Fach, dass man bei Übersetzungen nur ein Richtig oder Falsch hat.« Stine sieht das ähnlich: »Ich habe den Leistungskurs gewählt, weil die Sprache logisch ist.« Man müsse nur übersetzen, das sei nicht schwer. Wie Greta beschreibt, kann das Spaß machen: »Beim Übersetzen muss man die Sätze zusammenbasteln und es ist ein Erfolgserlebnis, wenn es passt.«
Was ist dran am Image vom Pauken?
Das Image des Fachs, pauken zu müssen, schätzen die Schüler des Leistungskurses differenziert ein. »Ich habe viel durch die Praxis im Unterricht gelernt und viel durch Auswendiglernen, vor allem der Vokabeln«, sagt Matthias. Diese Vorgehensweise sei aber vermutlich in jeder Sprache erforderlich. »Mittlerweile ist das Lernen in der Menge sehr zurückgegangen, weil man ab einem bestimmten Zeitpunkt erreicht hat, was man in Latein benötigt«, stellt er fest. Louisa verweist auf das Schulwörterbuch, den »Kleinen Stowasser«, der dem Kurs zur Verfügung steht. Mit Abschluss des Latinums am Ende von Klasse elf sei die Kenntnis der Vokabeln so groß, dass die Wörter nicht mehr gelernt werden müssten. Das erlebt sie als Erleichterung.
Eine besondere Fächerkombination
Felicia hat sich für Latein entschieden, weil sie es nicht so aufwendig findet. Als zweiten Leistungskurs hat sie Biologie, was viel lernintensiver sei. »Es ergänzt sich gut: Ein lernaufwendiges mit einem nicht so lernaufwendigen Fach zu kombinieren.« Zwei Leistungskurse belegen alle Schülerinnen und Schüler: Marie macht Biologie, Nicolas Englisch und Tim Mathematik. Damit ist er nicht allein, denn auch Matthias, Julian und Maximilian haben Mathematik gewählt. Oberstudienrat Wavra beschreibt die Wesensverwandtschaft der beiden Fächer: »Ich hatte schon Leistungskurse, da hatten 40 Prozent der Lateinschüler Mathematik als zweiten Leistungskurs.«
Wie Franziska verdeutlicht, bedeutet Latein mehr als nur Sprache. »Ich habe mal eine Projektwoche ›Lateinisch leben‹ mitgemacht, da haben wir Wachstafeln zum Schreiben hergestellt und sind zur Saalburg gefahren.«
Moderne Materialien
In ihrem Schüleralltag schreiben die jungen Leute allerdings auf Tablets. »Die Schule bietet an, statt mit Papier digital zu arbeiten«, erklärt Simon. Dr. Anne Potthoff-Knoth, Lateinlehrerin an dem Gymnasium, sie zeigt die modernen Materialien: »In keinem Fach hat sich die Didaktik in den letzten Jahrzehnten so wie in Latein verändert. Ein Lehrbuch sieht heute ganz anders aus. Man hat auch mehr Zusatzmaterial, beispielsweise Filme, die den Alltag der alten Römer nahbar machen.« Wer Latein kann, hat es laut Potthoff-Knoth leichter, moderne Sprachen zu lernen. »Latein stellt das Modell dar«, fügt Wavra hinzu. Der Gong ertönt, der »Vergil« wandert nun zurück in die Schultaschen. Bis zum nächsten Mal, wenn es wieder heißt: »Salvete, discipuli.«
Tag der offenen Tür
Die Sankt-Lioba-Schule lädt für Samstag, 11. Februar 2023, von 9 bis 13 Uhr zum Tag der offenen Tür ein. Zielgruppe sind Kinder der vierten Klassen und ihre Eltern, die sich über die weiterführende Schule informieren wollen. Wie die Lioba erklärt, haben sich alle 20 Fachschaften spannende Angebote ausgedacht. Damit wollen sie zeigen, wie moderner Unterricht für Schülerinnen und Schüler von heute aussieht. Mitte Februar führt das Gymnasium Gespräche mit den interessierten Familien, um die Kinder kennenzulernen. Auf Grundlage dieser Gespräche verschickt die Bildungseinrichtung die Zu- oder Absagen bis Ende Februar - so zeitig, damit man sich im Fall einer Absage noch innerhalb der Meldefristen eine staatliche Schule aussuchen kann. Die Sankt-Lioba-Schule ist staatlich anerkannt und wird durch das Bistum Mainz getragen.