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Moderne Technik und Jugendstil

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20 Personen haben einen der begehrten Plätze für die Führung ergattert, die anlässlich der »Tage der Industriekultur Rhein-Main« angeboten wird. © Loni Schuchardt

Zwischen 1904 und 1906 wurde nach den Plänen des Jugendstil-Architekten Wilhelm Jost in Bad Nauheim östlich der Bahnlinie ein großes Heizkraftwerk gebaut. Darin befinden sich heute ein modernes Blockheizkraftwerk, aber auch noch viele Elemente aus der Blütezeit des Jugendstils.

Spannende Einblicke bieten die »Tage der Industriekultur Rhein-Main«. Wie bei einer Führung durch das Blockheizkraftwerk in Bad Nauheim. Da konnten Besucher den monumentalen Kraftwerksbau und das Betriebsgelände in Augenschein nehmen.

»Das war die Gelegenheit, hier mal reinzukommen«, meinte Georg Borchers. Der Bad Nauheimer ist als Stadtführer tätig, ebenso wie Heidi Seelen und Anja Hannes, die zu den Personen gehörten, die einen der 20 Plätze für die 90-minütige Führung ergattert hatten.

Vor dem Jugendstilbau begrüßte Betriebsleiter Mustafa Yavuzey die Besucher und erläuterte kurz die Entstehungsgeschichte der Wirtschaftsgebäude nach 1900. Nach den Plänen Josts wurden unter anderem der Bahnhof, der Kaiserhof, der Sprudelhof und die Trinkkuranlage gebaut.

Das Kraftwerk war zunächst mit einem 50 Meter hohen Schornstein ausgestattet, der später auf 30 Meter zurückgebaut wurde. Heute steht das gesamte Ensemble »Am Goldstein 5a« unter Denkmalschutz. In den ersten Jahrzehnten wurden in der 18 Meter hohen Kesselhalle die Dampfkessel mit Kohle beheizt.

Durch ein verzweigtes Kanal- und Rohrsystem wurden und werden bis heute unter anderem der Sprudel- und der Kaiserhof, die Kerckhoff-Klinik, das Dolce und demnächst wieder das Thermalbad mit Fernwärme ebenso versorgt wie zahlreiche Haushalte.

Auf die Frage von Heidi Seelen, ob geplant sei, die Fernwärme weiter auszubauen, antwortete Yavuzey: »Das ist alleine eine Entscheidung der Politik.« Die Stadtwerke Bad Nauheim, die ebenfalls Fernwärme anbietet, sieht der gelernte Heizungsbaumeister nicht als Konkurrenz. Yavuzey: »Wir arbeiten eher miteinander.«

Nach einem Gang rund um das Jugendstilensemble ging es in die Kesselhalle, dem Kernstück der Anlage. Hier befinden sich drei Kessel, die seit Ende der 1970er Jahre nicht mehr mit Kohle, sondern mit Öl und Gas befeuert werden.

Kernstück in der Halle ist das moderne Blockheizkraftwerk, das sich direkt neben zwei alten, lange ausgemusterten Kesseln aus der Jugendstilzeit befindet. Typische Jugendstilmerkmale wie geschwungen geformte Geländer und Fliesen findet man überall.

»Das Dachgebälk, die Eisenträger und auch der Fußboden sind fast 120 Jahre alt«, erklärt Yavuzey, der die Gruppe in den Keller führte. Hier befinden sich noch zwei alte Loren. In diese wurde die heiße Schlacke direkt aus den großen Kohlekesseln darüber hinein geschüttet und nach draußen gefahren.

Bis zur Umrüstung auf Gas und Öl wurde rund um die Uhr gearbeitet. »Pro Schicht arbeiteten sieben Männer hier. Heute wird nur noch alle zwei Tage kontrolliert«, weiß Yavuzey, der die Gruppe schließlich zu einer zunächst verschlossenen Tür führt.

»Wir gehen jetzt in den Saunabereich«, scherzt der Betriebsleiter und erzählt, dass sich hinter der Tür der Anfang des großen Kanals befindet, der die Wärme noch heute in die Stadt befördert, dementsprechend heiß ist es da. Yavuzey: »Sie könnten hier unterirdisch bis zum Sprudelhof laufen.«

Das andere Ende des Kanals haben Monika und Uwe Gie- secke aus Langen schon vor drei Jahren bei einer Sprudelhofführung gesehen. Damals war Uwe Giesicke in Bad Nauheim zur Kur. »Als wir im Programm der Industriekulturtage von der Führung gelesen haben, haben wir uns sofort angemeldet«, so die Ehefrau.

Zum Abschluss der Führung ging es zunächst in den ehemaligen, heute ungenutzten Werkstattbereich, in dem sich, neben Werkzeug und kleineren Maschinen, eine große Werkbank aus den Anfangsjahren des Bauwerks befindet. Da staunte Michael Birlenbach ebenso wie der 12 Jahre alte Mert Yavuzey, Sohn des Betriebsleiters.

Letzte Station der Führung war dann die große Halle, in der in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Eisblöcke für die Hotels und das Kurhaus produziert wurden. Hier befindet sich noch die große Schalttafel im Originalzustand, die bis zur Einstellung der Stromproduktion 1978 in Betrieb war.

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Monika und Uwe Giesecke staunen über die Schalttafel, die bis 1978 in Betrieb war. © Loni Schuchardt
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Michael Birlenbach und der zwölf Jahre alte Mert Yavuzey schauen sich die über 100 Jahre alte Drehbank an. © Loni Schuchardt

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