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Nach Transplantation in Bad Nauheim spricht Patient über sein Gefühlsdurcheinander

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Seit dem 29. März schlägt ein neues Herz in Fethi Zamangörs Brust. Die Kerckhoff-Klinik, wo er das Organ eingepflanzt bekommen hat, sucht er auch zwecks Nachsorge auf. © Jürgen Wagner

Vor dem Tag der Organspende (3. Juni) hat Fethi Zamangör über das Herz gesprochen, das er früher hatte, und über das neue, das er in Bad Nauheim bekommen hat.

Wochen, Monate im Bett liegen, hoffen, bangen, über den Abschied reden. Und darüber, dass es zu früh ist für den Abschied. Dass es sich lohnt, durchzuhalten, für sich selbst, für die Ehefrau, die beiden Söhne. »Jeden Tag hofft man, dass man ein Herz bekommt, aber jeden Abend, wenn die Lichter ausgehen, ist wieder nichts passiert. Man ist traurig. Es ist wie: ein Tag umsonst«, sagt Fethi Zamangör.

Für den 47-jährigen Familienvater ist es nicht umsonst gewesen, dass er durchgehalten hat. Er lebt seit dem 29. März sein neues Leben. Mit einem Herzen, das er einem Menschen zu verdanken hat, der nicht mehr lebt. Diesem Menschen ist Zamangör dankbar. Und dem Team der Bad Nauheimer Kerckhoff-Klinik, das sich um ihn gekümmert hat und es noch immer tut.

Durch Zufall entdeckt

Die Herz-Geschichte des Patienten aus Frankfurt reicht Jahrzehnte zurück. Als er 18 war und eine Mittelohrentzündung hatte, wurde zufällig Herzinsuffizienz entdeckt. »Ich war traurig, meine Familie, meine Mama waren sehr traurig«, erinnert sich Zamangör. Schwimmen, Fußball, Party machen, all das fiel flach. Später vermied er das Toben mit seinen Kindern. Ein Defibrillator wurde eingebaut.

Zamangör konnte nicht wissen, wann er ein neues Herz bekommt. Dass es aber irgendwann nötig sein würde, war ihm seit vielen Jahren klar. Bevor es ganz akut wurde, sammelte sich in den letzten Jahren immer wieder Wasser in der Lunge. Im Dezember fing sich Zamangör eine Influenza ein - und erholte sich nicht mehr. »Ich konnte nicht mehr laufen, sogar essen war zu schwer für mich.« Im Januar brach er vor der Haustür zusammen - in die Arme seines Sohnes. Zamangör kam in die Frankfurter Uni-Klinik, kurz darauf in die Kerckhoff-Klinik nach Bad Nauheim. »High urgency«, hohe Dringlichkeit, lautete nun seine Einstufung bei Eurotransplant. Ein neues Herz, jetzt musste es dringend eingepflanzt werden. Doch wann kommt eins?

Tränen der Freude

»Ich wusste nicht, ob mein Herz diese Zeit überstehen wird«, sagt Zamangör. Er lag nur im Bett, bekam Infusionen, grübelte. Die Familie kam zu Besuch, doch wenn sich jemand krank fühlte, konnte er nicht kommen. Zu groß das Risiko für den Patienten.

An dem Tag, an dem Zamangör das neue Herz erhielt, war kurz zuvor eine Psychokardiologin bei ihm. »Irgendwie war ich hoffnungslos, sie hat mich aufgebaut, mich motiviert.« Dann die erlösende Nachricht. Zamangör kamen Tränen der Freude. Der Druck fiel ab. Ein Gefühlschaos sei es gewesen, sagt er. »So was habe ich erlebt, als wir unseren ersten Sohn bekommen haben.«

Die Transplantation ist überstanden, die Reha vorbei, das Herz hat ein neues Leben geschenkt. Und doch ist da auch die Angst. Wie sehr darf ich das Herz belasten? Was hält es aus? Fethi Zamangör geht ein, zwei Stunden am Tag mit dem Hund raus, macht zwischendurch Pause. An Sport traut er sich noch nicht heran, vor Infektionen nimmt er sich in Acht. Er sei übermotiviert, wolle so schnell wie möglich die Zeit nachholen, die er verpasst habe, sagt er. Doch er merke seine Grenzen. »Ich glaube, das Zurückhaltende ist noch von früher.«

Das Schonverhalten gewohnt

Prof. Dr. Bettina Hamann, Leiterin der Abteilung Psychokardiologie an der Kerckhoff-Klinik, berichtet von einer ihrer Patientinnen, die erst mal wieder lernen musste, dass sie mit einem gesunden Organ wesentlich leistungsfähiger ist. Die Frau hatte gemeinsam mit ihren kleinen Kindern eine Burg besucht. Die Kinder sagten, sie werde ja sowieso stehen bleiben, und rannten hoch auf den Turm. Doch die Mama kletterte ohne Probleme ebenfalls hinauf - was sie selbst und ihre Kinder überraschte. Herzpatienten seien Schonverhalten gewohnt, sagt Hamann. Sie achteten darauf, sich nicht zu belasten, damit es nicht zu Herzrhythmusstörungen komme und der Defibrillator reagieren müsse. »Hier wieder ins Volle zu greifen im Leben, das dauert Monate bis Jahre. Da hilft auch Psychokardiologie, langsam an diese Grenzen heranzugehen und auszutesten.«

Fethi Zamangör spürt das neue Herz nicht besonders. Der Schmerz vom OP-Schnitt ist noch da. Der Defi ist weg, nimmt keinen Platz mehr ein, stört nicht mehr beim Schlafen. Das Herz schafft es jetzt ohne Absicherung. »Es schlägt ganz normal.«

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