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„Das zu ertragen ist eigentlich das Schlimmste“: Frust und Stress auf der Intensivstation

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Von: red Redaktion, Sabrina Dämon

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Ein Patient auf einer Intensivstation im Krankenhaus.
Auf der Intensivstation in Bad Nauheim sorgt Corona für große Anstrengung.(Symbolbild) © Bodo Schackow/dpa

Corona sorgt für Belastung und Frustration auf der Intensivstation in Bad-Nauheim. Der pflegerische Leiter berichtet über die Auswirkungen der Pandemie.

Bad Nauheim – Es ist frustrierend, sagt Marco Dohle. „Dass wir schon wieder in einer neuen Welle sind. Dass die Arbeit auf der Intensivstation wieder unplanbar geworden ist, wir immer hinterherlaufen und morgens zusammen mit Ärzten entscheiden, wie viele Operationen durchgeführt werden können.“ Dohle ist der pflegerische Leiter der chirurgischen Intensivstation der Bad Nauheimer Kerckhoff-Klinik. Seit Beginn der Corona-Pandemie werden dort Patienten mit schweren Verläufen behandelt.

Noch im August, als Corona-Inzidenz und -Hospitalisierungsrate relativ niedrig waren* und die Impfquote gestiegen ist, hatten der 35-Jährige und sein Team gehofft, das Schlimmste sei überstanden. „Es werden noch ein, zwei Patienten kommen“, so erzählt er, haben sie geglaubt. „Und jetzt sind wir wieder mittendrin. Es hätte nicht sein müssen.“

Corona auf der Intensivstation in Bad Nauheim: „Keine Konstante mehr in der Planung“

Als Level-1-Krankenhaus verfüge die Kerckhoff-Klinik über die Kompetenz und das gesamte Spektrum medizinischer Lungenunterstützungsverfahren. Andere Krankenhäuser, die diese Intensivtherapie nicht anbieten, verlegen ihre Covid-Patienten in solche Zentren. Doch auch dort, sagt Dohle, ist die Zahl der notwendigen Geräte, der Betten und der Pflegenden begrenzt. „Wir müssen leider vereinzelt auch die Übernahme von Patienten ablehnen.“ Wenn zum Beispiel an einem Morgen drei Übernahme- bzw. Aufnahme-Anfragen zu Patienten eingehen, aber nur noch die Möglichkeit besteht, einen Patienten zu übernehmen, muss ärztlich entschieden werden: Welcher Patient muss am dringendsten intensivmedizinisch behandelt werden?

Was in dieser Welle anders und für Marco Dohle und sein Team besonders belastend sei, sei der große Anteil an überwiegend nicht geimpften jungen Patienten mit schweren Verläufen. “Man kämpft drei, vier Wochen für diesen Menschen. Er hat Kinder und Familie. Und dann schafft er es nicht. Das zu ertragen ist eigentlich das Schlimmste. Ich bekomme immer Gänsehaut, wenn ein Patient verstirbt.“

Wenn sich der Zustand eines Patienten verschlechtert, werden die Angehörigen informiert, die zum Abschied in die Klinik kommen. „Wir bekleiden den Patienten entsprechend, kümmern uns darum, dass er alleine liegt.“ Das war in den ersten Wellen anders. Damals war es selbst für Angehörige nicht erlaubt, zur Sterbebegleitung in die Kliniken zu kommen. „Es gab viele Fälle, in denen eine Schwester am Bett gesessen und die Hand des Patienten gehalten hat.“

Bad Nauheim: Behandlung von Patienten mit Corona kostet viel Kraft

Die Intensivstation ist seit Pandemie-Beginn zweigeteilt: In einem Bereich liegen die Covid-Patienten, in dem anderen die Non-Covid-Patienten - zum Beispiel die, die gerade am Herzen oder an der Lunge operiert worden sind. Die Zahlen schwankten: »In der Regel behandeln wir vier bis sechs Covid-Patienten und acht bis zwölf Non-Covid-Patienten.« Das könne sich aber von Schicht zu Schicht ändern. »Wir haben keine Konstante mehr in der Planung. Und Menschen, die auf eine anstehende OP warten, zum Beispiel Herz-OP oder Lungen-OP, müssen warten, weil wir noch dringlichere Fälle vorziehen müssen.«

Die Behandlung von Covid-Patienten erfordere viel Kraft. Vor allem, wenn ein Patient nicht mehr selbstständig atmen kann. »Wenn es völlig eskaliert, muss der Patient an eine Maschine angeschlossen werden, die im Grunde die Lunge ersetzt.« Der pflegerische Aufwand sei dann z. B. noch größer, wenn der Patient auf den Bauch gedreht werden müsse. »Das kostet viel Energie und viele helfende Hände. Wir brauchen dafür fünf, sechs Mitarbeitende. Und das machen wir nicht einmal, das machen wir 10 bis 20 Mal bei einem Patienten.« In voller Schutzmontur, »schwitzend ohne Ende«.

Viele Patienten mit Corona in Bad Nauheim sind nicht geimpft: „Es ist frustrierend“

Dabei, sagt Dohle, könnte es anders sein. »Es frustriert, wenn wir Patienten bekommen, die nicht geimpft sind. Und das ist ein Großteil nicht.« Manche von ihnen, sagt Dohle, haben zu ihm gesagt: »Ja, ich habe das unterschätzt. Ich hatte Angst vor einer Impfung.«

Doch auch, wenn die Arbeit, die Mehrbelastung, die Unplanbarkeit der vergangenen knapp zwei Jahre viel von ihm und seinem Team abverlangt habe, gebe es doch immer wieder hoffnungsvolle Momente. Bald zum Beispiel bekommen er und sein Team Besuch. Eine Frau, die im Januar Patientin gewesen ist. »Sie hatte einen sehr, sehr schweren Verlauf, keiner hat geglaubt, dass sie es schaffen wird.« Doch, erzählt er: »Sie ist zu Fuß aus der Klinik gegangen. Das gibt einem die Energie, alles für die Patienten zu geben. Und das machen wir.« (sda)

Wie im Rest von Deutschland sind auch die Corona-Fallzahlen in Bad-Nauheim weiterhin hoch. Das Gesundheitsamt hat deshalb eine Teilschließung der Waldorfschule angeordnet. *wetterauer-zeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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