Narretei unter dem Kirchturm

Bad Nauheim (hau). Kunterbunt ging’s am Wochenende unterm Nieder-Mörler Kirchturm rund. Die Spatzen pfiffen’s längst vom Dach, die Fassenacht war wieder erwacht. Vor zwei Mal fast ausverkauftem Haus zeigte sie ihr fröhliches Gesicht mit geistreichem Büttenreigen, spritzigen Tanzeinlagen und viel Live-Musik.
Mitten hinein ins Vergnügen stürzte sich der Pfarrgemeinde- beziehungsweise Elferrat auf flotter »YMCA«-Sohle. Das Ruder hatten Sabine Ratz und Patricia Philipp mit viel Esprit übernommen. »Motor« Monika Merz pausierte mit Rücksicht auf ihre Gesundheit und blutendem Herzen. Allrounder Norbert Margraf legte nach gefühlt hundert Jahren am Keyboard eine Schaffenspause ein, dafür zogen zehn Musiker im Freiwilligen Feuerwehrblasorchesterensemble um Kapitän Sebastian Witzel alle Register für Schunkelrunden, Tuschs, Ein- und Ausmärsche. Berthold Heil bekam mit Mario Lagundzija Verstärkung am Mischpult, Albert Bodenröder wirkte als Büttenschieber und Mundschenk, derweil sich die Küchenfeen um das leibliche Wohl der Gästeschar kümmerten.
Elvis, der Teufel und ein Engel
»Helauluja!«, frohlockte zum 35. Mal Pfarrchronist Helmut Kahlert am Fuße seines geistreich gedichteten (Drei-)Jahresrückblicks auf neue Pastoralräume und Kita-Träger, Kinderfreizeiten, Schola, Senioren, Ökumene und das Glücksgefühl: »Wir sind und bleiben eine lebendige Gemeinde.« Als Gästeführer durch seine Heimatstadt fand Bad Nauheims evangelischer Pfarrer i. R. Dr. Ulrich Becke satirische Parallelen zwischen Katholiken und Besuchergruppen (»Einer vorneweg und alle hinterher«), zwischen Weihnachtswunder und Ölbohrungen, Elvis und Metallräubern, Goldsteinpark und Handlungsbedarf, Kurpark und Biosphärenreservat.
Nieder-Mörlens »neuer Hausarzt« Ernst Gerecht bot in seiner pfiffigen Sprechstunde für jedes lokale Wehwehchen ein Deckelchen, und Claudia Schlitz fand letztlich doch viel Gutes bei Mutters Umgang mit dem Smartphone. Aus dem rustikalen Nähkästchen mit ihrem (leider abwesenden) Heinrich plauderte Nieder-Mörlens legendäre »Urgewalt« Carmen Nader, derweil Ober-Mörlens närrische MCC-Allzweckwaffe Dieter Obleser als Ballettmaus im Tutu ihr gefeiertes Debüt bei den Bloofois gab.
In köstlicher Zwietracht nahmen Bürgermeister Klaus Kreß und Erster Stadtrat Peter Krank in ihren maßgeschneiderten Rollen als Teufel und Engel sich selbst und die Ortspolitik auf die blitzgescheite Schippe beziehungsweise Forke - und fanden im Ringen um mehr oder weniger brave Bürgerseelen zum Burgfriedenkonsens, dass es bei den Narren gut auszuhalten sei.
Den urig-musikalischen Beweis trat die putzmuntere Frauengruppe der Pfarrei unter Jubel an: »Wir sind die Bloofois von Nieder-Mirle, wir leben und sterben für die Fassenacht, das weiß ein jedes Kind, und wir reißen Bäume aus, wo gar keine sind.« Auf seinen heiteren Ritt durch die Pfarreinarretei nahm der riesige Singkreis à la »Dschingis-Khan« mit.
Mit Kölscher Samba, wiegenden Hüften und Hebefigur machten die sieben »Gebrüder Anmut« ihrem Knaller-Namen und der Pfarrei-Tanzabteilung freudentränenreiche Ehre. Die Gäste vom TSV boten unterdessen alles an weiblichem und kindlichem Charme auf, was die große Tanzabteilung zu bieten hat: Die »Spirits« betörten im Wettstreit von Feuer und Eis, und die »Dance Kids«, die »Kids on Fire« und die »Fireflies« zauberten ein Strahlen und Funkeln in den Saal, dass das Publikum nur so dahinschmolz. Gerne ließen sich schließlich alle vom Blasorchester zum fidelen Finale auf die Bühne und zur Polonaise durch den Saal tragen.

